83. Kapitel

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Hold on, I still need you ~ Hold On (Chord Overstreet)

Als ich wieder aufwachte, erschrak ich so sehr, dass ich einen Hüpfer machte. An meinem Bett saß eine Frau. Ihr blasses, fast schon weißes Gesicht war umrahmt von lilanen Haaren und ihre Augen waren pechschwarz. An ihren Schläfen waren Blumen tätowiert. An der linken Seite eine
Samaluna und auf der rechten eine Rose. Als sie sprach, teilten sich ihre Lippen, die mich faszinierten. Die obere war dunkler als die untere. Viel dunkler. Dabei war ich mir sicher, dass sie kein Make-up trug. Sie war die schönste Frau, die mir jemals begegnet war.

„Du bist wach. Wie schön. Ich hatte gehofft, dass wir uns noch ein bisschen unterhalten können, bevor du zurückkehrst. Ich bin Fantasia, falls du das noch nicht erkannt hast.“ Sie lächelte.
„Ich … äh … Hallo“, stotterte ich verwirrt. Sie sah mich einfach nur an. Hoffentlich sahen meine Haare nicht aus wie ein Wischmopp oder so. Nach dem Schlafen neigten meine Haare öfter dazu, wild vom Kopf abzustehen. Und vor einer Göttin war das mehr als unangenehm.

„Deine Haare sehen bezaubernd aus“, sagte sie mit ihrer hellen, klaren Stimme. Ich erstarrte. „Du … äh, Sie … äh, Ihr? Könnt Gedanken lesen?“ Wie zum Teufel sprach man eine Göttin an?! Fantasia lächelte amüsiert. „Du kannst mich ruhig duzen. Ich habe nur selten Gesellschaft und möchte mich ehrlich nicht mit Höflichkeitsfloskeln aufhalten.“
Jetzt lag es an mir, zu lächeln. „Wo bin ich?“, fragte ich schließlich.

„Im Herzen von Konzulesian. Es gibt keinen Namen dafür, die Aniral wissen nicht mal, dass es mich und diesen Ort gibt, aber ich nenne ihn manchmal Nirgendwo. Dieser Ort ist nirgendwo. Auf keiner Karte, in keinem Universum, auf keinem Planeten, in keiner Welt. Er existiert nur in unseren Gedanken. Hier lebe ich und warte auf Seelen, die sich dazu entschlossen haben, dem Tod zu trotzen. Ich warte mit ihnen, bis sie wieder zurück können. Das passiert nicht oft. Die meisten, so sagt mein Bruder, haben Angst vor dem, was sie nach dieser Erfahrung erwartet. Andere haben bereits mit ihrem Leben abgeschlossen und wollen das Schloss nicht wieder öffnen. Sie kommen dann zu meinem Vater. Er empfängt sie herzlich und sie können glücklich werden. Jede Nacht haben sie die Möglichkeit, auf ihre Liebsten hinabzublicken.“

Ich zögerte. Sollte ich diese Frage stellen oder war das zu privat oder ging mich nichts an? Aber sie hatte ja damit angefangen, oder nicht? „Ist dein Vater Gott? Und dein Bruder der Tod und deine Mutter die Natur?“ Sie lächelte. „Ja und nein. Mein Bruder ist tatsächlich der Tod und meine Mutter die Natur. Aber mein Vater ist nicht Gott. Gott ist bei den Menschen. Mein Vater ist der Mond. Er beschützt die Seelen der Aniral ab dem Zeitpunkt, an dem sie zu ihm kommen. Davor weiß niemand etwas von ihm. Keiner weiß von uns vieren. Du musst mir versprechen, es niemandem zu erzählen, wenn du wieder draußen bist, okay?“

Ich nickte. Ich würde doch keine Göttin verraten! „Und du? Wer oder was bist du?“, fragte ich. Fantasia strich sich eine Strähne ihres langen Haares hinters Ohr. „Ich passe auf, dass alles im Gleichgewicht bleibt. Gut und Böse. Hell und Dunkel. Licht und Schatten. Salabon und Talifia. Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass niemand stärker als der andere wird. Doch manchmal brauche auch ich Hilfe.“

Ich nickte, als sie mir in die Augen sah, als wollte sie sagen „Du warst meine Hilfe“.
„Dein Name ist Fantasia Bolila, richtig?“, erkundigte ich mich. Sie nickte.
„Hat das eine Bedeutung? Ich meine, Tod ist klar und Natur auch und Mond ebenfalls. Aber wofür stehst du?“, fragte ich leise. „Das findest du selbst heraus, Emilia. Du bist schlau. Nutze deinen Verstand und du wirst merken, was mein Name ist. Deine Zeit hier ist nun vorbei. Wir werden uns wiedersehen, das weiß ich. Doch nun ist unsere Zeit beendet. Lebe ein Leben, Emilia. Frei von der Bürde, mit der du zu kämpfen hattest. Sei frei.“

Ehe ich blinzeln konnte, war sie verschwunden. Sie ließ mich verwirrt auf dem Bett sitzen. „Emilia? Bist du das?“, hörte ich da eine Stimme. Ich drehte mich um. Eine Frau kam auf mich zugelaufen. Moment. Das war doch … „Lavinia?“ Die Frau nickte. „Was machen Sie hier?“, fragte ich irritiert. Sie ließ sich auf der Bettkante nieder. Ihre grünen Augen glänzten, als sie mich ansah. „Ich bin gestorben, Emilia. Im
Kampf. Ich habe Mors darum gebeten, mit dir sprechen zu dürfen. Nur ein einziges Mal.“

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt