25 - Rache

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Samantha hatte fast vergessen, wie köstlich Pizza war und fragte sich, wann das italienische Gericht in der englischen Küche Einzug gehalten hatte. Nicht im Regency jedenfalls, soviel wusste sie.

Nach dem Essen entschieden Lucy und sie sich für einen Film auf DVD, den sie schon früher mehrmals geschaut hatten. Eine Liebeskomödie, die ihnen gerade so viel Aufmerksamkeit abverlangte, dass sie sich nebenher entspannt unterhalten konnten. Samantha lieh sich von Lucy einen Schlafanzug und erzählte bei einem weiteren Glas Rotwein von ihrem Leben in der Vergangenheit und Lucy von Ben und ihrem Leben. Sie sprachen über Belanglosigkeiten, aber bald fühlte es sich so an, als wären die beiden Freundinnen nie getrennt gewesen. Die alte Vertrautheit half Samantha über ihre Sorgen hinweg und ein Stückweit vergaß sie sogar ihr schlechtes Gewissen, weil sie Richard und Arthur im Stich gelassen hatte.

Der Rotwein tat sein Übriges und bald war Samantha so schläfrig, dass sie, noch vor Ende des Films, auf dem Sofa einschlief. Anhaltende Anspannung und die Umstellung, sich in der Zukunft zu befinden, hatten sie zutiefst erschöpft, aber statt in einen erlösenden, traumlosen Schlaf zu verfallen träumte sie.

Sie fand sich im Traum in einer mondlosen Nacht auf einer Wiese wieder. Es war ein Feld wie es sie noch heute in der ländlich geprägten Umgebung von Ferywood gab. Sie erkannte die Wiese und die Umgebung im Dunkeln nicht wieder, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass es ein Ort in der Vergangenheit war. Sie spürte das kurze, weiche Gras unter ihren nackten Füßen und konnte die für die Gegend typischen sanften, von Wiesen und Hecken durchzogenen Hügel gerade so in der Dunkelheit erkennen. In die würzige Nachtluft, die nach Wiese, Wald und ganz leicht nach Meer roch, weil der schwache Wind aus Südwesten kam, mischte sich der Geruch nach Holzrauch. Nur wenige Meter vor ihr befand sich ein dunkler Streifen, der ein von Hecken gesäumter Hohlweg sein mochte, aber es war zu dunkel, um es mit Sicherheit sagen zu können. Es war sehr still. Sie machte ein paar ziellose Schritte und umrundete eine dichte Hecke aus wilden Himbeeren und sah den Lichtschein eines kleinen Lagerfeuers um das sich fünf in dunkle Mäntel gehüllte Gestalten kauerten. Samantha, sicher, dass man sie nicht sehen konnte, ging weiter auf das Feuer zu und erkannte bald, dass dort Carlotta und Hatfield mit ihren verbliebenen Söldnern saßen, sich fröstelnd die Hände rieben und ihre Beute zählten. Ein offener Leinenbeutel in dem es golden schimmerte, lag vor ihnen und daneben lehnten die zu einer Pyramide aufgestellten gestohlenen Gewehre aneinander.

Samantha ging noch näher, so dass sie den Inhalt des Leinenbeutels besser sehen konnte. Sie erkannte Schmuckstücke aus ihrer eigenen Schatulle, in denen sich der schwache Feuerstein spiegelte. Da lagen die perlenbesetzten Kämme, die ihr Richard einst in Brüssel gekauft hatten, und eine Halskette, die ihrer Mutter gehört hatte. Wut stieg in ihr hoch, weil sie sich an ihren persönlichsten Dingen vergriffen hatten, aber es gab keine Möglichkeit ihrem Ärger Luft zu machen oder ihr Eigentum zurückzufordern. Ihr konnte zwar nichts passieren, weil sie nur im Traum hier war, aber gleichzeitig war sie unsichtbar und machtlos.

„Ihr zwei haltet die Umgebung im Auge", sagte Hatfield mürrisch zu zweien der Männer.

„Und die Beute aus den Augen lassen?", gab der eine frech zurück.

Hatfield starrte ihn zornig an. Er war einst Offizier gewesen und es nicht gewohnt, Befehle zu diskutieren. Sein Gesicht war müde und eingefallen. Die fast leere Flasche, die neben seinem rechten Stiefel stand, zeugte davon, dass er sich wieder seinem alten Laster ergeben hatte.

„Ihr bekommt euren Anteil" sagte er schließlich. „Aber nur wenn wir davonkommen, also tut, was ich euch sage."

Die beiden Männer wechselten einen Blick, griffen dann aber nach ihren Gewehren und verschwanden in der Dunkelheit.

„Die nächste Wache übernehme ich selbst", sagte Hatfield leise und musterte dabei über das Feuer hinweg den dritten der verbliebenen Wegelagerer, als frage er sich, ob dessen Loyalität ebenso brüchig war, wie die seiner Freunde.

Die Schatten von FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt