Am Nachmittag stand ich vor Louisas Tür.
"Ich hab gar nicht mit dir gerechnet", begrüßte sie mich.
"Es ist auch schön dich zu sehen", sagte ich.
"Meistens bist du in der ersten Schulwoche wie vom Erdboden verschluckt", sagte sie.
"Hast du ein Glas Wein?", fragte ich sie.
"So schlimm?", fragte mich Louisa mit hochgezogener Augenbraue.
"Schlimmer", antwortete ich.
Louisa holte zwei Weingläser und eine Flasche Rotwein. Dann setzten wir uns gemeinsam auf ihre Terrasse.
Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Glas.
"Ich hab sie wiedergesehen", stöhnte ich.
"Wen?", fragte meine Schwester.
"Emilia", flüsterte ich.
"Deine Ehefrau?", fragte Louisa grinsend.
"Das ist nicht lustig", sagte ich.
"Wo hast du sie getroffen?", fragte Louisa.
"In der Schule", sagte ich leise.
"Sie ist auch Lehrerin? Das ist doch kein Weltuntergang. Jeder tut mal dumme Sachen, wenn man besoffen ist. Gut, zu heiraten, hat nochmal ein ganz neues Niveau. Aber ihr seid doch beide erwachsen. Ihr schafft es schon normal miteinander umzugehen", sagte Louisa.
Ich schüttelte meinen Kopf. "Sie ist keine Lehrerin", flüsterte ich.
Ich wagte es nicht Louisa anzusehen. Trotzdem spürte ich ihren Blick auf mir.
"Warte mal ... sag nicht sie ist deine ...", begann Louisa.
"Meine Schülerin", flüsterte ich.
"Oh, fuck", sagte Louisa.
Wäre die Situation nicht so beschissen, hätte ich darüber gelacht, denn meine Schwester fuhr normalerweise nie aus der Haut und sie fluchte nie.
"Du sagst es", sagte ich.
Meine Schwester seufzte. "Gut, ihr seid verheiratet. Aber ihr habt ja nicht ... Halt einfach Abstand zu ihr", sagte Louisa.
Ich rollte mit den Augen.
Louisa verstand sofort. "Oh, mein Gott! Du hast mit deiner Schülerin ..."
"Sprich es nicht aus!", unterbrach ich sie sofort.
"Und ich dachte immer, du wärst spießig", sagte Louisa.
"Vielen Dank", sagte ich. Bisher hatte ich mich an jede Regel gehalten und war nie aus der Reihe gefallen.
"Was hast du jetzt vor?", fragte Louisa.
"Ich hab keine Ahnung. Wahrscheinlich müsste ich es meiner Direktorin mitteilen", sagte ich.
"Hast du mit Emilia geredet? Was sagt sie dazu?", fragte Louisa.
"Was soll ich ihr denn sagen? Es ist egal, was ich sage, es würde meine Autorität völlig untergraben. Wenn das mit ihr rauskommt, nimmt mich niemand mehr ernst. Das ist ein Albtraum", sagte ich.
Louisa legte ihre Hand auf meinen Unterarm.
"Leyla, sei nicht so streng mit dir. Jeder baut mal scheiße", sagte Louisa.
"Ich nicht", sagte ich.
"Also, hast du jetzt das Ufer gewechselt?", stammelte Louisa.
Ich brauchte eine Weile, bis ich verstanden hatte, was sie mich fragte.
"Bist du bescheuert? Das war eine absolute Geistesverwirrung im Vollrausch. Bei klarem Verstand würde ich niemals was mit einer Frau anfangen. Ich stehe auf Männer", widersprach ich vehement.
"Okay", sagte sie bloß.Nachdem wir die gesamte Weinflasche geleert hatten, machte ich mich langsam auf den Heimweg. Zugegeben, Louisa hatte die Weinflasche beinahe alleine geleert. Mehr als ein Glas hatte ich nicht getrunken.
Zurück zu Hause legte ich mich auf mein Sofa und versuchte mich auf das Fernsehprogramm zu konzentrieren. Doch es gelang mir nicht. Immer wieder wanderten meine Gedanken zu meiner Schülerin. Immer wieder spielte sich die Szene vor meinen Augen ab, wie Emilia vor mir im Unterricht saß. Was war das nur für ein Albtraum? Wie konnte mir das bloß passieren? Noch vor einer Woche war mein Leben perfekt gewesen. Ich hatte einen Verlobten gehabt, ein gutes Leben und einen Job, den ich liebte. Und jetzt war alles ein reinster Scherbenhaufen. Meine Verlobung war vorbei und stattdessen hatte ich eine wildfremde Frau geheiratet, die sich dann auch noch als meine Schülerin entpuppte.
Ich hatte absolut keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Wahrscheinlich müsste ich es melden. Aber auf der anderen Seite war es auch nicht so, dass Emilia und ich eine Beziehung führten. Unsere Ehe bestand nur auf dem Papier.
Ich seufzte und kraulte meinen Kater. "Was soll ich nur tun?", flüsterte ich ihm zu.
Natürlich bekam ich keine Antwort von ihm.
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What happens in Vegas, stays in Vegas
RomanceLeyla reist nach Las Vegas und verbringt dort eine verhängnisvolle Nacht mit der jungen Emilia. Am nächsten Morgen beschließen die beiden getrennte Wege zu gehen und nie wieder ein Wort über die Geschehnisse der letzten Nacht zu verlieren. Was aber...