Kapitel 34

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„Könntest du das bitte lassen?” fragte Yasmine Camila, die mit ihren Schuhen am Armaturenbrett tappte.

„Es tut mir leid. Ich bin einfach nervös.”

Das war die Untertreibung des Jahrhunderts.

„Wie ist dein Orden und deine Familie so?”

Für einen kurzen Moment wendete Yasmine ihren Blick von der Straße ab und sah sie an. Als würde sie in Camilas Augen noch etwas suchen. Vielleicht ihren Beweggrund für diese Frage.

„Sie sind sehr offen und gastfreundlich. Aber auch traditionell und alten Gebräuchen treu.”

Camila schluckte schwerfällig den Kloß in ihrem Hals herunter. Wenn Yasmines Familie so traditionell orientiert war, wie sie es sagte, würden sie ihre immer stärker werdende Freundschaft nicht gut heißen. Auch wenn Camila nicht mit dem Begriff Freundschaft zufrieden war, war es für sie gerade ausreichend. Jeden Tag, andem sie Yasmine nahe sein konnte, ließ ihre Gefühle für sie nur noch größer und stärker werden. Eigentlich wollte Camila die Zweisamkeit nutzen um einander noch näher zu kommen, aber wie sollte das funktionieren, wenn ihre Familie dagegen war? Eine Beziehung zwischen Frauen, oder Nonnen, entsprach nicht dem Prinzip der alten Tradition.

„Was ist los? Habe ich etwas falsches gesagt?”

Camila blickte von ihren geballten Fäusten in ihrem Schoß auf und bemerkte, daß sie angehalten hatten. Normalerweise fand sie immer einen lockeren Spruch oder konnte schlagfertig antworten. In dieser Situation jedoch nicht. Alles in ihr bebte vor Unruhe und Angst. Nicht fähig zu sprechen starrte sie wieder stuhr nach unten.

„Egal, was ich gesagt habe, es tut mir leid.”

Yasmines Stimme war so zärtlich, wie ihre Berührung. Langsam, aber bestimmt nahm sie Camilas Hände in ihre und zwang sie sanft ihr ins Gesicht zu sehen.

„Bitte. Sag mir, was dich beschäftigt und verletzt.”

„Es ist...”

„Wehe du sagst nichts.” Unterbrach sie Yasmine.

„Ich weiß es nicht.”

„Du weißt schon, dass Lügen immer noch eine Sünde ist?”

Sünde. Ein gutes Wort.

„Da wären wir schon beim Thema.” murmelte Camila und hoffte Yasmine würde es nicht hören.

„Lügen? Oder Sünden? Ich kann dir nicht helfen oder es verstehen, wenn du nicht mit mir redest. Richtig reden, indem du mir ins Gesicht schaust und verständlich sprichst.”

Sollte sie alles offen darlegen? Die Gelegenheit nutzen und Yasmine ihre Gedanken und Gefühle mitteilen? Oder würde sie damit zu viel riskieren und womöglich ihre Freundschaft zerstören? Wie auch immer sie sich entscheiden würde, der Krieg von Gefühlen und Gedanken musste enden. Camila konnte es nicht länger ertragen und somit platzte einfach so, ohne Pause alles aus ihr heraus.

„Ich... Ich muss immer daran denken, wie ich mich selbst zurückhalten muss und ständig verstellen. Obwohl ich es so leid bin und es eigentlich nicht müsste, aber ich habe zu viel Angst vor der Reaktion anderer und vor deiner. Ich meine, wie soll ich aber es vor dir verbergen? Immer wenn wir alleine sind oder wir uns ansehen wird es jeden Tag schwerer, es vor dir zu verbergen. Ich...”

„Camila stop!” Yasmine hob ihre Hand und unterbrach ihren redefluss. „Das ist sehr viel Information auf einmal und durcheinander. Was? Was musst du vor mir verbergen?”

„Das ich etwas für dich empfinde. Etwas, was über Freundschaft und der Liebe für eine Ordensschwester hinausgeht.”

Auch wenn sie nicht direkt die Worte waren, die ihre Gefühle beschrien, war es dennoch die Wahrheit und Yasmines Blick zu Teil, wusste sie ganau, was sie meinte.

„Du meinst du...”

„Ja.”

Es war raus. Alles schien für einen Moment still zustehen. Keine von beiden wagte es zu atmen. Um ehrlich zu sein wusste Camila nicht einmal, ob sie sich befreit fühlen sollte oder niedergeschlagen.

„Wa... warum musstest du es vor mir verbergen? Dachtest du ich würde...was? Dich von mir stoßen oder dich schmerzvoll abweisen?”

Tränen glitzerten in Yasmines Augen und Camila wusste, dass sie selbst schon bereits Tränen vergoss.

„Nein. Doch. Also irgendwie schon. Ich weiß es nicht. Ich glaube ich wollte es generell nicht offen aussprechen, weil ich nicht nur Angst vor deiner Reaktion hatte, sondern auch von den anderen.”

„Hast du nicht.”

Yasmine sah nur gerade aus, daher konnte Camila nicht anhand ihres Blickes ausmachen, was sie meinte.

„Was?” fragte sie verwirrt.

„Du hast es nicht gesagt.” wiederholte Yasmine. „Zumindest nicht direkt. Seit Monaten geht es mir genau so und ich war mir nie ganz sicher wie es dir ging. Aber jetzt, jetzt will ich einfach nur noch die Worte aus deinem Mund hören. Die Zeiten und Menschen werden es nie leicht machen, aber sieh dir nur Ava und Beatrice an. Auch wenn sie schwere Zeiten durchmachen, sind sie dennoch zusammen und machen gute daraus. Scheiß darauf und sag es. Bitte.”

Im ersten Moment überrumpelt von Yasmines Worten, wusste sie zunächst nicht genau, was sie von ihr wollte. Dann fiel aber der Groschen und sie konnte nicht anderst, als über das gesamte Gesicht zu lächeln.

„Ich liebe dich. Ich habe mich in dich verliebt Yasmine.”

Es fühlte sich so unglaublich an diese Worte wirklich laut auszusprechen. Überwältigt von den Gefühlen die jedes einzelne Wort in ihr auslöste, lehnte sie sich zu ihr und kam Yasmine näher. Diese tat es ihr gleich, ehe sie sich ganz nah waren und intensiv in die Augen sahen.

„Ich habe mich auch in dich verliebt.”

Glücklich nahm Camila sie hektisch in den Arm. Plötzlich fiel ihr wieder etwas ein und begann zu lachen.

„Was? Was ist so lustig?”

Yasmine sah sie ahnungslos an. Camila jedoch konnte kaum aufhören zu lachen und versuchte Luft für Wörter zu entbehren.

„Scheiß drauf? Ist das dein Ernst? Ich wusste gar nicht, dass du jemals solche Worte in dem Kontext verwenden würdest.”

Jetzt schien Yasmine zu begreifen worüber sie lachte und stieg schließlich mit ein. Als sie sich wieder beruhigt hatten, hielten sie sich, wie aus dem Nichts, an den Händen. Camila konnte nicht sagen, wann und wie ihre Hände und Finger zueinander gefunden hatten, aber sie war mehr als froh darüber. Jeder Millimeter der in Kontakt mit Yasmines so weicher Haut war, kribbelte. Noch nie zuvor hatte sie solche Gefühle und Empfindungen für jemanden.

„Können wir aber bitte alles langsam angehen lassen? Ich bin nicht sonderlich erfahren in solchen Dingen und würde es ungern kapput machen.”

„Ach und du denkst ich hätte mehr Erfahrung?” fragte Camila und zeigte auf sich selbst. „Ich bin genau so einen Nonne wie du. Schon vergessen?”

„Nein natürlich nicht!” antwortete Yasmine rasch. „Ich möchte einfach ehrlich sein und das richtig machen.”

Genau das war es, was Camila auch wollte. Etwas richtig zu machen und ehrlich zueinander sein. Das hier zwischen ihnen beiden stand noch ganz am Anfang und würde in Zukunft noch oft auf die Probe gestellt werden, aber genau wie Ava und Beatrice würden sie es schaffen. Das mussten sie einfach.
Schließlich nickte Camila zustimmend.

„Und was machen wir jetzt?”

Yasmine drehte den Schlüssel um und der Motor sprang wieder an. Geräuschvoll legte sie den Gang ein und sah mit einem unglaublich weichen und nur so vor Liebe strahlenden Blick zu ihr herüber.

„Jetzt gehen wir zu meinem Orden.”

Damit drückte sie das Gaspedal durch und fuhr, nicht gerade sanft, mit quitschenden Reifen zurück auf die Straße. Ein Weg zu ihrer ersten Probe als Paar. Moment, Paar?




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