Okay, okay... das war nicht unbedingt die beste Idee ihres Lebens gewesen. Als der reißende Fluss sie endlich wieder freigab, krabbelte Gwen völlig erledigt, mit mehr blauen Flecken als sie zählen konnte und einer gefährlich niedrigen Körpertemperatur aus dem Wasser an das rettende Ufer. Auch wenn das Klima warm und sommerlich war, der Fluss hatte seinen Ursprung in einem Gletscher und war dementsprechend temperiert. Heftig mit den Zähnen klappernd zog sie sich mit steifen Fingern aus, breitete ihre Kleidung über ein paar Büsche und legte sich in das Gras am Ufer, um sich von der Sonne trocknen und aufwärmen zu lassen. Während sie da so in dem warmen Licht lag, dachte Gwendolyn nach. Ihr Geist war langsam und träge und ihr Herz tat weh. In diesem Moment der Schwäche gestand sie sich ein, dass sie sich in die Arme ihres Clans kuscheln wollte. Das sanfte Schnurren Henrys hören wollte, die zärtlichen, sie streichelnden Hände von Tjorben spüren wollte....
Ach, Tjorben...
Tränen stiegen in Gwens Augen und Wärme strömte durch ihre Adern...
Ein leises Pulsieren zwischen ihren Beinen und eine beginnende Schwere in den Brüsten liefen wie Warnsignale durch ihren Körper und machten der Epsilon klar, dass ihre Zeit allmählich ablief. Ihre nächste Hitze würde schon bald einsetzten und sie brauchte ganz dringend einen Plan, wie sie an Supress kommen konnte. Besser wäre allerdings die Hitzehemmer-Injektion, welche ihr Dr. Madison vor knapp einem halben Jahr verpasst hatte.
Verdammt... warum nur musste das Leben so kompliziert sein?
Müde schleppte Gwen sich schließlich zu ihren mittlerweile getrockneten Klamotten und zwängte sich mühsam hinein. Dann sah sie sich nach einem Plätzchen für die Nacht um. Auch wenn die Tage warm waren, die Nächte waren es nicht und oft zog zudem ein eisiger Wind auf.
Nach langem Suchen - die Sonne berührte bereits den Horizont - fand die junge Frau schließlich einen alten umgestürzten Baum einige Kilometer flussabwärts, dessen Wurzeln eine tiefe Höhle ins Erdreich gerissen hatte. Rasch sammelte sie einige Hände von dem hohen Riedgras und polsterte damit den trockenen Boden aus. Unter Zunahme weiterer Gräser flocht sie mit immer noch steifen Fingern einen Vorhang... es war keine Meisterleistung, aber für eine Nacht sollte es reichen um den Wind abzuhalten. Totmüde rollte Gwendolyn in der Höhle zusammen und schlief augenblicklich ein. Es vergingen zwei Tage, bis sie wieder aufwachen sollte und als sie es dann tat, fühlte sie sich wie gerädert.
Mühsam wie eine alte Frau kroch sie aus ihrem Versteck und räckelte sich. Ihre Knochen knackten leise und ihre Muskeln protestierten, was ihr ein jämmerliches Wimmern entlockte.Als sie sich wieder halbwegs bewegen konnte, ohne die ganze Zeit zu ächzen und zu stöhnen, schaffte Gwen es endlich, auf den Rest ihres Körpers zu hören.
Ihr Magen knurrte!
Gott, hatte sie einen Kohldampf. Das Problem war allerdings, dass in der wilden Natur nicht wirklich Brot an Bäumen wuchs. Seufzend beschloss die junge Frau, sich zunächst einmal einen Überblick zu verschaffen.
Wo zum Geier war sie hier eigentlich?
Sie sah sich um und erblickte einen großen Baum, der alle anderen überragte.
Also war nun klettern angesagt. Nachdem sie zweimal gründlich daneben gegriffen und somit äußerst schmerzhaft mit den Ästen unter sich Bekanntschaft geschlossen hatte, hatte die Epsilon es schließlich geschafft hoch genug empor zu steigen, um sich ungestört umzusehen.
Na sowas...
Das sah doch glatt nach einer Stadt aus! Schätzungsweise drei Stunden Fußmarsch entfernt. Und wo eine Stadt war, da war auch ein Hospital. Und wo ein Hospital war, da gab es mit Sicherheit Hitzehemmer. Der Abstieg war eher abenteuerlich und um ehrlich zu sein, war Gwen erstaunt, dass sie es lebend auf den Boden zurückgeschafft hatte.
Aber wichtig war im Endeffekt nur, DASS sie es geschafft hatte und ihr Magen trieb die junge Frau schon kurz darauf mit wütendem Rumgeknurre in Richtung Stadt.Jepp... sie hatte sich eindeutig verschätzt. Sie brauchte mehr als den halben Tag um die ersten Ausläufer der Zivilisation zu erreichen. Hätte sie nicht unterwegs ein kleines Blaubeerbäumchen im vollen Fruchtstand gefunden, hätte sie sich vermutlich bereits vor lauter Hunger einen Finger abgekaut. Langsam trottete Gwen durch die verlassenen Straßen der Vorstadt.
Laute Stimmen schreckten sie schließlich aus ihren Gedanken auf. Aus einer Bar kamen vier Männer. Nein, nicht Männer... Alphas!
Wieso?
Wieso konnte sie nicht einmal Glück haben? Gut, es war ja schon irgendwie ihre eigene Schuld... immerhin lief sie hier ungeschützt und ohne auf Gefahren zu achten durch die Gegend.
Dumm! So unglaublich, unfassbar dumm!
Sie versuchte sich möglichst klein zu machen und wich an eine Hauswand aus, um den Clan passieren zu lassen.
Einer der Männer, ein wahrer Schrank mit langen, im Nacken zusammengebundenen dunkelbraunen Haaren blieb stehen und musterte Gwendolyn. Er trug mit Stolz die Bißmarkierung eines Omegas an seiner Schulter und die Epsilon atmete erleichtert auf. Der Zirkel war verpartnert!
„Hey, Kleines... nimm's mir nicht übel, aber du siehst ziemlich angeschlagen aus... geht es dir gut?" Gwen nickte schüchtern und wollte an ihm vorbei schlüpfen, doch der Alpha hob kurz warnend die Hand. Die Epsilon erstarrte und sah ihn mit riesigen Augen furchtsam an. „Woah, Woah, Woah... ganz ruhig, kleine Delta. Wir tun dir doch nichts. Du siehst nur wirklich so aus, als könntest du etwas Hilfe gebrauchen... bist du verletzt? Musst du in ein Hospital?"
Gwendolyn wollte gerade - mal wieder - alles abstreiten um möglichst schnell aus der Sichtweite der vier Riesen zu verschwinden, als ihr Magen ihr einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machte und sich lautstark zu Wort meldete.
Der Schrank in Form eines Alphas vor ihr lachte leise und zog aus seiner Hosentasche eine kleine Karte hervor.
„Hier, Mäuschen. Hol dir was zu essen und ein paar neue Kleidungsstücke. Die Rechnung übernehme ich."
Er streckte die Hand aus und strich ihr mit einem sanften Lächeln und einen frechen Zwinkern kurz mit den Fingerknöcheln über ihren Kiefer.
Gwendolyn betrachtete die Karte in seiner Hand und fragte leise: „Warum bist du so nett zu mir? Du kennst mich doch gar nicht.."
Der Alpha wurde ernst und meinte traurig: „Ach, Mäuschen... uns allen begegnet im Leben viel zu wenig Gutes. Du hast Hunger und brauchst etwas zum Anziehen. Ich kann helfen, also nimm die verdammte Karte an."
Zögernd streckte die junge Frau ihre Hand aus und tat wie geheißen.
Der Mann lächelte zufrieden und fuhr ihr sanft mit der riesigen Pranke durch die roten Locken.
„Braves Mädchen. Und jetzt ab mit dir!"
Gwen flüsterte: „Danke Alpha...!"
„Duncan. Mein Name ist Duncan. Und gern geschehen, Mäuschen!"
Dann huschte die Epsilon an den vier Männern vorbei und verschwand um die Ecke.
„Hast du heute deinen sozialen Tag, Duncan? Auf der Karte war noch genug Guthaben für eine komplette neue Garderobe und um zusätzlich Essen für mindestens eine Woche zu kaufen... Hat dich unsere Verpartnerung etwa weich werden lassen?"
Duncan verdrehte die Augen: „Halt die Klappe, David. Wenn wir helfen können, sollten wir das auch tun. Und als hätte dich die Vereinigung mit unserem kleinen Omega nicht milder werden lassen."
David lachte leise und dann sagte er voller Sehnsucht: „Verdammt... jetzt vermisse ich ihn! Sind wir in diesem Kaff endlich fertig? Ich mein, warum soll Rafe sich ganz allein mit unserem kleinen Liebling vergnügen dürfen?"
Duncan seufzte und nickte. „Ja, wir sind fertig. Wir können zurück nach Hause... Los, Gentlemen... Josh wartet auf uns!"
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In einem Feld voller Schmetterlinge
Fantastik„Du bist eine Epsilon, deine Pflicht ist es deinem Alpha-Clan Kinder zu gebären.." Ja, ja, ja... das war ihre Gott verdammte Pflicht, weil sie in der genetischen Lotterie des Lebens die A-Karte gezogen hatte. Gwendolyn hatte jedoch nicht vor, sich...