Entscheidungen

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Die nächsten zwei Tage zog ich mich etwas zurück. Ich wollte Zeit für mich haben, um über das Angebot von Davenport nachzudenken.
So etwas sollte nicht einfach überstürzt werden. Vor allem, nachdem er mir erzählt hatte, dass der Chip drinbleiben musste und es kein Zurück gab.


Lange dachte ich darüber nach, wie sehr es mein Leben verändern würde, wenn ich zu den bionischen Helden gehören würde.
Es wäre nie langweilig, gäbe immer etwas zu tun.
Und wie Kaz sagte, ich wäre nicht mehr so hilflos. Ich hätte die Möglichkeit, mich gegen vieles zu wehren. Bräuchte mir keine Sorgen mehr machen.


Außerdem würde ich endlich dazugehören. Und das richtig, nicht so wie jetzt.
Gerade war ich nur ein Anhängsel, das irgendwo eingesetzt wurde, wofür es gut genug war. Schließlich hatte ich keinerlei Fähigkeiten, war weder schlau, noch hatte ich technisches Wissen. Alles musste mir beigebracht werden.
Ich wusste nicht einmal, warum sie das überhaupt machten. Im Grunde hielt ich sie nur zurück, bei dem was sie taten, da ich immer eine Nanny brauchte.
Und das wollte ich nicht. Im Gegenteil. Ich hasste es.
Ich wollte auch etwas können. Von alleine. Ohne Aufsicht.


Und seien wir ehrlich, zu verlieren hatte ich eh nichts.
Bis auf meinen Vater hatte ich keinerlei lebende Verwandten mehr und auch alte Freunde hatte ich nach dem Tod meiner Mutter zurückgelassen.
Meine Familie bestand nun aus Chase. Er und die anderen waren alles was ich noch hatte. Und auch alles was ich wollte.


Die Klingel riss mich aus meinen Gedanken. Recht Gedankenverloren schlurfte ich in meinem Schlabberlook zur Tür.
Zu meiner Überraschung stand mein Freund davor. Mein Herz machte augenblicklich einen Sprung, als ich ihn sah. Ein Lächeln zog sich über meine Lippen, welches er erwiderte.
Doch ich sah in seinem Blick Besorgnis. Und ich hatte eine Vorahnung weswegen.


Bevor er etwas sagen konnte, zog ich ihn an der Hand in die Wohnung hinein.
„Lass mich raten, du bist hier, weil du mir das ganze Ausreden willst?"
Ich löste mich von ihm, ließ mich auf die Couch fallen und schaute ihn abwartend an.
Womöglich klang ich etwas hart, doch ich konnte es nicht verhindern.
„Du weißt, dass es gefährlich ist", begann er.
Ich seufzte.
„Ja, das weiß ich. Und dennoch könnte ich es in Erwägung ziehen."


Chase setzte sich recht vorsichtig und mit aufrechter Haltung neben mich. Doch er sagte nichts.
„Oder willst du nicht, dass ich so bin wie du?"
Sein Kopf schnellte Augenblicklich zu mir.
„Nein, das ist es nicht. Ich habe Angst, dass dir etwas passiert. Bree und ich haben Jahre lang trainiert, um auf Missionen eingesetzt zu werden. Ein Leben ohne Bionik kennen wir nicht. Aber bei dir ist das anders. Eine falsche Entscheidung könnte dich dein Leben kosten."


Da konnte ich ihm nicht widersprechen. Er hatte Recht, was das anging. Ich wäre jederzeit in Gefahr. Doch war ich das jetzt nicht auch schon? Solange Roman und Riker da draußen waren und jetzt auch nach mir suchten, da ich die Schwachstelle war, würde sich das nicht ändern.
Wie würde mein Leben denn weiterhin aussehen?


„Chase."
Ich schaute ihn an, traute mich kaum zu sagen, was mir durch den Kopf ging.
„Wie stellst du dir unser Leben vor?"
Sichtlich verwirrt von der Frage, schien er kurz zu überlegen.
„Nun, ich denke, irgendwann werden wir gemeinsam eine Familie haben."
„Und was ist mit deiner Bionik?"
„Was soll damit sein?"
„Ich denke, du wirst immer so sein und immer dein Leben für andere riskieren. Während ich zuhause sitze und jeden Tag angst haben muss, dass der Vater unserer Kinder nicht mehr nach Hause kommt."
Stille.
Ich wartete geduldig auf eine Antwort, doch diese sollte ich wohl nie bekommen.
Hatte er dazu denn gar nichts zu sagen?
Wie er wollte, denn ich hatte das.
„Ich werde es tun."


Ein kurzer Blick, den er mir nach dieser Aussage zuwarf, sagte mir alles.
Er war nicht einverstanden und würde seine Meinung nicht ändern, egal was ich sagte.
Doch auch ich würde hier nicht nachgeben. Schließlich konnte ich immer noch selbst mein Leben bestimmen. Und das sah ich als eine Chance, dieses zum Besseren zu wenden.


„Vielleicht solltest du nochmal drüber schlafen", sagte er und stand auf.
„Überstürze nichts."
Mit diesen Worten ließ er mich alleine auf meiner Couch sitzen und schloss die Haustür hinter sich.


Sobald ich alleine war, fühlte ich mich fürchterlich.
Wir hatten nicht wirklich gestritten, doch es fühlte sich so an.
Was sollte ich jetzt nur tun?


Eine ganze Weile dachte ich nach und kam zum Entschluss, dass ich keine Ahnung hatte. Ich brauchte dringend jemanden zum Reden.
Bree wollte ich in diese Situation nicht mit reinziehen, schließlich war sie seine Schwester und somit nicht gerade unparteiisch.
Kaz wäre die nächste Möglichkeit, doch dieser ist ebenfalls nicht unparteiisch. Ganz im Gegenteil, ich hätte Angst, dass er Chase damit was auswischen will.
Es gab also nur zwei Möglichkeiten.
Nach kurzem Überlegen schnappte ich mein Handy und schrieb Oliver.
5 Minuten später strafen wir uns vor dem Daventower, um uns zu unterhalten.
Zu meiner Verwunderung wollte er gar nicht wissen weshalb, sondern nahm das ganze einfach an.


Als ich ankam, war er bereits da und wartete auf einer Parkbank zwischen Grünflächen.
Ich lächelte leicht, als ich mich zu ihm setzte. Dies erwiderte er.
Ich musste sagen, ich hatte selten etwas mit Oliver zu tun, denn meistens hing er an Skylar und ich an Chase.


„Also. Worüber wolltest du sprechen?", begann er und schaute mich fragend an.
„Nun..."
Ich faltete meine Hände in meinem Schoß, schaute in die Ferne und begann zu erzählen.
Ich sprach von der Chip Sache und wie Chase sich dagegen aussprach.
Dabei hörte er mir still zu.


Als ich fertig war, seufzte er.
„Ich weiß, du willst das nicht hören, aber ich denke, Chase hat Recht."
Nun war es an mir zu seufzen.
„Tut mir leid, aber dass ich nun mal das, was ich denke. Er hat einfach nur Angst um dich."
„Kann ich ja verstehen, aber das bringt uns nicht weiter."
Er nickte.
„Und du willst das wirklich machen?"
„Ja", sagte ich fest entschlossen.
Umso mehr ich mit anderen Personen darüber sprach, umso sicherer war ich mir. Ich wollte das.
„Ich werde Davenport morgen Bescheid geben."


„Nun, ich denke, diese Entscheidung musst du für dich ganz alleine treffen."
Ich nickte. Da hatte er wohl recht.


Kurz machte sich Stille breit, bis ich etwas fragte, was mich schon länger interessierte.
„Sag mal", begann ich vorsichtig. „Du und Skylar..."
Ich beendete den Satz nicht und ließ ihm Zeit zum Antworten. Doch ich bekam nur ein stummes Schulterzucken.
„Aber ihr hattet doch ein Date."
„Ja, das war auch gut. Dachte ich jedenfalls. Ich schätze, Skylar hat wirklich kein Interesse."
Ich schaute ihn an. Man konnte sein Herz beinahe brechen sehen.


Soweit ich mitbekommen hatte, rennt er Skylar schon Jahre hinterher, doch immer ohne Erfolg.
„Vielleicht wäre es besser, wenn du das hinter dir lassen würdest. Vielleicht wärst du dann glücklicher", sagte ich, schaute dabei vor mich auf das grüne Gras.
„Damit könntest du Recht haben. Aber wie soll das gehen, wenn sie ständig in der Nähe ist? Ich denke ständig an sie. An ihre schönen, weichen Haare, mit der pinken Strähne, oder ihre perfekten Knie..."
Als ich das hörte, zog ich augenblicklich eine Augenbraue nach oben.
Knie?
Und als hätte Oliver meine Gedanken gehört, zuckte er mit den Schultern und rechtfertigte sich.
„Was? Ich mag nun mal schöne Knie."
Okay, eigentlich sollte mich das nicht wundern. Er war merkwürdig. Genauso merkwürdig wie wir alle anderen auch. Und damit meine ich nicht all die Fähigkeiten.
Aber genau deswegen fühlte ich mich bei ihnen so wohl.


Noch eine ganze Weile hörte ich Oliver zu, wie er von Skylar schwärmte. Es war ganz angenehm, mal nicht über seine eigenen Probleme nachdenken zu müssen. Und wie es schien, tat auch ihm diese Konversation ziemlich gut.

Zwischen Bionic und SuperkräftenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt