26. Mira 'Zweifel und Freude'

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26. Mira ‚Zweifel und Freude‘

Miras Sicht

Erschöpft seufze ich auf. Die Geräusche des Waldes haben mich geweckt. Vorbei ist die Ruhe des Schlafes, der friedliche Moment ohne Schmerzen. Schwerfällig setze ich mich auf und lehne mich an den Baum direkt neben mir. Es ist erst früher Morgen, nur vereinzelt schaffen es ein paar Sonnenstrahlen durch die Bäume und das, obwohl sie nicht mehr blühen. Dann stimmt es also. Über den Tag blühen die Blumen, Bäume und Pflanzen in einem schnellen Tempo und des Nachts, da sterben sie wieder ab. Es ist ein ewiger Kreislauf. Leben und Tod. Ja, das kenne ich nur zu gut.

Ich schaue mich um, verliere mich im Anblick des blauen Grases und den Gesängen von Vögeln und Pakas, den Katzen mit ihren wundervollen Stimmen. Sie scheinen ein Lied zu singen, leise und beruhigend. Ja, von aussen scheint tatsächlich alles ruhig zu sein. Das leise Plätschern des Baches im Hintergrund, die regelmässigen Atemzüge meiner Freunde und Wegbegleiter, die allesamt noch schlafen. Ein Betrachter von aussen würde wohl selbst mich als ruhig bezeichnen, wie ich da sitze ohne mich zu bewegen, lediglich nachdenklich lausche und umherschaue. Scheinbar ruhig, entspannt. Doch dieser Schein trügt. In mir drin, da herrscht Chaos, wütet ein Sturm. Ich bin ergriffen von einer Flut an Gefühlen. Angst, Panik vor dem Tod. Schmerzen, Qualen aufgrund der Wunden. Sowohl die Hoffnungslosigkeit, als auch die minimale Zuversicht, die sich stetig bekämpfen. Ich weiss nicht was ich noch tun soll, was ich denke, was ich glauben kann. Ist der Tod nun Freund oder Feind? Wem kann ich noch vertrauen und wie lange habe ich noch Zeit? Fragen über Fragen und Antworten sind keine in Sicht. Tränen der Verzweiflung bahnen sich einen Weg über meine Wangen. Ich schmecke den Geschmack von Salz auf meinen Lippen. Mein Magen knurrt. Ich habe Hunger. Doch essen will ich nichts. Ich möchte meine Freunde nicht noch mehr belasten, nicht noch mehr im Wege stehen. Ja manchmal wünschte ich mir, sie würde mich einfach hierlassen, ohne mich weiterziehen. Es wäre für alle das Beste. Ob ich nun hier auf den Tod warte oder zwei Tage später ein bisschen dem Ziel näher, das kommt auch nicht mehr darauf an. Ich werde so oder so nie in Sasan ankommen, so lange überlebe ich nicht. Wieso machen wir uns überhaupt noch die Mühe? Wieso machen sie sich die Mühe?

Ich weiss wieso, sehe es ihnen an. Sie wollen es nicht wahrhaben, nicht verstehen. Sie ignorieren die Tatsachen und leben weiterhin in der Traumwelt, in der Hoffnung dass sie Wirklichkeit wird. Doch das wird sie nicht, das weiss ich. Aber sie sehen nicht, wollen es nicht. Sie ignorieren meine Verletzungen, ignorieren mich. Dabei wissen sie gar nicht, was sie mir antun. Es ist das Schlimmste für mich, zu sehen, dass sie meinetwegen trauern, alles versuchen, aber dennoch nicht für mich da sind. Sie wollen versuchen mich zu retten, meine Verletzungen zu heilen, doch MIR zu helfen, seelisch, das versuchen sie nicht. Das können sie nicht, oder vielleicht wollen sie es auch nicht. Wahrscheinlich bin ich ihnen sogar egal und sie versuchen lediglich zu verhindern dass jemand stirbt. Denn den Tod sehen sie als ihren Feind. Vielleicht ist er das auch, doch ich sehe ihn anders. Der Tod ist lediglich ein tiefer, ewiger Schlaf. Dunkelheit und Ruhe, ohne Schmerzen, keine Menschen, keine Gedanken. Nichts. Nicht einmal mehr ich selbst.

Total in Gedanken versunken bemerke ich gar nicht, wie Emily erwacht und so erschrecke ich mich zutiefst, als sie plötzlich neben mir steht.

„Wie geht es dir?“

Es dauert eine Weile bis ich verstehe, was sie mich gerade gefragt hat. Dann überlege ich. Ja, wie geht es mir eigentlich? Wie wäre es mit mies? Krank, halb Tod, erschöpft. Wie soll ich ihr sagen, dass die brennenden und komisch stechenden Schmerzen in meinem Bein immer unerträglicher werden, dass es sich manchmal anfühlt, als würde dort ein Feuer lodern? Wie würde sie reagieren, wenn sie wüsste, dass es mich nur schon schmerzt, wenn ich sitze und dass es nicht einmal beim liegen besser ist? Was würde sie dazu sagen, dass ich am liebsten nur noch schlafen würde und mich der Gedanke an den Tod von Tag zu Tag weniger graust, dass ich ihn sehnlichst erwarte? Ich denke, sie wäre geschockt. Das erwartet sie bestimmt nicht. Ich bin nicht die, die schnell aufgibt, ich bin lediglich realistisch. Klar, wäre es mir lieber, noch zehn Jahre leben zu können, vielleicht eine Familie zu gründen und das Leben zu geniessen. Aber nicht so, nicht mit diesen Schmerzen. Das würde ich nicht aushalten. Selbst wenn mich die Verletzung nicht umbringt und ich in Sasan ankomme, niemand wird mich heilen können, nichts kann mir helfen. Und weiterhin mit diesen Qualen zu leben… Vorher würde ich es noch selbst beenden!

Feenland- Die Heimreise der verbannten Fee *Wird überarbeitet*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt