Tyler und ich waren schon immer unzertrennlich gewesen. Er war nicht nur mein Bruder, sondern auch mein bester Freund.
Als wir noch klein waren – vor alledem – da wohnten wir in einem Neubaugebiet eines kleinen Vorortes. Ich konnte mich daran erinnern, dass ich eine der Jüngsten aus der Nachbarschaft war und die Jungs mich öfter mal ärgerten.Damals war ich noch zu klein und ängstlich, um mich zu wehren. Als sie eines Tages im Winter mit Schneebällen nach mir warfen, musste ich danach ins Krankenhaus. In einem der Bälle war ein Stein gewesen, der mir die Nase brach.
Tyler sah was passierte und schlug dem Jungen kurzerhand mit der Faust auf die Nase. Ja... So war Tyler schon immer gewesen – impulsiv. Doch es war auch das, was er schon immer getan hatte. Mich beschützt.
Ich musste eine Nacht im Krankenhaus verbringen. Tyler wich mir nicht eine Sekunde von der Seite, weil er wusste, dass ich Angst hatte.
Heute hatte ich keine Angst mehr in einem Krankenhaus zu sein. Trotzdem war es mir ein kleiner Trost daran zu denken, wie er mich in der Nacht im Arm gehalten hatte.
Denn genau dort war ich, sobald ich wieder aufwachte – in einem Krankenhauszimmer. Meine Hände waren an dem Bettgestell befestigt und mein Hinterkopf schmerzte. Dicke Stahlstreben waren hinter dem Fenster befestigt und die einzige Tür im Zimmer schien ebenfalls aus massiven Stahl zu bestehen. Selbst wenn ich mich von diesen Fesseln lösen könnte, würde ich wahrscheinlich keinen Weg hier raus finden. Außer diesen Sachen und einem kleinen Schrank neben dem Bett war nichts zu sehen – hinter den Gittern konnte ich den Himmel erkennen.
Das Blau war so klar und rein, dass es mich unweigerlich an Mason erinnerte. Die Träne, die vor ein paar Minuten meinen Augenwinkel verlassen hatte, wischte ich mit meiner Schulter weg.Er war nicht tot. Ich weigerte mich, es mir einzugestehen.Und Aiden... er war so ruhig und zuversichtlich gewesen kurz bevor sie ihn niedergeschossen hatten. So schaute niemand, der gleich seinen Tod erwartete. Oder?
Ich konnte nicht auf die Uhr an meinem Handgelenk schauen und verlor somit mein Zeitgefühl. Es hätten Minuten oder Stunden sein können, als ich auf der anderen Seite der Tür feste Schritte hörte.
Die Metalltür öffnete sich mit einem lauten Quietschen und gleich darauf kamen zwei Männer mit der schwarzen Uniform eines Brinters hinein. Ihre Schultern waren breit, sodass ich die kleine Frau hinter ihnen fast übersehen hätte. Was angesichts ihrer feuerroten Locken eigentlich unmöglich erschien. Ihr zarter Körper verschwand unter einem langem, weißem Kittel.
Die beiden Männer traten jeweils an meine Seite – der rechts von mir mit einem stahlharten Blick, anders als sein Kollege. Seine Augen glitzerten freundlich und auf seinen schmalen Lippen lag ein schiefes Lächeln. Auch das Maschinengewehr, welches er bei sich trug, lehnte locker an seinem Bein, während das von dem anderen ordentlich gegen seine Schulter stützte.
Blinzelnd verscheuchte ich das Bild meiner Mutter. Ein Mann in genau so einer Uniform hatte sie damals festgehalten. Vielleicht lag es nur daran doch... war ich ihm schon einmal begegnet? Vielleicht war er dabei gewesen, als mich seine Art fast gefunden hatte.
„Guten Tag", riss mich die Frau aus den Gedanken. „Ich bin Emma Stone – Ihre zuständige Beraterin und Ärztin." Sie blickte auf ihr Klemmbrett und schob mit einem Finger ihre Brille zurück auf die Nase. Sie sah älter aus als Aiden und Dean. „Ich werde Ihnen zum Anfang ein paar Fragen stellen, wenn das in Ordnung ist."
„Nein", antwortete ich hart. Verwundert hob sich ihr Blick, während Mister Freundlich neben mir anfing zu lachen. Doch mir war nicht nach lachen zu mute.
„Okay, dann werde ich reden." Sie lächelte schwach und blickte kurz zu dem Mann. Doch ihre ungeteilte Aufmerksamkeit galt sogleich wieder mir. „Sie sind hier im Zentrum für Mutationen. Unsere Agentur wurde durch eine Zeugin auf Sie aufmerksam gemacht und wir haben Sie wie alle anderen Menschen aufgenommen."
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Long Way
FantasyNeuauflage von 'Andere Welten - Nichts wie es einmal war' In einer Welt, in der es keine Normalität gibt, ist nichts außergewöhnlich. Das glaubt zumindest Melanie. Durch Verlust und Einsamkeit geprägt versucht sie mit allen Mitteln nicht in die Fäng...