„Dunkelheit kann das Licht einhüllen, aber nicht auslöschen."
Was wollte mein Unterbewusstsein mir damit sagen? Eine Warnung? Nur eine Erinnerung? Eine Zukunftsvision? Oder doch nur ein Hirngespinst, ausgelöst durch die schlaflosen Nächte?
Mit nichts als einem dünnen Nachthemd am Leib schlüpfte ich auf den Flur. Es herrschte tiefe Nacht, der Tagesanbruch war noch einige Stunden entfernt. Trotzdem konnte ich nicht mehr schlafen. Mehr als zwei Stunden Ruhe war mir nicht vergönnt. Nicht wegen den Zwillingen, die schliefen wie zwei Engel und Thomas war ein fürsorglicher Vater. Die Nachtmahren, die mich jede Nacht heimsuchten, hielten mich wach.
Auf meine Zukunftsvisionen war nur selten Verlass, doch in diesem Fall schickte mein Unterbewusstsein mir eine unmissverständliche Warnung. Wenn ich das Unheil abwenden wollte, blieb mir nicht mehr viel Zeit. Die Schatten breiteten bereits ihre mächtigen Schwingen über die neun Welten aus. Sollte mein Licht nicht stark genug sein, drohte die endgültige Apokalypse. Der letzte Kampf vor drei Jahren war nichts im Vergleich zu dem, was mir bevorstand, sollte ich mich entscheiden, diesen Weg zu nehmen. Doch wenn ich das tat, verriet ich all die Personen, zu denen ich neues Vertrauen gefasst hatte. War ein Vertrauen erst einmal zerstört, war es beinahe unmöglich, es zurückzugewinnen. Da sprach ich aus Erfahrung.
Leichtbekleidet und barfuß schlich ich zum Zimmer der Person, der ich im Moment am meisten vertraute. Unsere Reise durch den schlimmsten Teil meiner Vergangenheit hatte uns noch enger zusammengebracht. Noch enger als zu Zane, Seto und Thomas. Diese Bindung war so neu, so unglaublich wertvoll und so zart besaitet, dass ich befürchten musste, dass sie bei der kleinsten Belastung riss. Unsere Reise hatte mir jedoch gezeigt, dass dieses Band unerwartet belastbar war.
Nahezu lautlos schloss ich die Zimmertür und lehnte mich dagegen. Zweifel stiegen in mir hoch. Vermutlich sollte ich nicht hier sein. So nahe standen wir uns dann doch nicht, und dann war da noch die Sache mit seinen Berührungsängsten.
Bevor ich meine Entscheidung überdenken und aus dem Zimmer fliehen konnte, erklang eine verschlafende Stimme aus dem hinteren Bereich. Ein Schatten richtete sich in dem großen Bett auf.
„Amara?"
„Entschuldige. Habe ich dich geweckt?"
„Was ist los? Kannst du nicht schlafen?"
„Nein." Betreten starrte ich auf meine nackten Füße. „Alpträume."
Ein Seufzer erklang. Das Rascheln von Stoff. „Nun komm schon her."
Ich flog durch den Raum. Sekunden später lag ich unter der warmen Decke und wurde von seinen starken Arme umfangen. Selig seufzend schloss ich die Augen und schmiegte mich an seine warme Brust.
„Erzähl mir von deinen Alpträumen."
Ich tat es und ließ dabei kein Detail aus. Warum ich mich gerade ihm öffnete, verstand ich nicht, doch ich redete und redete, und vergoss die eine oder andere Träne, als die Furcht mich wieder packte.
Die ganze Zeit hielt Kyoji mich im Arm. Schweigend hörte er zu, unterbrach mich nicht und stellte keine Fragen. Als ich zum Ende kam, drückte er mich nur an sich.
„Du vertraust ihnen immer noch nicht."
Es sollte kein Vorwurf sein, aber es klang danach. Zum Teufel, damit hatte er auch jedes Recht.„Sieht ganz danach aus.", murmelte ich. Da waren wir wieder bei dem Thema Vertrauen. Damit hatte ich nach wie vor Probleme. Obwohl meine Jahre als Straßenkind vorbei waren, obwohl Marik mir ein Zuhause gab und ich endlich meinen Platz im Leben gefunden hatte, obwohl ich endlich eine Familie besaß, Menschen kannte, die sich meine Freunde nannten, konnte ich ihnen nicht das Vertrauen entgegenbringen, dass sie verdienten. Das war immer noch meine größte Schwäche. Bei all meinen Stärken und Kräften, war dies meine Achillesferse. Ich war mir selbst mein größter Feind.
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Die Drachenstern Saga - Part 2 - Drachenkind und Drachenkrieger
FanfictionDer Tod war kein Abschied für immer. Er war nur ein Zwischenstopp auf einer weiteren Reise. Manchmal war er auch der Beginn zu etwas Neuem. Wenn eine Liebe endete, konnte eine Neuen gedeihen. Doch was, wenn das Herz nicht loslassen konnte? Wenn die...