28 - Kekse und Küsse

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Als Richard erwachte, saß Samantha in einem Sessel am Fenster und nähte. Den Vorhang hatte sie gerade so weit aufgezogen, dass sie genug Tageslicht für ihre Tätigkeit hatte und Richards Schlaf durch die Helligkeit dennoch nicht gestört wurde.

Er beobachtete sie eine Weile, aber sie war zu konzentriert auf ihre Arbeit, um es gleich zu bemerken. Als er sich irgendwann regte, sah sie sofort auf, legte das Nähzeug zur Seite und kam lächelnd zu ihm. Er setzte sich mit einem rauen Stöhnen auf.

„Siehst du, ich weiche dir nicht von der Seite, Richard." Trotz ihres sanften Lächelns schwang eine leichte Spitze in ihrer Stimme mit. Sie nahm ihm noch ein wenig übel, dass er angenommen hatte, sie könne auch nur in Erwägung ziehen, ihn im Stich zu lassen. „Wie fühlst du dich?"

„Viel besser. Erholter. Wie lange habe ich geschlafen?"

Samantha befühlte seine Stirn und stellte fest, dass sie sich etwas weniger warm anfühlte. Kein Vergleich jedenfalls zu dem Fieber, das nach seiner Verwundung bei Waterloo in ihm getobt hatte. „Du hast mehrere Stunden geschlafen. Ben hat in der Zwischenzeit die Medikamente besorgt. Er ist überzeugt, dass es dir schnell besser gehen wird, wenn du sie wie angeordnet einnimmst."

"Ich schätze, dafür wirst du schon sorgen", bemerkte Richard. "Was ist das?" Er nickte in Richtung des Wohnzimmertisches, auf dem Wasser und ein Karton Saft standen, eine Flasche Cola und eine aufgerissene Schachtel Schokoladenkekse.

„Zu Trinken und Kekse, für den Fall, dass du Hunger hast. Ben meinte, dass es nicht schaden kann, wenn du etwas Zucker zu dir nimmst."

Richard furchte die Stirn. Dann griff er nach einem Glas und einer Karaffe voll Wasser, weil es ihm das am wenigsten Ungewohnte zu sein schien. Samantha sah, dass seine Hand leicht zitterte und nahm ihm beides ab und schenkte ihm ein. Er nahm es und trank in tiefen Zügen.

„Ich bin nur noch ein bisschen schlapp. Vom langen Liegen." Seine Stimme klang fast mürrisch und er wich Samanthas besorgtem Blick aus, als er das leere Glas auf den Tisch zurückstellte und es leise klirrte. Er zog schnell die Hand zurück.

„Hast du Hunger? Die Kekse sind wirklich gut. Probier mal." Auffordernd schob sie ihm die Schachtel näher.

Richard hatte keinen Hunger, obwohl er vermutlich welchen haben sollten. Dennoch reichte Samanthas besorgter Blick aus, um ihn nach einem der Kekse greifen zu lassen. Misstrauisch biss er hinein und kaute anschließend bedächtig auf dem viel zu süßen und doch leicht herben Gebäck herum, schluckte und nahm sich den nächsten. Er aß noch zwei oder drei Kekse und spürte, dass das süße Zeug anscheinend dabei half, das wattige Gefühl in seinem Kopf zu vertreiben. Als er er erneut nach dem Wasserglas, das Samantha ihm gefüllt hatte, griff, zitterte die Hand kaum noch.

„Möchtest du etwas richtiges essen? Lucy hat vorgeschlagen, eine Suppe zu machen, falls dir danach ist."

Langsam meldete sich sein Appetit zurück, aber richtigen Hunger wollte sich noch nicht einstellen. Stattdessen griff er erneut nach einem Keks. „Sie soll sich bitte keine Umstände machen. Für den Augenblick reichen mir die Kekse vollkommen und später werde ich alles essen, solange es kein Haferschleim ist."

Samantha musste lachen. „Keine Sorge. Hettas Allheilmittel haben wir gerade nicht da."

„Nichts könnte ich mehr bedauern als das", murmelte er und brachte Samantha zum Lachen.

Er mochte es, wenn sie lachte, weil dann endlich der besorgte Ausdruck, dessen sie sich selbst gar nicht bewusst war, aus ihrem Gesicht wich.

„Woran nähst du?"

„Lady Velton rief an, und fragte, ob ich ihr an ihrem Ballkleid für übermorgen ein paar Knöpfe versetzen könnte. Sie hat etwas zugenommen. Ich nähte es ihr vor ein paar Jahren. Also bin ich, während du schliefst, zum Manor spaziert und holte das Kleid. Außer den Knöpfen ist noch ein Riss im Saum und ein paar der Perlen am Ausschnitt sind abgerissen. Ich mache das schnell und bringe das Kleid dann wieder hoch."

Die Schatten von FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt