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„Lass gut sein. Ich bezahle". „Danke!" Wir standen auf und verließen die Bar. Draußen stand der Mond schon hoch am Himmel. Der Herbst war im Anmarsch. Ein böiger Wind pfiff uns um die Nase und ich drückte meine Jacke enger an mich heran. Wir liefen durch die inzwischen fast leeren Straßen Kiels. Ich genoss die Stille für den einen Moment. Schon morgen würde es hier wieder nur so von Touristen wimmeln. Laute, nervige, überforderte, erstaunte, verrückte und planlose - hier war alles vertreten.

Wir liefen die letzten Meter bis zum Auto, stiegen ein, doch auch hier war die Kälte eingedrungen. Ich fröstelte. „Ich habe morgen übrigens ein Date!", erzählte ich schließlich. „Du sagst mir erst jetzt was davon?". „Er hat grade eben erst geantwortet", stellte ich klar. „Jaja". „Ist so!", lachte ich, „Willst du einen Beweis?". „Ich glaube dir ja schon", lachte mein Gegenüber und bog in unsere Straße ein. Direkt vor dem Haus war eine Parklücke. Manchmal gehörte auch etwas Glück dazu. Durchfroren stieg ich aus dem Wagen und wir liefen die letzten Meter bis zu unserer Wohnung. Ich kramte den Schlüssel aus meiner Tasche und schloss auf. „War ein schöner Abend, danke dir!" „Ich habe zu danken", lächelte ich und gab ihm eine letzte Umarmung. Dann bog er in sein Zimmer ab und ich in meines. Ach, so ein WG-Leben hatte schon was!

Am nächsten Morgen musste ich früh aufstehen und zur Arbeit. Ich kam schon gestresst im Studio an. Ich war Fotografin und hatte meinen eigenen Laden, den ich vor einem Jahr mit meiner besten Freundin gemeinsam eröffnet hatte. Marie war bereits dort und arbeitete Mails ab. Mitleidig schaute sie mich an: „Alles gut?" „Frag besser nicht", seufzte ich und legte meine Jacke und meinen Rucksack ab. „Um zehn Uhr haben wir das Hochzeitsshooting. Ich muss von gestern noch Bilder bearbeiten, könntest du das übernehmen?" „Klar!" Ich ging ins Nebenzimmer und packte alles zusammen, was ich später fürs Shooting benötigen würde.

Nach einem erfolgreichen Tag kam ich spätnachmittags zurück nach Hause. Ich war alleine. Da ich Hunger hatte, belegte ich mir schnell einen Toast. Bis zu meinem Date hatte ich noch knappe zwei Stunden Zeit. Das sollte reichen. Wir hatten uns an der Kieler Förde verabredet und wollten etwas essen gehen. Ein etwas mulmiges Gefühl beschlich mich, denn ich wusste so gut wie nichts über diesen Typen. Weder sein Alter, noch seinen Beruf, noch was er in seiner Freizeit machte. Es waren seine Charaktereigenschaften, die mich neugierig gemacht hatten: Offen, spontan, abenteuerlustig. Selbst sein Bild sagte nicht viel über ihn aus. Man konnte quasi von einem Blind Date sprechen. Aus diesem Grund schickte ich Marie für alle Fälle auch meinen Standort... man konnte ja nie wissen. Da ich aber selbst nicht der verklemmte Typ Mensch war, hatte ich diesem Date auch zugestimmt. Einzige Voraussetzung meinerseits war, dass wir uns an einem öffentlichen Ort trafen.

Über meine schwarze Strumpfhose zog ich ein dunkles Kleid und schwarze Stiefel. Ich schnappte mir meine Lederjacke von der Garderobe und legte meine Handtasche über die Schultern. Gerade als ich die Tür öffnen wollte, kam mein Mitbewohner nach Hause. „Schick! Viel Spaß!" „Danke", lächelte ich und ging hinaus.

Pünktlich stand ich am vereinbarten Treffpunkt und schaute mich um. Nach wem hielt ich überhaupt Ausschau?

Als nach zehn Minuten noch immer keiner kam, wurde ich etwas nervös. Existierte dieser Typ überhaupt? War ich am falschen Ort? Hatte ich mich in der Uhrzeit vertan?

Weitere zehn Minuten vergingen. Nichts passierte. Doch dann: „Vanessa?" Seine Aussprache war anders. Nicht Deutsch. Ich lächelte: „Elias?" Mein Gegenüber nickte und lächelte dann ebenfalls. In meinem Kopf ratterte es. Dieser Elias... ich kannte ihn... nein, das durfte doch jetzt wohl nicht wahr sein. Nein, das war nicht möglich.

„Wollen wir ein bisschen am Wasser noch spazieren?", fragte er schüchtern. Warte... schüchtern? Das passte nicht zu seiner Beschreibung. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und stimmte schließlich zu. „Woher kommst du?", fragte ich so neutral wie möglich. „Wohne direkt hier in Kiel, bin aber erst vor ein paar Monaten hergezogen", meinte er.

Sweet LiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt