„Ich werde dich vermissen Große.", flüsterte mein Vater, während er mir über die Haare
strich. Statt ihm zu antworten, drückte ich ihn noch einmal etwas fester. Ich wusst schließlich, wie schwer es ihm fiel, mich jedes Jahr aufs Neue gehen zu lassen. Wenigstens hatte er jetzt Mae. Sie wirkte ... nett. Auch wenn mir jetzt schon vor dem Moment graute, in welchem sie herausfand, dass es sich bei der Tochter ihres neuen Freunds um eine Hexe handelte. Denn wer hätte das schon von einem gutmütigen Geschichtslehrer, mit schiefer Brille und schlabberigen Second-Hand Klamotten erwartert, dass eine Tochter mit magischen Fähigkeiten heranzog?„Ich schreibe dir Briefe.", versprach ich ihm, in seinen Pullover hineinnuschelnd. „Na das will ich doch schwer hoffen. Sonst muss ich dir leider mit ernsten Konsequenzen drohen!". Ich rollte mit den Augen. Ernsthafte Konsequenzen und mein Dad passten in etwa so gut zusammen, wie Bertie Botts Bohnen mit Seifengeschmack und ein Krug Butterbier. Trotzdem nickte ich, als würde ich ihn absolut ernstnehmen. "Verstanden Sir!", versicherte ich ihm. "Na dann. Pass auf dich auf. Keine Spaziergänge im Verbotenen Wald. Oder Umgang mit irgendwelchen gemeingefährlichen Tierwesen. Und fall bloß nicht wieder vom Besen!". "Das war nicht meine Schuld! Du weißt genau, dass das nie passiert wäre, wenn diese blöden Slytherins einmal fair spielen würden!". Mein Vater seufzte. Kein Wunder. Wir hatten das Thema hier nicht zum ersten Mal. "Ich weiß, ich weiß. Einfach keine Knochenbrüche, alles klar?". Ich zuckte mit den Schultern. Ich war die Jägerin im Quidditch-Team. So gern ich ihn hatte, wirklich etwas versprechen konnte ich ihn nicht. „Willst du nicht noch mit auf das Gleis kommen?", fragte ich meinen Vater deshalb ausweichend. Doch er winkte nur lachend ab. „Erinnerst du dich noch an letztes Jahr? Nein danke." „Du hättest einfach daran glauben müssen, dann kommst du auch durch die Barriere. Komm schon, zweimal wird dir dass schon nicht passieren!". Aber mein Vater schüttelte nur müde den Kopf und drückte mir entschieden den Griff meines Gepäck-Trolleys in die Hand. Ruby, meine Eule, die in ihrem Käfig ganz oben auf ihm drohnte schnatterte angesichts der plötzlichen Bewegung wütend vor sich hin. Weder Gepäcktrolleys, noch Käfige waren wirklich ihr Ding. Aber wer konnte ihr das schon verübeln. Wäre ich eine Eule, würde ich auch lieber durch die Nacht fliegen, als mich an einem Sonntagmorgen an einem Bahnhof aufzuhalten. "Das verschieben wir lieber aufs nächste Jahr. Mach's gut Kassandra. Mach mich stolz!". Ich nickte zustimmend und drückte ihn noch ein letztes Mal, bevor ich Anlauf nahm, und die Backsteinwand vor mir anvisierte. Um mich herum hörte ich einige Muggel entsetzt aufkeuchen. Ich hatte keine Ahnung, was sie gleich denken würden, wenn ich einfach verschwand. Vermutlich, dass sie sich mich einfach eingebildet hatten.
Als ich auf der anderen Seite der eben noch so solide wirkenden Backsteine auftauchte wurde ich von einer alten Dampflokomotive und einer riesigen Menge von Menschen in Umhängen begrüßt. Noch immer hatte ich eine ziemliche Geschwindigkeit drauf und versuchte deshalb etwas panisch abzubremsen. „Vorsicht!", brüllte ich, als ich auch schon in eine Menschenansammlung raste. Einige Leute hechteten zur Seite, andere schimpften lauthals und landeten auf dem Boden. Schließlich schaffte ich es aber meinen Gepäckwagen schlitternd zum Stehen zu bringen. Ich versuchte mich mit einem entschuldigenden Lächeln aus der Affäre zu ziehen, erntete aber nur eingeschnappte Blicke. Auch Ruby war von unserem kleinen Rennen nicht gerade begeistert. Entsetzt plusterte sie sich auf und steckte ihren Schnabel unter einen ihrer Flügel. „Bin ich so peinlich?", fragte ich sie, aber sie antwortete mir nicht. Wie auch, sie war schließlich eine Eule.
„Reife Leistung Smith!", hörte ich eine belustigte Stimme. „Ja, Leute auf dem Gewissen zu haben, bevor wir überhaupt in Hogwarts sind verdient schon ein Ehrenorden.", erwähnte eine andere, die aber der ersten erstaunlich ähnelte. „Jaroh und Jonah", stellte ich fest, als ich den Blick von meinem Vogel löste. „Immer zu Stelle, wenn's lustig wird.", erwiderte Jonah. Oder war es Jaroh? Man konnte sich da nie ganz sicher sein. „Wie schafft es euch eure Mutter bloß euch auseinander zu halten?", brummte ich. Mal ehrlich, die beiden ähnelten sich bis auf zur letzten Sommersprosse auf der Nase. „Kann man dir mit deinem Gepäck helfen?", überging Jonah meine Frage, während Jaroh nur die Augen verdrehte: „Sie verwechselt uns ständig, Laro und Lorgan kann sie ja auch nicht auseinanderhalten." „Selbst Enya und Eiden verwechselt sie hin und wieder. Nur Draemona erkennt sie immer.", schloss Jonah, der seinen Blick immer noch auf meinen Koffer geheftet hatte. Wenn er mal nichts plante... Die Weasley Zwillinge waren an der ganzen Schule für ihre Streiche berühmt. Es schien so, als würden sie ihrem Vater nacheifern. Fred Weasley war in der Schlacht um Hogwarts umgekommen, doch er hatte seine schwangere Freundin zurückgelassen, welche durch einige missglückte Zaubersprüche dafür gesorgt hatten, dass Jaroh und Jonah doppelt so lange wie normal im Kleinkindstadium blieben. Inzwischen Zeit waren sie aber dennoch zu jungen Männern geworden, die den Lehrern so einiges an
Kopfzerbrechen bereiteten und den siebten Jahrgang Gryffindors regelmäßig auf den Kopf stellten. Ich schnappte Jaroh den Koffer vor der Nase weg, der beinahe enttäuscht seufzte. „Sieht aus als kämen wir hier nicht weiter...", mit diesen Worten drehte er sich um und lief, unschuldig pfeifend, in Richtung einer ahnungslosen Hufflepuff. Jonah zwinkerte mir noch einmal zu, dann folgte er seinem Bruder. Ich schüttelte nur den Kopf.