Teil 4

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POV Paula Martinson:

Mit einem unguten Bauchgefühl ließ ich das Mädchen im Wartebereich Platz nehmen. Irgendwas stimmt nicht, aber ich kam nicht drauf was? Sie schien nicht verletzt, und weigerte sich zuzugeben, falls es so wäre, das sie mehr als nur die Schürfwunde hätte, aber es war auch nichts weiter zu erkennen. Ich würde sie ja nochmal sehen, falls sie es sich anders überlegen würde und sich helfen lassen würde. Aber ich kann sie nicht zwingen, bzw. ich will es nicht, sie ist so schon total nervlich am Ende, und wenn ich noch mehr Druck ausübe, könnte es zu viel werden. Verena hatte mich vorhin auch schon zur Seite genommen, da sie wollte, dass ich ein Auge auf sie habe. Und sie hatte nicht unrecht. Das Kind war völlig durch mit den Nerven, sei es nur wegen des Unfalls. Was ich vermute, immerhin gibt es jetzt aktuell nicht anderes, weshalb sie so fertig sein könnte. Natürlich Privates, Stress und andere Umstände, wie Tagesform sind auch zu beachten, aber ich meinte das jetzt mal allgemein.
Ich ging zu dem nächsten Patienten, ein Mann mit Lebensmittelvergiftung nach romantischem Dinner mit seiner Verlobten. Ärgerlich für den Armen.
P: „Guten Abend, Paula Martinson mein Name..."
Ich schickte ihn auf die Station zur Überwachung und ging zum nächsten Patienten. Eine ältere Frau, war auf dem Weg in das Badezimmer umgeknickt und hatte sich den Fuß verknackst.
P: „Guten Abend, Paula Martinson mein Name..."
Ich schickte sie mit einem Kühlpack nach Hause in die Obhut ihrer Tochter.
Der nächste Patient, Überdosis und bereits zu spät eingeliefert. Ich unterschrieb den Totenschein. Er war schon im RTW von uns gegangen. Sowas fand ich immer am tragischsten. Was bringt einen Menschen zu dem Punkt, wo er die Kontrolle verliert und ihm alles egal wird. Psychische Krankheiten und Belastungssituationen, das war mir bewusst, aber ich fand es so traurig, das die Menschen sich nie trauen Hilfe zu suchen oder Menschen in ihrem Leben haben, denen sie wichtig sind. Ich nahm mir eine Schweigeminute.
Eine ältere Dame, gestürzt in der Badewanne, meine nächste Patientin.
P: „Guten Abend, Paula Martinson mein Name..."
Sie hatte eine gebrochene Hüfte und ich überwies sie in die Orthopädie zu den Kollegen.
Endlich kam die NA zur Ruhe, es war inzwischen Mitternacht. Ich begab mich vor an die Anmeldung.
P: „Gibt es noch neue Patienten?"
Die Schwester schüttelte den Kopf und ich lächelte erleichtert. Das waren viele Patienten in kurzer Zeit. Ich drehte mich um und schaute auf das Mädchen, sie hatte ihr Handy in der Hand und starrte, fast schon am Schlafen nur mit offenen Augen, auf den Boden.
[G=Gisella, die Schwester am Empfang, L=Schwester Linda Bähr]
G: „Sie schaut schon die ganze Zeit so..."
Ich nickte nachdenklich.
P: „Hast du Emmas Eltern erreicht?"
G: „Vor wenigen Minuten, sie kommen."
P: „Gut, sie sollte auch gleich kommen..."
Und als hätte ich es vorhersagen können, ging in dem Moment die Tür auf und sie wurde aus der Röntgenabteilung zurück geschoben. Für einen Moment rutschte mein Herz mir in die Hose. Die Kleine saß in einem Rollstuhl! Ohne Halskrause! Ohne Wirbelsäulenstabilisation!
P: „Was ist...?"
Fragte ich die Schwester verwirrt.
L: „Ich weiß, ich war auch schockiert. Aber sie hat anscheinend einen guten Schutzengel gehabt. Es ist nur eine gerade Handgelenksfraktur und eine Gehirnerschütterung, sowie eine Prellung der Hüfte, laut dem Radiologen. Keine Knöchernen oder organischen Verletzungen sonst."
Ich atmete erleichtert aus und auch Emma lächelte zufrieden.
P: „Lasst uns dennoch nochmal in den Schockraum um die Wunden zu säubern und zu verbinden und dann warten wir auf deine Eltern."
Sie nickte.
P: „Kommst du mit?"
Fragte ich Maya.
E: „Maya!"
Sie schaute erschrocken auf.
E: „Maya, mir geht es gut! Es ist nichts ernstes, alles gut."
M: „Omg!"
Die Süße Maus fiel ihrer Freundin um den Hals.
M: „Ich hatte so Angst!"
E: „Ich auch!"
Wir gingen alle gesammelt in den Schockraum und widmeten uns der Wundreinigung.
P: „Ne, aber sowas macht ihr nicht wieder, verstanden?"
Meinte ich etwas streng zu Emma.
P: „Das hätte ganz anders enden können, es war lebensmüde da bei Dunkelheit runterzuklettern. Auf gut Glück blind. Du musst mir versprechen, dass du das nicht wieder tust."
Redete ich eindringlich auf Emma ein, welche einen ordentlichen Schock heute bekommen hatte, aber es nicht so ernst zu nehmen schien und generell weniger beeindruckt von all dem war, obwohl sie die Verletzte war. Das bringt uns zurück zu den verschiedenen Menschen. Während für Emma eine solche Belehrung wichtig war, um sie von sowas abzuhalten, hätte Maya so eine Belehrung in Tränen ausbrechen lassen und absolut ans Ende ihrer mentalen Kapazität gebracht.
Emma nickte widerwillig, während Maya wieder auf dem Hocker saß und vor sich her starrte.
E: „Hat Maya sich verletzt?"
P: „Ihr geht es bis auf die Schürfwunde am Arm gut. Warum?"
E: „Nur so."
P: „Ist sie öfters so abwesend?"
Fragte ich beiläufig. Ich hatte einpasst Fortbildungen in Psychologie und das ähnelte schon fast dissoziativen Zuständen.
E: „Naja..."
Sie wollte gerade was sagen, da öffnete sich die Tür und zwei Erwachsene stürmten besorgt rein.
[FM/HM= Frau/Herr Müller]
FM: „Schätzchen, was ist passiert?"
Ich vermutete, dass sie ihre Eltern sind und ging ein Stück zur Seite. Es kam wieder Trubel in die eben endlich mal sich beruhigte Situation.
HM: „Was sind das für Verletzungen?!"
Da schaltete ich mich mal in das eben entstandene Chaos ein.
P: „Dr Martinson mein Name, ich bin die behandelnde Ärztin ihrer Tochter."
Sie schauten mich alle drei nun an und verstummten endlich. Ich fand es gut, wenn Familie kam und vor allem bei Kindern und Jugendlichen durchaus ein gesetzliches Muss. Jedoch brachte dies immer Unruhe in den Raum, und manchen Patienten geht es tatsächlich sogar schlechter auf einmal. Dies ist auf die psychologische Komponente rückzuführen.
HM: „Hast du Schmerzen?"
Sie schüttelte den Kopf.
HM: „Was sind das überhaupt alles für Verletzungen?"
Er schaute sie besorgt an und die Mutter umarmte sie.
P: „Da kann ich ihnen mehr dazu sagen, als ihre Tochter. Also sie hat nach einem Sturz aus der Höhe, ihr Handgelenk gebrochen, wie man an dem Gips sieht, dann hat sie eine Gehirnerschütterung und eine Prellung der Hüfte. Sonst sind es nur ein paar heftige oberflächliche Wunden, aber keine Blutungen oder weitere Frakturen. Auf Grund der Höhe des Sturzes und der Gehirnerschütterung, würde ich sie schon auf jeden Fall für mindestens 2 Tage hierbehalten."
HM: „Selbst wenn es ihr gut geht?"
P: „Klar ne, sie müssen bedenken, dass sie noch unter Schock steht und die Schmerzen vermutlich noch nicht so wahrnimmt, dann ist eine Gehirnerschütterung immer ernst zu nehmen und wir würden einfach gerne die Genesung überwachen. In zwei Tagen können wir dann nochmal reden."
HM: „Achso, dann ganz klar wie sie sagen, Frau Doktor.
FM: „Mein armer, süßer Schatz... Was ist überhaupt passiert? Wie kam es dazu, dass sie so verletzt ist?"
P: „Willst du erzählen, oder soll ich?"
Ich tippte Emma auf die Schulter.
E: „Sie..."
Murmelte sie etwas beschämt.
P: „Ihre Tochter, Emma, war auf eine Mauer bzw. ein Gerüst im Park geklettert mit ihrer Freundin,..."
Ich nickte in Richtung Maya, als die Eltern verwirrt schauten. Diese drehten sich natürlich sofort um. Bis dahin war die Kleine unbemerkt geblieben. Als sie bemerkte, dass alle sie anschauten, schien sie um 10cm zu schrumpfen.
P: „Als sie dann wieder hinunterklettern wollten, hat Emma etwa 5m über dem Boden den Haltverloren und in der Dunkelheit ins leere gegriffen und ist abgestürzt. Dabei hat sie ein Busch aufgefangen und den harten Aufprall verhindert und somit vermutlich, naja, ihr Leben gerettet."
Letzteres ging als Appelle, wie gefährlich es war, mehr an Emma, als an ihre Eltern.
HM: „Wir hatten die doch ausdrücklich gesagt, dass du mit Maya nicht mehr unterwegs sein sollst!"
Ärgerte sich der Vater, jedoch überwog seine Sorge und Liebe zu der Tochter. Ich verstand nicht ganz, weshalb er den Umgang verbat.
E: „Papi, nicht jetzt!"
Unterbrach sie seine Predigt streng.
FM: „Du siehst dich was passiert Emma, und genau deshalb solltest du sie nicht sehen."
E: „Mami, es war aber meine Idee, sie wollte gar nicht und ich hab sie lange überredet. Sie hat keine Schuld!"
Sie lächelte Maya liebevoll an, ich glaub, dass musste sie wirklich von ihrer Freundin hören. Aber ich fand das sehr stark von Emma, das vor ihren Eltern zuzugeben.
M: „Ich hätte mich aber nie überzeugen sollen, es tut mir so leid Herr und Frau Müller. Ich hätte es besser wissen sollen."
Sie war inzwischen aufgestanden und näher gekommen, aber immer noch auf Abstand. Ihre Stimme zitterte.
HM: „Kein Kontakt mehr..."
P: „So wir beruhigen uns hier mal alle wieder! Wir sind im Krankenhaus, es ist Nacht und alle sind aufgebracht. Ich schlage vor, dass Familie Müller, sie jetzt von einer Schwester auf das Zimmer gebracht werden. Und Maya, wir warten auf deine Eltern."
Löste ich die Konflikt und Stresssituation auf
M: „Ich kann auch alleine nach Hause gehen."
P: „Auf keinen Fall Süße, es ist nach 12 Uhr und ihr hattet einen Unfall. Ich kann dich nicht ohne erwachsenen Erziehungsbeauftragten gehen lassen."
Sie schaute mich kurz nervös an. Was auch immer das bedeutete, dem musste ich noch auf die Spur kommen. Es war schon komisch, dass ihre Eltern nicht da waren und die Art, wie sie sich verhielt. Mir gefiel das alles nicht so, aber vielleicht war sie auch einfach nur überlastet mit allem heute.
Die Schwester kam und die Mädchen umarmten sich noch kurz, wobei Emma Maya was ins Ohr flüsterte.
Dann waren Maya und ich alleine.

I don't know ~ KaS/AsdsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt