Als wir an diesem Morgen zusammen im Bett lagen, verspürte keine von uns das Bedürfnis aufzustehen. Es war unser letzter gemeinsamer Morgen. Morgen mussten wir wieder in der Schule sein und so tun als wären wir nur Schülerin und Lehrerin. Wir mussten vergessen, was wir empfanden und dass wir verheiratet waren.
„Ich will nicht aufstehen", sagte Emilia.
„Ich auch nicht. Aber wir müssen", sagte ich.
„Ich will jeden Morgen in deinen Armen aufwachen", sagte Emilia.
„Ich auch", sagte ich. Die letzten Tage hatte ich sehr genossen. Neben Emilie aufzuwachen, war schön gewesen. Ich könnte mich daran gewöhnen. Ich hatte mich daran gewöhnt. Aber wir hatten die letzten Tage in einer Blase verbracht. In unserer Blase. Aber die mussten wir jetzt platzen lassen.
„Es ist nur noch ein Jahr", sagte ich.
„Nur? Das ist eine Ewigkeit", sagte sie.
Ich wusste, dass sie recht hatte, aber ich musste irgendwie versuchen positiv zu bleiben.
„Das geht schneller um als wir denken", versuchte ich es. Doch weder Emilia noch mich konnte ich damit überzeugen.
Ich seufzte. „Wir müssen trotzdem aufstehen. Wir müssen zurück in unseren Alltag", sagte ich.
„Wir melden uns einfach krank", sagte sie.
„Das geht nicht", sagte ich.
Emilia stöhnte. „Ich hasse mein Leben", sagte sie.
„Ich nicht", sagte ich. Ich kassierte dafür einen erstaunten Blick von Emilia. „Die Erinnerung an diesen Urlaub kann uns keiner nehmen und nach dem Jahr kann es jeden Tag so sein. Jetzt freue ich mich darauf in meiner Wohnung dein leckeres Essen zu essen, Netflix zu schauen, uns bei Dunkelheit in den Park zu schleichen und ganz viel Sex zu haben", sagte ich.
Bei dem letzten Satz fing Emilia natürlich an zu grinsen. „Sex im Park?", fragte sie. Das hatte sie definitiv falsch verstanden.
„Lass uns aufstehen", sagte ich lachend.
Ich schwang meine Beine bereits aus dem Bett, doch Emilia zog mich an meinem Arm zurück. „Wir haben bestimmt noch Zeit für eine letzte Runde", sagte sie.
Bevor ich irgendetwas erwidern konnte, hatte sie mich bereits auf sich gezogen und unsere Lippen miteinander vereint. Sie schmeckte wieder einmal nach Kirsche. Irgendwann musste ich sie mal fragen, ob sie irgendwo einen Lipgloss versteckte.Zwei Stunden später saßen wir dann tatsächlich im Auto. Wir schwiegen beide. Die Stimmung war gedrückt. Wir wollten hier nicht weg. Wir wollten hier bleiben.
Aber ich wollte auch nicht die nächsten drei Stunden damit verbringen zu schweigen. „Meine Schwester wird stolz auf mich sein, dass ich endlich schwimmen kann", sagte ich.
Emilia grinste. „Du musst dran bleiben", sagte sie.
„Versprochen. Bei unserem nächsten Urlaub bin ich schneller als du", sagte ich.
Emilia lachte. „Keine Chance. Ich bin zu gut", sagte sie.
„Wieder so arrogant?", fragte ich.
„Du solltest doch inzwischen wissen, dass ich auch liefere, wenn ich was sage", sagte sie.
Ich lachte. „Davon muss ich mich erst selber überzeugen", sagte sie.
„Dann google es", sagte sie und hob dabei grinsend die Augenbrauen.
Sie wusste ganz genau, wie sie mich provozieren konnte. Mich interessierte es plötzlich so brennend, dass ich auf den nächsten Rastplatz fuhr.
„Was? Sofort?", fragte sie.
„Du kannst nicht irgendwelche Andeutungen machen und es dann im Raum stehen lassen", sagte ich.
Ich holte mein Handy aus dem Seitenfach der Autotür und öffnete Google. Aber was sollte ich eingeben? Stirnrunzelnd sah ich Emilia an. Unter Emilia Yilmaz würde ich sicher nichts finden. Wie war nochmal ihr Nachname gewesen? Wie konnte ich das vergessen?
„Wagner", half sie mir auf die Sprünge.
„Wieso hab ich das vergessen?", fragte ich.
„Weil ich das absichtlich nicht erwähnt habe, damit du nicht googlest", sagte sie.
„Hätte ich eh nicht. Ich bin keine Internetstalkerin", sagte ich.
Dann tippte ich Emilia Wagner bei Google ein. Ich erwartete nicht allzu viele Treffer zu bekommen. Es gab sicherlich noch mehr Personen mit dem gleichen Namen. Wagner war ähnlich wie Yilmaz sehr verbreitet. Doch ich wurde eines bessern belehrt. Sofort ploppten unzählige Seiten mit Zeitungsartikeln auf. Emilia schien Schwimmerin gewesen zu sein.
„Du bist im Verein geschwommen?", fragte ich sie.
„Jop", antwortete sie.
Ich öffnete den obersten Artikel. Mit weit aufgerissenen Augen las ich den Artikel. 14jährige Schülerin schwimmt Olympia-Norm. Als ich in dem Artikel auch noch ihren Namen fand, war ich froh, dass ich auf einer Raststätte stand. Ich wäre sicherlich vor Erstaunen in die nächste Leitplanke gerast.
„Du warst bei Olympia?", fragte sie.
„Nein. Ich bin nicht gefahren. Aber ich war ganz gut", sagte sie.
„Ganz gut?", fragte ich fassungslos. „Das klingt hier eher als wärst du ein Jahrhunderttalent", sagte ich.
„Das ist völlig übertrieben", sagte ich.
„Krass. Ich hab mir ein Schwimmstar geangelt", sagte ich.
Ich wusste, dass das Emilia zum Lachen bringen würde.
Ich startete den Motor. „Du steckst voller Geheimnisse", sagte ich.
„Du doch auch", sagte sie.
Aber ich schüttelte meinen Kopf. „Du weißt alles über mich. Du weißt von meinen Eltern, von meinem geheimen Doppelleben. Ich glaube, es gibt niemanden, der so viel über mich weiß wie du. Das ist wirklich unheimlich", sagte ich.
Emilia lachte. „Keine Angst. Deine Geheimnisse sind bei mir sicher", sagte sie.Ein paar Stunden später erreichten wir unsere Heimatstadt. Es war ein schmerzhafter Abschied. Obwohl wir uns bereits morgen wiedersehen würden, konnten wir uns nicht voneinander trennen. Ich wollte, dass sie mit zu mir in meine Wohnung kam. Aber das ging nicht. Wir konnten Morgen nicht beide von dort zur Schule fahren. Außerdem durften ihre Eltern keinen Verdacht schöpfen.
Also holte ich stattdessen meinen Kater bei meiner Nachbarin ab und verbrachte den Abend mit ihm auf meinem Sofa. Emilia schickte ich ein Foto von ihm. Wir vermissen dich! schrieb ich dazu.
Keine Sekunde später bekam ich ihre Antwort. Ich dich auch.
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What happens in Vegas, stays in Vegas
RomanceLeyla reist nach Las Vegas und verbringt dort eine verhängnisvolle Nacht mit der jungen Emilia. Am nächsten Morgen beschließen die beiden getrennte Wege zu gehen und nie wieder ein Wort über die Geschehnisse der letzten Nacht zu verlieren. Was aber...