Ich war gerade auf dem Heimweg, als Emilia anrief. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in mir breit. Sie telefonierte nie. Sie schickte mir Text- oder Sprachnachrichten, aber sie rief mich niemals an.
Ich fuhr sofort rechts ran.
"Emilia?", fragte ich.
"Kannst du ... kommen?", schluchzte sie.
Da stimmte etwas ganz und gar nicht.
"Wo bist du?", fragte ich sie.
"Zuhause", schluchzte sie.
"Ich bin in 10 Minuten da", sagte ich.
Ich setzte den Blinker und fuhr so schnell ich konnte weiter.
Keine 7 Minuten später hielt ich vor Emilias Elternhaus. Bisher war ich noch nie hier gewesen. Aber dafür war jetzt keine Zeit. Auch nicht, um darüber nachzudenken, ob es eine gute Idee war, dass ich jetzt hier war.
Ich wollte gerade klingeln, da öffnete Emilia mir die Tür. Sie zog mich ins Haus und schloss die Tür schnell wieder. Die Tränen rollten ihr unaufhörlich über die Wangen. Ihre Augen waren bereits rot geschwollen. Sie war ein Häufchen Elend. Ich breitete sofort meine Arme aus und drückte sie wortlos an mich. Während Emilia an meiner Schulter schluchzte, massierte ich ihr den Rücken.
Eine ganze Weile standen wir so im Flur. Ich versuchte sie zu beruhigen und sie konnte einfach nicht aufhören zu weinen.
"Heute ist ihr Todestag", flüsterte Emilia mir ins Ohr.
"Wer?", fragte ich.
"Meine beste Freundin", flüsterte sie.
Ich verfluchte innerlich die Grausamkeit dieser Welt. Wie konnte es sein, dass ihr auch sie genommen wurde? Wie konnte es sein, dass auch dieses Päckchen auf ihren Schultern lastete? Wie konnte es sein, dass sie so schwer zu tragen hatte?
"Sollen wir in dein Zimmer gehen?", fragte ich sie.
Emilia nickte. Dann nahm sie meine Hand und führte mich in ihr Zimmer. Wir setzten uns beide im Schneidersitz auf ihr Bett und sahen uns an. Wir hielten uns anden Händen und sahen uns tief in die Augen. So blieben wir eine ganze Weile sitzen. Irgendwann fand Emilia aber doch den Mut zu sprechen. "Wir waren noch jung. 15. Pauli konnte nicht so gut schwimmen wie ich. Die Strömung war an dem Tag zu stark. Ich hab ihr gesagt, dass es zu gefährlich ist, aber Pauli wollte nicht auf mich hören. Sie ist trotzdem in den See gelaufen. Die Strömung hat sie erfasst. Ich wollte sie noch retten und bin hinterher gelaufen, aber ich kam nicht an sie heran. Ich konnte sie nicht retten. Sie ist ertrunken", erzählte mir Emilia.
Die Tränen rannten ihr in Sturzbächen über die Wangen. "Ich hätte sie aufhalten müssen. Ich hätte darauf bestehen müssen, dass sie nicht ins Wasser geht. Dann wäre sie jetzt noch am Leben", schluchzte sie.
"Schhh", flüsterte ich. Ich streichelte ihr über die Handrücken, um sie zu beruhigen. "Schatz, du konntest es nicht verhindern. Du hast es versucht. Aber du konntest nichts machen. Es ist nicht deine Schuld", sagte ich.
"Ihre Eltern sehen das anders. Sie geben mir die Schuld", sagte Emilia.
"Emilia, ist es nicht. Ihr wart beide noch Kinder. Was solltest du denn tun? Du konntest nicht weiter schwimmen, sonst wärst du selber ertrunken", sagte ich.
Zu meiner Erleichterung nickte Emilia.
Schweigend saßen wir eine ganze Weile auf ihrem Bett. Ich massierte weiter ihre Handrücken. Emilia hatte ihre Stirn an meine gelehnt und atmete ungleichmäßig.
Emilia legte ihre Lippen vorsichtig auf meine. Ich ließ sie. Vielleicht beruhigte es sie. Behutsam küssten wir uns eine Weile. Heute schmecke sie nicht nach Kirsche, sondern nach salzigen Tränen.
Als Emilia ihre Hände unter mein Shirt fahren ließ, stoppte ich sie. „Emilia, ich glaub nicht, dass das eine gute Idee ist. Du bist jetzt nicht in der Verfassung", flüsterte ich und hielt ihre Handgelenke fest.
„Bitte", flüsterte sie. Und dann ließ ich sie machen.
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What happens in Vegas, stays in Vegas
RomanceLeyla reist nach Las Vegas und verbringt dort eine verhängnisvolle Nacht mit der jungen Emilia. Am nächsten Morgen beschließen die beiden getrennte Wege zu gehen und nie wieder ein Wort über die Geschehnisse der letzten Nacht zu verlieren. Was aber...