Teil 6

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POV Paula Martinson:

Auf einmal zog Maya ängstlich die Hand weg, als ich gerade Puls messen wollte. Linda und ich warfen uns besorgte Blicke zu. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht mit dem Mädchen...
P: „Ich will nur dein Puls messen an deinem Handgelenk."
Versuchte ich es einfühlsam. Ich sah in ihren Augen, dass sie innerlich am durchdrehen war. Es waren nicht nur der Blick, sondern auch die Körperhaltung und die Tatsache, dass sie vorhin ihre Nägel abgekaut hatte und nun fast ihre Lippe blutig biss und es wohl gar nicht zu realisieren schien.
Sie ließ ihre Hand langsam wieder los. Sie trug einen Strickpulli, obwohl es relativ warm war zu dieser Jahreszeit in Köln.
Ich schob den Pulli behutsam hoch, als sie erneut ihren Arm wegzog, noch bevor ich den Ärmel zu Ende hochziehen konnte. Ich schaute sie besorgt an und sie schien ihre Reaktion zu bereuen.
M: „Mein Puls ist bestimmt normal, ich fühl mein Herz gar nicht falsch schlagen..."
Sie versuchte abzulenken, doch ihre Atmung ging flach und unglaublich schnell, was ihre Aussage widerlegte.
P: „Es wird nicht weh tun Süße..."
Sie hielt den Arm weiterhin fest.
P: „Hast du Angst vor mir?"
Versuchte ich einfühlsam etwas näher an sie ranzukommen. Sie schüttelte den Kopf, jedoch erst nach einer längeren Pause und das auch nur sehr langsam, was nicht gerade überzeugend war. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie versuchte zu unterdrücken. Irgendwas ging im Leben der Kleinen gewaltig schief und das musste jetzt aufhören und sich ändern. Ich meine, was es auch ist, es hat jetzt bereits einen großen psychischen Schaden hinterlassen. Kein, sagen wir mal, psychisch stabiler, Teenager, ist nervlich so am Ende. Und klar, hatte sie was schlimmes miterlebt eben und gedacht, ihre Freundin würde sterben, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass da was anderes hinter steckt und als Ärztin lernt man, leider auf die harte Tour, dass man immer auf sein Bauchgefühl hören soll. Die erste Intuition ist meistens nie falsch und unbegründet. Das Unterbewusstsein hat bereits eins und eins zusammengezählt, aber das aktive Bewusstsein hat die Information bzw. die Hintergrüde noch nicht erhaltene weiß aber schon, das etwas los ist.
P: „Sicher? Was ist los?"
Sie schwieg und schaute weg.
P: „Okay, hör mir zu. Hörst du mir zu?"
Versuchte ich es erneut sanft.
Sie nickte leicht, aber sie tat es immerhin.
P: „Egal, was du verheimlichen willst oder verstecken willst, es frisst dich von innen auf, das sehe ich.Und wenn du irgendwas an deinem Arm hast, dann muss ich das sehen. Ich bin Ärztin, ich hab schon einiges gesehen, also keine Sorge, es wird mich nicht verschrecken und ich kann damit umgehen. Du musst nur zulassen, dass ich dir helfe, weil egal was es ist, ich kann dir helfen. Okay? Ich kann und ich werde dir helfen! Ich werde auch vorsichtig sein."
Sie schwieg, schien aber nach zu denken.
P: „Weißt du, ich mache mir schon Sorgen um dich. Du siehst wirklich nicht fit aus und mit den Nerven am Ende. Ich möchte, dass es dir besser geht. Mir ist es ganz ganz wichtig, zu wissen, dass wenn ich dich aus der Notaufnahme entlasse, dass es dir gut gehen wird, und nichts passiert. Du kannst mir alles sagen, nur musst du dich trauen okay? Ich werde dir nichts tuen."
Ich, und ich hoffe generell jede erwachsene Person, sollte nicht einfach weg sehen, wenn ein Kind sich auffällig anders verhält. Ich tat es auch nicht. Sie ist ein Kind, selbst wenn sie schon 17 ist, ist sie es noch. Sie braucht Schutz und Unterstützung von Menschen mit mehr Erfahrung und mehr Stabilität, als sie selbst besitzt. Man weiß sie genau, was hinter dem Verhalten steckt. Es hätte alles sein können von Trauma, Überlastung, Angst, bis hin zu häuslicher Gewalt, Missbrauch, Mobbing, Selbstverletzung und andere psychische Probleme. Und es könnte sein, dass sie sich mehr als alles andere wünscht, dass sie jemand rettet, selbst wenn sie es nicht zu gibt, denn niemand will leiden.
Meine Bemühungen schienen sich zu lohnen und sie reichte mir zögerlich den Arm hin.
P: „Danke!"
Ich griff ihn ganz behutsam, darauf bedacht sie nicht zu verschrecken.
P: „Ich werde jetzt den Ärmel hochschieben."
Sie schaute weg. Es lag etwas bedauerndes in ihrem Blick. Was ich sah zeros mich innerlich. Ich  hätte gerne meinen Schock mitgeteilt, aber das wäre kontraproduktiv. Ich schwieg und drehte ihren Arm leicht. Er war grün und blau von Griffmahlen.
P: „Hast du noch irgendwo Verletzungen, wie diese?"
Sie reagierte nicht.
P: „Okay Süße... Maya, schau mich an."
Ich drehte ihr Kinn sanft zu mir, obwohl sie erst zurück gezickt ist.
P: „So ist gut... Es ist ganz wichtig, dass du mir jetzt die Wahrheit sagst, hast du noch solche Verletzungen?"
M: „Ich weiß es nicht..."
Hauchte sie kaum hörbar.
P: „Hm, du weißt es nicht?"
Sie zuckte mit den Schultern. Sie wusste es ganz genau und die Tatsache, dass sie es nicht zugeben wollte, hieß, dass sie welche hatte, denn hätte sie keine gehabt, so hätte sie es einfach sagen können. Ich überlegte, wie ich das mit möglichst viel Fingerspitzengefühl hinbekomme, weil dass sie so, ohne jegliche Erklärung, nicht nach Hause gehen konnte, das stand fest.
P: „Wie wäre es, wenn ich dich einfach untersuchen würde, wäre das okay für dich."
Sie schwieg und ich legte den Kopf schief.
P: „Die Sache ist, dass das gar nicht gut aussieht Maya..."
Ich deutete auf ihren Arm.
P: „Und wenn du noch sonst wo solche Hämatome hast, dann könnten sie auch schlimmere Verletzungen hervorrufen."
Ihr floss eine einzelne Träne über die Wange, sie schaute schon längst weg von mir. Aber sie nickte, kaum merkbar, aber doch vorhanden. Das Arme Ding, wer auch immer ihr das angetan hat, muss wissen, dass das absolut nicht okay ist!
P: „Danke, längst du dich hin?"
Ich half ihr darauf bedacht, nicht zu fest zuzugreifen, um Panik zu vermeiden, sich hinzulegen.
P: „Darf Ich?"
Sie nickte. Ich knöpfte ihr ihren Strickpulli auf, und half ihr das Top darunter auszuziehen. Ich musste tief ein Atmen. Dann half ich ihr mit ihrer Hose. Es muss furchtbar für sie gewesen sein, so entblößt vor uns dazuliegen und uns ausgeliefert zu sein, aber es ging leider nicht anders, wenn wir ihr helfen wollen.
Ihre Arme waren nur ein Teil dessen gewesen, was wir gesehen hatten. Ich hatte es erahnt, aber es in Realität zu sehen, machte es um so viel schlimmer. Wie sehr hatte ich gehofft, dass ich falsch lag mit meinem Verdacht. Sie verdiente es nicht, keiner verdiente sowas!
Ihr Abdomen und ihr Rücken waren geprägt von unterschiedlich farbigen und alten Hämatomen. Ihr Becken hatte auch welche abbekommen. Die Beine waren relativ unbeschädigt.
P: „Ich muss etwas drauf drücken, okay?"
Sie schüttelte panisch den Kopf, doch in dem Fall, hatte sie leider keine Wahl.
P: „Ich muss Süße, aber ich bin auch ganz vorsichtig, versprochen."
Langsam entfernte sie ihre Hände, die sie schützend drüber gelegt hatte. Sie atmete scharf und schmerzerfüllt ein, als ich ihre Bauchdecke berührte und abtastete, um innere Blutungen auszuschließen. Linda hatte sofort verstanden, und mir das Sonogerät hergeschoben.
Ich schalte einmal ihren Bauchraum und fand zum Glück nichts.
P: „Danke, Linda!"
L: „Kein Problem. Ich hole mal eine Decke für dich Maya..."
Linda hatte ohne Worte verstanden, dass es besser wäre uns einen Moment zu geben, da Patienten oft mehr sagten, wenn weniger Menschen im Raum waren. Ich legte meine Hand auf ihren Arm. Körperkontakt ist in der Medizin sehr wichtig. Man zeigt den Patienten, dass man für sie da ist, ohne es zu sagen.
P: „Also, es ist alle okay, du hast keine Blutungen."
Sie nickte nur und drehte sich weg.
P: „Du kannst dich wieder hinsetzen und dich anziehen."
Sie nickte und wirkte beschämt. Dabei gab es nichts, wofür sie sich schämen sollte. Es war nicht ihre Schuld, dass sie grün und blau geprügelt wurde.
P: „Darf Ich?"
Ich setzte mich neben sie auf die Liege.
P: „Woher kommen die Hämatome?"
Sie schwieg.
P: „Du kannst es mir sagen, ich kann dir helfen. Du hast keinen Grund dich zu schämen."
Ich legte meine Hand auf ihren Arm. Sie tat mir so unendlich leid. Wer tat so etwas grausames?
P: „Schau mich an Maya..."
Forderte ich sie sanft auf und drehte ihr Kopf wieder sanft in meine Richtung und ließ meine Hand an ihrem Kinn ruhen, da sie immer wieder wegschaute.
P: „Woher kommen die Verletzungen?"
M: „Ich weiß es nicht..."
Wisperte sie, während die Tränen ihren Lauf nahmen.

I don't know ~ KaS/AsdsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt