Teil 12

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POV Paula Martinson:

Es geschah alles ganz schnell. Ich wollte gerade mit Maya das Haus verlassen, als sie plötzlich nicht mehr hinter mir stand. Ich drehte mich um. Es waren nur Sekunden, aber das arme Kind erhielt noch eine katastrophales Erinnerung mehr als krönenden Abschluss. Der Mann, ihr Stiefvater, wurde nun tatsächlich vor den Augen der Polizei gewalttätig. Man hörte einen Schlag. Ich drehte mich schlagartig um. Er zog Maya gerade am Arm in die Luft und drückte sie an die Wand. Das arme Kind machte nicht einmal ein Mucks. Er packte fest zu, und ballte die Fäuste. Er holte zum Schlag aus, als er nach hinten gezogen wurde und Maya zu Boden sank. Es geschah in wenigen Sekunden und doch fühlte es sich an wie eine Ewigkeit. Ich konnte nicht einmal reagieren, aber zum Glück hatten Paul und Hannah eingegriffen und ihm die Hände auf den Rücken gebunden mit Handschellen. Er war ganz außer sich und windete sich, um sich zu befreien. Seine Augen waren weiß vor Wut. Sie brachten ihn im Wohnzimmer zu Boden und ich rannte zu Maya und kniete mich dann zu ihr. Ihr Atem ging flach und ihr Blick war starr. Sie krümmte sich und versuchte mit der Wand zu verschmelzen. Die Tasche hatte ich längst fallen lassen.
P: „Maya! Maus, schau mich an. Du bist in Sicherheit! Die Polizisten haben ihn. Er kann dir nichts mehr tun!"
Ich drehte ihr Kinn mit zwei Fingern zu mir und es geschah etwas unerwartetes. Sie brauchte kurz um mich zu erkennen, doch dann aufeinmal schien sich ihre Starre zu lösen und sie fiel mir um den Hals. Überrascht stockte ich kurz, legte, dann aber meine Arme um sie und drückte sie sanft an mich. Ich atmete ganz ruhig und ich spürte, wie auch ihr Herzschlag sich langsam beruhigte. Nach einer Weile beschloss ich, dass wir dieses Haus schnellst möglich verlassen sollten.
P: „Komm wir gehen raus!"
Meinte ich sanft aber bestimmt. Ich zog sie hoch und dann auch weiter durch die Haustür durch und setzte sie auf die Rückseite des Streifenwagens, jedoch so dass ihre Beine hinausbaumelten. Dann ging ich vor ihr in die Hocke. Die ganze Zeit ließ sie meine Hand nichts los und gab keinen Ton von sich.
P: „Alles ist gut..."
Ich umgriff unbemerkt ihr Handgelenk, um den Puls zu tasten. Er war immer noch schnell, aber noch rhythmisch. Ich betrachtete sie intensiv, sie schien es gar nicht mitzubekommen. Ihre Wnage war von der heftigen Backpfeife rot und man sah den Abdruck deutlich. Auch der Griff an ihrem Arm hinterließ ein Mal. Und das waren nur sichtbare Spuren wie war es mit den psychischen Abdrücken, die der Mann bei dem unschuldigen Kind, dass er als Hure umschreibt hinterlassen. Ich weiß nicht mal, ob die Kleine jemals ein Freund hatte. Auf mich wirkt sie nicht so, aber ich könnte mich täuschen. Was er über sie gesagt hat, ist unglaublich. Schon alleine sie als „Ding" anzusprechen, zeigt seine Einstellung zu ihr. Er hat sie als wahnsinnige dargestellt, dabei ist sie vermutlich schlichtweg schwer traumatisiert und misshandelt. So Menschen wiedern mich an. Es gibt nichts schlimmeres als Männer und Erwachsene, die ihre Machtposition ausnutzen und Kinder misshandeln, die sich nicht wären können und es nicht besser wissen. Es ist einfach abscheulich.
Es wurde lauter. Hannah und Paul brachten den Mann raus. Mayas Blick folgte ihm. Sie war wie versteinert und krallte sich am Autositz fest. Der Mann schaute nur bedrohlich. Ich beschloss sie in den Arm zu nehmen, da sie aufgehört hatte zu atmen. Körperkontakt kann das Nervensystem stimulieren und beruhigen. Sanft drückte ich sie. Es dauerte kurz, sie war wie erstarrt, doch dann ließ sie es zu und hielt sich an mir fest. Man hörte wie sie völlig außer Atem ausatmetet und wieder einatmete. Es war inzwischen ein zweiter Streifenwagen da, in den der Mann verfrachtet wurde.
Auf einmal spürte ich, wie ihr Herz erneut anfing zu rasen und drehte meinen Kopf um. In der Tür stand ihre Mutter, die alle ganz vergessen hatten. Sie schauten sich in die Augen, doch keiner sagte was anfangs.
Mo: „Was hast du nur getan Maya?! Was hast du dir dabei gedacht?!"
Wie sagt die Frau es nur, ihrer Tochter noch Vorwürfe zu machen, nach allem was die Kleine durchlebt hat?! Unglaublich!
Die Frau war den Tränen nahe.
Mo: „Was soll ich nur ohne ihn tun? Warum Maya? Was habe ich dir angetan, dass du mir das antust? Dass du uns das antust?"
Sie klang verzweifelt. Die Frau war vermutlich auch Opfer, dennoch ist es schwer zu verstehen, warum sie ihrer Tochter lieber Schmerz zufügt, als Hilfe zu suchen.
P: „Ihre Tochter, hat das richtige getan."
Ich strich der kleinen durch die Haare. Was ich sagte, war mehr an Maya gerichtet, welcher stumm die Tränen aus den Augen kullerten. Ich spürte sie auf meiner Schulter, selbst wenn ich sie nicht sah. Ich wusste, dass sie weinte. Hannah kam zurück und nahm die hysterische Frau mit in den anderen Streifenwagen zu ihren Kollegen. Die Frau vom Jugendamt kam zu uns.
Jug: „Maya, du wirst nicht mehr zu deinem Stiefvater gehen. Wir werden dich woanders unterbringen."
Sie nickte mir zu. Es war eine wortlose Bestätigung, dass die Kleine zu mir gehen würde erstmal.
Jug: „Kümmern Sie sich gut um sie. Wir werden noch telefonieren und uns sehen. Ich muss aber erstmal mit der Mutter sprechen und alles in die Wege leiten."
Ich nickte dankend. Maya schien nicht wirklich etwas verstanden zu haben. Ich drückte sie sanft von mir weg und drehte sanft am Kinn ihr Kopf zu mir.
P: „Süße, wenn du willst, nehm ich dich mit zu mir. Du kannst bei mir wohnen, egal ob nur vorerst oder für immer. Ich bleib bei dir, okay? Du bist in Sicherheit."
Ihre Augen schauten mich ungläubig an. Sie sah erschöpft aus und nervlich am Ende, was absolut verständlich war. Sie nickte nur.
P: „Willst du das auch?"
Erneut nickte sie, jedoch war es ein klares Nicken ohne Zögern.
P: „Bei mir bist du sicher, es wird dir keiner mehr weh tun."
Sie lehnte ihr Kopf gegen den Sitz.
P: „Wir fahren sofort los, okay?"
Sie nickte und ich schaute besorgt. Sie hatte nicht mehr gesprochen seit vorhin. Es war eindeutig eine zu hohe Belastung gewesen. Sie hätte besser nie zurück an diesen Ort kommen müssen. Zumindest waren jedoch ihre Verletzungen nicht weiter ernst und sie konnte direkt zu uns nach Hause. Hannah kam und setzte sich ans Steuer. Dann fuhren wir los. Maya ließ meine Hand nicht  mehr los, als hätte sie Angst, ich würde sie im Stich lassen, wenn sie mich nicht mehr halte. Sie tut mir sooo unendlich leid...

I don't know ~ KaS/AsdsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt