Teil 15

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POV Maya:

Beim Umziehen konnte ich die ganzen Blauenflecken begutachten. Ich sah aus wie ein Opfer... Und das war ich auch, nicht mehr und nicht weniger. Sie liebten mich nicht, sie fanden es nur gut für ihr Gewissen sich um ein Opfer zu kümmern, irgendwann würden sie mich links liegen lassen. Ich meine, wer bin ich schon? Eine Verrückte Bitch, die ihre Familie und die einzigen Menschen, die es ausgehalten haben mit ihr unter einem Dach zu leben, in den Knast bringt. Ich bin dumm, naive und ein Monster. Ich sollte mich gleich umbringen, dann würde ich jedem viel Zeit und Mühe ersparen. Ich meine was für eine Hoffnung oder Perspektive gibt es für mich? Ich habe sogar Panik vor einem Glas Wasser... Dumm, sag ich doch. Vielleicht hatte ich die Schläge tatsächlich verdient. Vielleicht war das normale Erziehung und alles andere nur fake? Wie könnte jemand perfektes wie Paula sich wegen mir ihr Leben ruinieren wollen?
Ich war so tief in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merkte wie viel Zeit vergangen war. Erst als ich Paula und Viola vor der Tür miteinander reden hörte, darüber, ob sie klopfen sollen, wurde ich ins Jetzt zurück geholt. Ich zog mir schnell die Kleider über. Sie waren perfekt und wunderschön. Es machte mich anders. Es gab mir ein anderes Gefühl. Ich fühlte mich fast unberührt. Als wäre ich das perfekte It Girl der Stufe, mit den reichen Eltern und dem sorgenfreien Leben. Spoiler alert, das bin ich nicht, das war ich nie und das werde ich auch niemals werden. Ich verließ tief durchatmend das Bad.
M: „Danke nochmal!"
Vi: „Doch nicht dafür, du siehst fantastisch aus!"
Ich konnte nur lächeln, es schmeichelte mich, aber Komplimente waren noch nie so mein Ding.
P: „Was willst du jetzt machen Maya?"
Ich zuckte mit den Schultern.
P: „Du kannst machen, was du möchtest."
Ich nickte schwach. Dann beschloss ich in das mir zugeteilte Zimmer zu gehen. Ich legte mich auf das Bett. Mein Spiegelbild ließ mich nicht los. Ich ging in mein Bad und betrachtete mich erneut, während ich mein Oberteil so hoch hob, dass man die Verletzungen sehen konnte. Wie hässlich ich war... Ich bin einfach nur dumm! Egozentrisch! Armselig! Ich habe es mehr als nur etwas verdient, dass man mich so behandelt! Holga hatte Recht und er tat was nötig war. Ich war einfach nur undankbar und ein Misststück! Aber hatte ich das wirklich verdient?! Zu dem Zeitpunkt in meinem Leben, war ich der Auffassung, dass ich es mehr als nur etwas verdient hatte.
Ich betrachtete und drehte mich vor dem Spiegel umher. Wahrscheinlich stundenlang. Ich spürte ein Gefühl hochkommen, keine Ahnung, was für eins das war. Keine Ahnung, was mich in dem Moment überhaupt ritt. Ich griff nach dem Spiegel und schmiss ihn auf den Boden. Mein Gesicht war Tränen überströmt. Ich konnte den Anblick von mir nicht ertragen. Holga war überall. Er hat mich wie gebranntmalt, egal wo ich hin sah, war eine Spurt von ihm. Der Spiegel zersplitterte laut in Scherben und ich erschrak schrecklich. Womit hatte ich überhaupt gerechnet? War ja klar, dass das passieren würde, aber es war wirklich nie meine Absicht. Ich ließ mich an der kalten Wand zu Boden sinken und weinte. Ich konnte es nicht aufhalten, es tat mir alles so weh. Seelisch, aber auch körperlich empfand ich nichts anderes als Schmerz.
Auf einmal klopfte es nervös an der Tür. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber es war zu spät. Jemand öffnete bereits die Tür. Es war Paula. Sie schaute schockiert und besorgt zu mir rüber.
M: „Er ist überall an mir!"
Schluchzte ich verzweifelt und konnte das Weinen nicht kontrollieren.
M: „Ich werde ihn nie loswerden!"
Ich versank mit meinem Kopf zwischen meinen Knien.
M: „Ich will es doch nur vergessen!"
Ich klang verzweifelt und erbärmlich und so schrecklich am Leiden. Die Sache ist, dass ich es wirklich war. Ich litt sehr stark...
P: „Hey Maya, Maya? Komm her Kleine..."
Sie winkte mich besorgt zu sich.
Ich rührte mich erst nicht.
M: „Er hat sich in mir verinnerlicht!"
Paula schaute besorgt.
M: „Wie soll ich ihn je vergessen, wenn man noch überall auf mir seine Erinnerung sieht?!"
Ich stieß meinen Kopf, versehentlich, heftig nach hinten und traf die Wand.
P: „Ganz ruhig Klein... Maya, Maya schau mich an, schau mich an Maya! Okay?"
Ich fokussierte langsam meinen Blick auf sie.
P: „Komm aus den Scherben raus, dann reden wir in Ruhe okay?"
Ich reagierte nicht.
P: „Maya? Komm her Kleine!"
Sie klang nun schon etwas bestimmter, aber die Sorge in ihrer Stimme überwog alles.
Ich stand mit zittrigen Beinen auf und tapste stolpernd zu ihr. Ein Wunder, dass ich in keine Scherbe trat.
Kaum bei ihr angekommen, schloss sie mich sofort fest in den Arm.
P: „Shhhh..."
Sie führte mich zu meinem Bett, wo ich mich drauf setzte und sie ging davor in die Hocke, um mir in die Augen sehen zu können.
P: „Es ist okay wütend zu sein..."
Sie strich über mein Bein.
M: „Ich bin nicht wütend... Ich will nur, dass es endlich aufhört! Wozu sollte ich das alles getan haben und alle verraten haben, nur damit es nicht besser wird?! Es geht mir nicht besser!"
Ich fing an bitterlich zu weinen.
M: „Es wird mir nie besser gehen! Es ist zu spät! Ich könnte auch gleich von der Brücke springen, dann hätte es zumindest ein Ende!"
P: „Maya Maus... Hör mir zu, hier springt keiner von irgendeiner Brücke, okay?"
Sie schaute mir tief in die Augen und wartete. Ich nickte zögerlich. Sie schien das als Selbstmorddrohung zu verstehen. Ich meine es war schon so gemeint, aber ich wollte ihr keine Angst machen und tun würde ich es eh nicht.
P: „Okay! Dann, hörst du mir zu?"
Ich nickte wieder leicht.
P: „Es wird dir eines Tages besser gehen, da bin ich mir sicher. Du musst Geduld haben, es sind gerade mal zwei Tage vorbei. Es wird noch dauern, vermutlich sogar noch sehr lange bis es besser wird. Wie lange wurdest du misshandelt?"
Ich schwieg.
P: „Wochen? Monate? Jahre?"
M: „Seit ich 6 bin."
Nuschelte ich unsicher.
P: „Das sind 11 Jahre. Du musst erst einmal lernen, wie es ist normal zu leben, ohne Gewalt. Das wird anstrengend und schmerzhaft auf emotionaler Ebene, aber es wird besser werden. Und ich verspreche dir, ich werde dich nicht im Stich lassen! Und die Hämatome werden auch verheilen und die Narben ausbleichen. Es wird gewiss dauern, aber es wird passieren. Es wird der Tag kommen, an dem keiner erahnen kann, was man dir genommen hat und du wirst selber über dein Leben entscheiden können. Du wirst komplett frei sein. Es lohnt sich Maya! Du musst nur kämpfen! Und du musst die Gefühle zulassen! Das gehört dazu, das gehört zum Heilungsprozess!"
Paula mir tief in die Augen. Sie hatte etwas beruhigendes an sich. Ich konnte noch nicht nicken, weil ich nicht sicher war, ob sie recht hatte. Aber es war mehr als nur etwas rührend. Ich gähnte erschöpft. Paula beobachtete mich noch kurz stumm und kippte mich dann ins Bett um.
P: „Ich bleib bei dir, schlaf dich aus!"
Ich war schon kurz davor einzuschlafen, als es mir einfiel und ich fühlte mich schuldig und echt mies.
M: „Der Spiegel... Es tut mir leid."
Mir liefen immer noch Tränen über mein verheultes rotes Gesicht.
P: „Das macht nichts, wirklich und jetzt Schlaf, ich bin da!"
Mit diesen Worten im Kopf fiel ich mit dem Gefühl von Geborgenheit in den Schlaf.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 26, 2023 ⏰

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