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Annalena

Wir nahmen die wichtigsten Sachen mit, zogen uns an und gingen dann nach draußen. Fritz war definitiv begeistert von Wincents Idee. Ich erkannte die Strecke, die wir entlang liefen. Hier ging es zum Park, in dem Fritz und ich immer spazieren gingen.
„Warte Fritz", hörte ich Wincent sagen.
Ich wartete und hörte das Klicken von Karabinern. Nebenbei das Lachen von Wincent, denn Fritz blieb ganz sicher nicht ruhig stehen. „So, jetzt. Lauf." Wincent klang wirklich zufrieden und brach als nächstes in Lachen aus.
„Was...?", fragte ich.
„Fritz", brachte Wincent gerade so heraus. Dann beruhigte er sich wieder. „Ich hab dich nicht abgeleint, sondern nur die Leine länger gemacht."
Ich musste auch grinsen, denn es war zu lustig. Wincent und mein Hund waren definitiv ein gutes Team. Das musste ich nicht einmal sehen können.
„Ärger mal meinen Hund nicht so", zog ich Wincent auf.
„Ich mach gar nichts." Ich hörte sein Grinsen.
Wir liefen ein wenig und unterhielten uns darüber, wie wir den Abend verbringen wollten.
„Wincent", sagte ich irgendwann leise und mich überkam ein ungutes Gefühl.
„Was ist?" Er schien genau zu merken, dass irgendwas nicht stimmte. Wincent griff nach meiner Hand und ich zuckte zusammen.
„Ich glaube, wir werden beobachtet", erklärte ich ihm leise.
„Wirklich?" Wincent klang nun auch nicht mehr so ruhig.
Kurz herrschte Ruhe zwischen uns.
„Komm mit." Er zog mich weiter und sofort verlor ich die Orientierung.
„Wo sind wir?", fragte ich.
„Noch immer im Park. Ich versuche nur einen anderen Weg als die Hauptstrecke zu finden", erklärte er mir.
„Okay."
Wir gingen weiter und so langsam fühlte ich mich wieder sicherer. Zumindest ein wenig.
„Waren... das wirklich... Fans?", fragte ich leise und war mir nicht sicher, ob ich die Antwort wirklich hören wollte.
„Ja. Ich hab die Hoodies erkannt."
Abrupt blieb Wincent stehen und zog mich einfach nur fest in seine Arme.
„Sorry", murmelte er leise in mein Haar.
Ich klammerte mich einfach nur an ihm fest. Nach meinem Traum war ich wirklich empfindlich, was seine Fans anging. Normalerweise war es mir egal, was andere Menschen dachten. Doch jetzt kamen meine ganzen Zweifel zurück. Wincent war halt ein Star und als solcher ziemlich beliebt. Und er verbrachte ausgerechnet Zeit mit mir. Eine blinde Frau, die auf die 30 zuging und psychische Probleme hatte. Martha war da nur das größte zurzeit. Und das hatte Wincent nicht abgeschreckt, wofür ich mehr als dankbar war.
Ich verstand zwar nicht, warum er sich so viele Gedanken um mich machte, aber missen wollte ich es auch nicht mehr. Dafür war es viel zu schön mit ihm an meiner Seite.
„Ist alles okay? Sollen wir nach Hause?", fragte Wincent und klang besorgt.
„Mhm", erwiderte ich nur. Gerade war an seine Brust gekuschelt, ganz gut.
„Na komm." Er löste die Umarmung vorsichtig. „Wir kaufen schnell Sushi und dann kuscheln wir bei dir auf dem Sofa, okay?"
„Okay."
Während wir wieder in Richtung meiner Wohnung liefen, hatte ich immer wieder ein ungutes Gefühl. Es grenzte fast schon an Verfolgungswahn.
„Was ist?", fragte Wincent mich besorgt, als ich an einer Kreuzung stehen blieb.
„Irgendwie... Keine Ahnung. Ist dumm."
Wincent antwortete gar nicht darauf, dafür hörte ich Stoff rascheln.
„Hier. Zieh meinen Hoodie über."
Ich tat, was er mir gesagt hatte. Keine Ahnung, wie ich jetzt aussah, aber da Wincent deutlich größer war als ich, konnte ich mich gut verstecken. Ein wenig besser fühlte ich mich jetzt schon und ließ auch zu, dass Wincent meine Hand nahm.

Wincent             

Ich verstand Annas Angst, doch es tat mir weh zu sehen, wie unwohl sie sich fühlte. Deshalb nahm ich mit Unterstützung von Google Maps die kürzeste Route zum Asia. Im Laden entspannte sich Anna etwas und mit dem Sushi machten wir uns auf den Rückweg. Draußen umklammerte Anna meine Hand regelrecht und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Immerhin war es meine Idee gewesen. Wieso mussten wir ausgerechnet heute Fans über den Weg laufen?
Wie ich befürchtet hatte, wollte Anna kein bisschen essen. Dabei liebte sie Sushi. Nicht einmal mit Schokolade als Nachtisch konnte ich sie vom Essen überzeugen.
„Ich will einfach nur schlafen", murmelte sie leise und ich beließ es dabei.
„Okay."
Sie ging ins Bad, während ich Fritz noch Futter gab und das restliche Sushi in den Kühlschrank räumte. Dann wartete ich im Schlafzimmer darauf, dass Anna kam. Sie sah echt fertig aus.
„Hast du dich überhaupt umgezogen?", fragte ich, da sie noch immer meinen Hoodie trug.
Obwohl er ihr deutlich zu groß war, sah es einfach nur süß aus.
Anna nickte und kuschelte sich dann ins Bett. Ich deckte sie nochmal richtig zu, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und wollte ins Bad gehen. Anna hielt mich am Arm fest.
„Nicht... gehen."
„Ich komme gleich wieder. Versprochen", sagte ich leise und tatsächlich ließ sie mich los.
Fix zog ich mich um, putze Zähne und kuschelte mich dann zu Anna ins Bett. Vorsichtig zog ich sie an mich und sie klammerte sich an mein Shirt. Ganz offensichtlich war der Tag zu viel gewesen.
Die Nacht verlief eher unruhig und so waren wir beide früh wach. Da wir aber beide keine Lust auf irgendwas hatten, verbrachten wir den Tag überwiegend auf dem Sofa. Zum Essen bringen konnte ich Anna dennoch nicht wirklich, was mir zunehmend Kopfzerbrechen bereitete. Sie war auf so einem guten Weg gewesen und jetzt drohte alles wieder ins Negative zu rutschen.
Der Montag begann recht früh, da sowohl Anna als auch ich arbeiten mussten. Frühstück fiel aus, da sie noch immer keinen Hunger hatte. Ich brachte sie dazu, wenigstens etwas Obst einzupacken und hoffte, sie würde es auf Arbeit wirklich essen.
„Bist du nachher noch hier?", fragte Anna hoffnungsvoll.
„Klar. Hab heute Mittag nur ein Meeting."
„In meinem Schreibtisch ist ein Ersatzschlüssel. Kannst danach gerne schon wieder her. Ich bin so gegen 16 Uhr auf Arbeit fertig."
Moment! Sie wollte mir einen Ersatzschlüssel geben? Wir waren noch nicht einmal ein Paar.
„Okay", erwiderte ich etwas überfordert. „Soll ich dich bringen?", fügte ich dann noch hinzu, als ich wieder klar denken konnte.
„Ne, alles gut. Fritz kennt den Weg."
Ihr Hund bellte zustimmend.
„Pass gut auf sie auf, ja?", wandte ich mich an ihn und er schleckte einmal über meine Hand.
„Bis später", verabschiedete sich Anna.
Ich zog sie nochmal fest in meine Arme. „Bis später."
Ich hatte noch Zeit, bis mein Termin mit meiner Managerin Anna war. Absichtlich wollte ich sie erst mittags treffen, denn ich hatte noch etwas vor. Bevor die Reha losging, musste ich wenigstens ab und zu mal wieder anfangen. Deswegen fuhr ich auch von Anna aus direkt zum Fitnesstudio.
Mein Handy meldete sich zu Wort und als ich mein Auto geparkt hatte, schaute ich kurz drauf. Mats hatte mir eine WhatsApp geschrieben.
»Bist du mal wieder im Gym?«, stand auf meinem Display.
Woher wusste er das schon wieder? Ich hatte doch gar nichts gepostet heute.
Ich ging in Gedanken ging ich die Strecke nochmal durch und da fiel mir etwas auf. Dieser Stalker ey. Hatte der morgens keine anderen Hobbys als die Straße zu beobachten?
»Ja«, tippte ich zurück.
»Wieso? Deine Freundin sieht das Sixpack doch eh nicht.«
Ich ging aus dem Chat, startete die Musik und begann meine Trainingseinheit. Nach zwei Stunden war ich wieder mal klatschnass geschwitzt, aber glücklich. Auf mich wartete sogar eine neue Nachricht. Aber nicht von Anna, sondern Mats.
»Hey! Bist du jetzt beleidigt?«
»Nein«, schrieb ich zurück. »Und erstens ist Anna nicht meine Freundin und zweitens geht es mir nicht darum.«
»Hast du das mit dem, sie ist nicht deine Freundin jetzt mir oder dir vorgelogen?«
Mats ging mir heute ziemlich auf den Zeiger.
»Mach deinen Job.«
»Wince, ich meine es Ernst. Du wünschst dir doch nichts mehr, als das endlich sagen zu können, dürfen, whatever.«
Er hatte schon Recht, aber so einfach war das nun einmal nicht.
»Mats, bitte.«
»Okay, für heute lass ich dich mit dem Thema in Ruhe. Ich sag dir nur noch eins: Es liegt durchaus auch in deiner Hand. Mach einfach etwas draus.«

Bin ich für sie blind? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt