Es geht endlich mal weiter. Hochzeitssaison ist beinahe vorbei, mein Umzug auch, mein Wiedereinstieg ins Arbeitsleben nach drei Jahren Elternzeit ebenso, daher gibts ja eigentlich keine Ausreden mehr ausser chronischer Unlust, Müdigkeit, Zeitmangel und sonstigen Wehwehchen...
Viel Spaß mit dem Kapitel - leider wird dieses nicht ganz so kuschelig.
Genießt das tolle Herbstwetter ihr Lieben!Kapitel 18 - Zerwürfnis
Zer·würf·nis
Substantiv, Neutrum [das]
Durch ernste Auseinandersetzungen, Streitigkeiten verursachter Bruch einerzwischenmenschlichen Beziehung; Entzweiung
Die Nacht wich bereits dem herannahenden Morgen, als Hermine die Treppen zum Grimmauldplatz erklomm und sich freute, noch die ein oder andere Stunde an ihrem Kissen horchen zu können. Sie war nicht mehr zur Ruhe gekommen, nach dieser höchst seltsamen und aufregenden Nacht bei Malfoy und irgendwie hatte sie es nicht über sich gebracht, einfach bei dem Blonden zu schlafen. Nicht nur, weil Harry sich sicher am Morgen wundern würde, wo sie war, sondern auch, weil ihr viel zu viel durch den Kopf ging, als dass sie seelenruhig bei ihm hätte übernachten können. Sie musste diese ganze Sache erst mal mit ein wenig Abstand betrachten und analysieren. Doch dafür war sie aktuell nicht mehr in der Lage, denn sie war mehr als nur müde. Die letzten Stunden hatten viel von ihr abverlangt. Sie in ein Gefühlschaos gestürzt, das sie sich in ihren wildesten Träumen nicht hätte ausmalen können. Malfoy, der sich in der gleichen Nacht vom Psychopathen in einen einfühlsamen Liebhaber verwandelt hatte, das war sogar für Hermine zu viel. Das musste sie erst einmal sacken lassen. Dazu kam, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, wie das nun weitergehen würde, zwischen ihr und Malfoy. Dass da mehr war, als die körperliche Anziehung, das war ihr inzwischen bewusst und man musste schon Taub und Blind gleichzeitig sein, um das nicht zu bemerken. Und zwischenzeitlich war sie sich auch sicher, dass es ihm genauso ging.
Es wäre vermutlich vermessen, von Verliebtheit oder dergleichen zu sprechen, doch sie war sich sicher, dass er ihr wichtig geworden war über die letzten Monate und nach der vergangenen Nacht war sie sich ebenso sicher, dass es in ihm ähnlich aussehen musste.
Was Hermine nun jedoch mit dem Wissen anfangen sollte, da hatte sie auch keine Ahnung. Vielleicht könnte sie das näher erörtern, wenn sie ein paar Stunden geschlafen hatte.
Mit einem Lächeln auf den Lippen schob sie den Schlüssel in das dafür vorgesehene Schlüsselloch und betrat den dunklen Flur, den sie zwischenzeitlich schon unzählige Male durchquert hatte. Sie hätte mit Sicherheit in ihr Zimmer apparieren können, doch die wenigen Minuten an der frischen Luft hatten gutgetan, auch, wenn es nicht komplett geholfen hatte, ihren Kopf freizubekommen.
Ihre Beine trugen sie leise die Treppen nach oben und sie versuchte, die knarzenden Stufen, die sie mittlerweile auswendig kannte, zu überspringen. Erleichtert atmete sie auf, als sie ihre Zimmertür hinter sich schloss, nur um im nächsten Moment einen kleinen Satz in die Luft zu vollführen, gefolgt von einem spitzen Schrei, der ihr entfuhr, als sie die dunkle Gestalt sah, die auf der Kante ihres Bettes saß und sich als Harry entpuppte.
„Harry?", stieß sie verwundert aus und ihr Herz sackte ihr im gleichen Augenblick eine Etage tiefer, denn in dem Moment, in dem sie das Licht im Zimmer entfachte und seinen Blick auffing, wusste sie, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Ihr bester Freund sah sie mit einem so verletzten Ausdruck an, dass ihr ganz anders wurde und in der Sekunde, in der sie erkannte, was er in seinen Händen hielt, schluckte sie trocken auf und hielt schockiert die Luft an. Hatte sie vor wenigen Minuten noch gedacht, dass ihr größtes Problem ihr Dilemma mit Draco Malfoy sei, kam ihr das nun vergleichsweise lächerlich vor, der Tatsache gegenübergestellt, dass Harry dort saß und die beiden letzten Nachrichten in seinen Händen hielt, die Malfoy ihr geschickt und welche sie nicht ungeöffnet retourniert hatte.
„Weißt du, ich komme mir gerade ziemlich dumm vor, weil ich mir Sorgen um dich gemacht hab", waren die ersten Worte, die Harry an sie richtete und sein Tonfall war vermutlich das Schlimmste an seinen Worten. Selten hatte sie ihn so kalt und beherrscht erlebt. Harry war noch nie jemand gewesen, der seine Emotionen gut unter Kontrolle hatte, doch wenn, dann musste man sich vorsehen. Niemals hätte sie gedacht, dass sie selbst einmal der Auslöser für diese Art von Wut bei ihm sein würde.
„Harry, lass mich erklären...", setzte sie an und wollte einen Schritt auf ihn zugehen, doch sie stockte in der Bewegung, als er plötzlich seinerseits nun aufstand und sie regungslos anblickte.
„Erklären? Das brauchst du mir nicht erklären, Hermine. Ich glaube nicht, dass es Worte dafür gibt, die das plausibel erklären könnten. Ich bin mir momentan nicht mal sicher, ob ich nicht sogar träume, so abwegig finde ich das. Das hier..." Er hob Malfoys Nachrichten in die Luft und wedelte damit leicht vor ihrer Nase herum. „...ist so ziemlich das abartigste.... Mir fehlen sogar die Worte dafür!", wurde er nun eine Spur lauter. Hermine kämpfte gegen die Tränen an, die sich bereits in ihren Augenwinkeln sammelten und ihr die Sicht verschwimmen ließen.
„Es ist nicht so wie du denkst", sagte sie und gab sich im gleichen Moment eine gedankliche Ohrfeige für diesen Spruch, der an Klischee nicht zu überbieten war.
„Nicht? Also hast du nichts mit Malfoy am Laufen? Ich kenne die Schrift, Hermine. Und es gibt nicht viele, die dich Granger nennen..."
„Naja, also doch, schon... irgendwie... aber...", setzte sie an, nicht wissend, was sie ihm darauf antworten sollte, denn wenn man es genau nahm, war es dann ja doch wirklich so, wie es aussah.
„Was, aber? Hast du mit mir geschlafen, weil Malfoy dir, aus welchem geisteskranken Grund auch immer, gesagt hat, dass du es tun sollst?" Harrys Ton wurde leiser, was eindeutig kein gutes Zeichen war. Im Moment wünschte sie sich, dass er sie anschrie. Dass er tobte und brüllte, ihr Vorwürfe machte und sie ihretwegen auch an den Schultern packte und schüttelte, denn seine aktuelle Reaktion war so viel schlimmer.
„Nein!", protestierte sie und schüttelte den Kopf, doch die Beweislast war erdrückend und Malfoy's Nachrichten konnte man eigentlich kaum fehlinterpretieren, zumindest nicht, wenn man eins und eins zusammenzählen konnte und Harry war noch nie dumm gewesen. „Naja, doch, aber es ist wirklich nicht so, wie du denkst! Ich habe das nicht gemacht, weil er es gesagt hat, es ist... kompliziert." Kraftlos ließ Hermine die Schultern hängen. Harry würde es nicht verstehen, da war sie sich sicher. Sie verstand es ja noch nicht einmal selbst zur Gänze, wie sollte sie ihrem Freund dann erklären, dass ausgerechnet sie eine höchst dubiose Affäre mit Draco Malfoy hatte? Wie könnte er jemals verstehen, was genau dazu geführt hatte, dass sie nun an diesem Punkt standen?
Harry hatte offensichtlich genug gehört, denn er warf die Nachrichten, an die er sich bis eben noch geklammert hatte, einfach achtlos auf ihren Nachttisch und machte Anstalten, ihr Zimmer zu verlassen.
„Harry bitte, lass es mich wenigstens versuchen!", rief sie nun verzweifelt aus und stellte sich ihm in den Weg, so dass er nicht einfach zur Tür hinaus verschwinden konnte. Er sagte jedoch nichts, sondern versuchte nur sie zur Seite zu schieben und diese Geste brachte das Fass zum Überlaufen. Sie konnte nichts gegen die Tränen tun, die sich nun aus ihren Augen stahlen und krampfhaft versuchte sie ein Schluchzen zu unterdrücken, jedoch erfolglos. Sie hatte es vermasselt. Hermine hatte keine Ahnung, was sie sich gedacht hatte, was passieren würde, sollte Harry es jemals herausfinden. Ganz, als hätte es diese Option einfach nicht gegeben und für dieses Versäumnis musste sie nun bezahlen, denn vermutlich hatte sie gerade ihre Freundschaft zerstört. Hermine war sich zwar sicher, dass sie und Harry mehr verband als nur Freundschaft, doch diesen Vertrauensbruch würde er ihr nicht verzeihen. Verzweifelt fasste sie ihn am Arm und versuchte, in einem letzten hilflosen Versuch, ihn vom Gehen abzuhalten, doch Harry ließ lediglich ein leises, knurrendes Geräusch verlauten und sie konnte nicht so schnell schauen, wie er ihr seinen Arm entrissen hatte und ohne weitere Worte, war er bereits zur Tür hinaus verschwunden. Wenige Sekunden später hörte sie, wie er die Treppen ins Erdgeschoss hinunter polterte und wie kurz darauf die Haustür laut krachend ins Schloss fiel. Sie war allein und mit ihr, ihr schlechtes Gewissen und der bittere Beigeschmack, den sein Gehen in ihrem ausgetrockneten Mund hinterließ. Harry war gegangen und Hermine war sich sicher, dass sie es erfolgreich geschafft hatte, einfach alles kaputt zu machen. Sie schaffte es gerade noch so, sich auf ihr Bett fallen zu lassen, ehe sich die Schuldgefühle und die Reue an die Oberfläche kämpften und sie in einem Meer aus Tränen ertrank.
***
Draco hatte ein seltsames Gefühl, das ihn seit drei Tagen nun verfolgte und nicht mehr losließ. Er konnte es nicht eindeutig benennen, doch er war sich beinahe sicher, dass bei Granger etwas nicht stimmte. Er wusste nicht, wie er zu dieser Annahme kam, denn es war nicht so, dass sie irgendwie fix ein erneutes Treffen ausgemacht hätten, als sie am Neujahrsmorgen gegangen war und sich von ihm verabschiedet hatte, als er gerade irgendwo im Halbschlaf dahingedämmert war. Trotzdem fand er es komisch, dass er nichts gehört hatte von ihr, obwohl sie sich hatte melden wollen. Er hatte ihr am vergangenen Abend einen Brief geschrieben, den sie bisher nicht beantwortet hatte. Immerhin war dieser nicht ungeöffnet zurückgekommen, in dieser Hinsicht konnte er also einmal aufatmen, doch irgendwie hatte er gedacht, dass nicht wieder eine halbe Ewigkeit vergehen würde, ehe er sie wiedersah.
Die Neujahrsnacht, die sie zum Großteil bei ihm verbracht hatte, nachdem die Dinge so unglaublich schiefgelaufen waren, hatte so ziemlich alles zwischen ihnen verändert. Draco konnte es nicht wirklich greifen und auch nicht zur Gänze erfassen, was genau es war, doch definitiv war etwas anders. Sie waren sich nähergekommen. Näher, als er unter normalen Umständen jemals zugelassen hätte, doch mit Granger waren es nun einmal keine normalen Umstände. Nicht mal annähernd. Sämtliche Gesetze, an die er bisher geglaubt und die er sich selbst auferlegt hatte, waren mit ihrer Anwesenheit schlicht und ergreifend ausgehebelt. Er war es leid, diese Tatsache zu hinterfragen und hatte irgendwann zwischen Silvester und heute beschlossen, dass er es einfach hinnehmen würde. Er war sich zwar nach wie vor sicher, dass er nicht geschaffen war für romantische Beziehungen, doch er war bereit, Granger eine besondere Stellung einzuräumen. Sie war mehr als nur eine Bettgeschichte. Sie war ihm wichtig und sie berührte etwas in ihm. Sie schaffte es, dass er wieder Hoffnung verspürte und dieses Gefühl war so erschreckend, wie berauschend, dass er es nicht mehr missen wollte.
Trotzdem - irgendetwas stimme nicht. Wenn er dieses Mal etwas mit Sicherheit wusste, dann war es, dass sie ihn nicht schon wieder absichtlich ignorierte, wie beim letzten Mal. Sie hatte sich mit den Worten verabschiedet, dass sie sich am nächsten Tag bei ihm melden würde. Granger mochte vieles sein, doch unzuverlässig gehörte keinesfalls zu den Attributen, die er ihr zuschreiben würde. Er beschloss, dass er sie aufsuchen würde. Auch, wenn es bedeutete, dass er einmal mehr in Potters heilige Hallen apparieren musste und es war schon beim letzten Mal eine Probe aufs Exempel gewesen, nicht aus Versehen in Potters Zimmer aufzutauchen. Nicht auszudenken, was los wäre, wenn der wahnsinnig gewordene Weltenretter ihn dabei erwischen würde. Er traute Potter mittlerweile vieles zu und da Draco zwischenzeitlich wieder sehr an seinem Leben hing, wollte er es nicht unbedingt darauf ankommen lassen.
Höchst angespannt konzentrierte er sich daher auf sein Ziel und apparierte in Potters Haus, um nach dem Rechten zu sehen. Oder um nach Granger zu sehen. Eventuell war das auch das Gleiche, ging ihm durch den Kopf.
Er schaffte es tatsächlich, in einem Stück und punktgenau in Grangers Zimmer zu landen und atmete einmal tief durch. Er hatte es zwar schon einmal geschafft, aber er war um ehrlich zu sein kein großer Fan vom Apparieren an sich und er hatte schon immer gewisse Schwierigkeiten damit gehabt, das Ziel auf den Meter genau zu treffen. Nicht, dass er das irgendwem unter die Nase reiben würde oder gar zugeben, aber zusammengefasst konnte man sagen, dass es nicht gerade seine Paradedisziplin war oder gar etwas, was ihm leicht von der Hand ging, wenn er das Ziel nicht wirklich gut vor Augen hatte. Viel länger konnte Draco sich jedoch nicht mit den Gedanken um seine Apparierkünste befassen, denn noch während er sich mit einem leisen Plopp materialisierte, stellte er fest, dass er Recht gehabt hatte. Es war mitten am Tag und Granger hatte die Vorhänge zugezogen und lag selbst unter der Decke in ihrem Bett. Zumindest nahm er an, dass es sich um Granger handeln musste, denn er konnte nicht wirklich viel erkennen in der Dunkelheit des Raums. Vermutlich schlief sie, denn auf sein Auftauchen hin bekam er keinerlei Reaktion. Langsam ging er auf den Deckenberg, unter dem er Granger vermutete, zu und ließ sich daneben auf die Bettkante sinken. Das Einzige, was er sah, waren ein paar Strähnen ihrer Haare, die unter der schweren Bettdecke hervorlugten. Sich innerlich auf alles und doch auf nichts einstellend, fasste er das Plumeau und zog es ein Stück weit nach unten.
„Geh weg", hörte er sie sagen und war ernsthaft überrascht. Er war sich, im Moment zumindest, ausnahmsweise einmal keiner Schuld bewusst und er fing an sich nun wirklich ernsthafte Sorgen um die Gryffindor hier zu machen, die geradezu lethargisch vor ihm lag und ihn nicht einmal ansah.
„Granger, was ist passiert?", wollte er wissen, als er ihre Gestalt mit seinen Augen abscannte. Viel konnte er jedoch nicht erkennen in dem schummrigen Licht hier im Raum, doch das musste er auch gar nicht, denn er hörte es an ihrer Stimme. Sie weinte.
„Harry...", schniefte sie und er hörte ihr ersticktes Schluchzen und zu sagen, dass er mit der Situation überfordert war, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. „... er ist gegangen. Die Nachrichten... er hat sie... Ich... bitte Malfoy, geh weg."
Er dachte überhaupt nicht daran irgendwo hinzugehen. Stattdessen ließ er einen der Vorhänge mit einem Wink seines Zauberstabs auf die Seite schnellen, so dass zumindest einmal ein wenig Tageslicht einfallen konnte. Kaum war dies jedoch der Fall, wünschte er sich, dass er es gelassen hätte. Granger sah übel aus. Ihre Augen sowie ihre Nase waren rot vom Weinen, ihre Lippen ausgetrocknet, geschlafen hatte sie vermutlich schon eine ganze Weile nicht mehr richtig und ihre Haare waren strähnig und hingen ihr matt ins Gesicht. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann hatte sie noch die gleiche Kleidung an, wie vor drei Tagen und insgesamt gab sie ein wirklich erbärmliches Bild ab. Er hatte noch nicht wirklich den Durchblick, was genau passiert war, aber es musste etwas mit Potter zu tun haben.
„Granger...", versuchte er es nun etwas einfühlsamer als zuvor, doch alles, was sie tat, war nach der Decke zu greifen und sie machte Anstalten, sich diese wieder über den Kopf zu ziehen, doch da hatte sie die Rechnung ohne ihn gemacht, denn Draco hielt dagegen und zog ihr die Decke stattdessen komplett vom Körper.
„Ich will allein sein."
Er ignorierte ihr beleidigtes Quengeln und tat etwas, was er selbst nicht so recht hervorgesehen hatte, als er vor nicht einmal fünf Minuten in ihren Räumlichkeiten aufgetaucht war. Er griff nach ihren Händen, zog sie vorsichtig, aber nachdrücklich zuerst in eine sitzende Position und sie schien so überrumpelt von seinem Übergriff, dass er den Überraschungseffekt nutzte und sie auffordernd aus ihrem Bett zog, so dass sie recht unbeholfen auf die Beine kam und ihm geradezu in die Arme stolperte. „Hey, was soll das?"
„Anscheinend muss ich dich erst kidnappen, damit du mir sagst, was los ist, also nehme ich dich jetzt mit zu mir." Seine Worte ließen keinen Raum für Wiederworte und er bezweifelte stark, dass Granger diese geben würde. Sie sah nicht so aus, als würde sie sich groß darum scheren, was aktuell um sie herum passierte. Statt sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, tat sie etwas, das Draco auf ganzer Linie schockierte. Sie krallte sich an seinem Pullover fest und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust, während ihr zierlicher Körper von ihren leisen Schluchzern geschüttelt wurde. Ohne weiter darüber nachzudenken, umfasste er sie mit seinen Armen und war einen Wimpernschlag später auch schon disappariert.
***
Hermine hatte keine Ahnung, wo all die Tränen herkamen. Es wunderte sie wirklich sehr, dass sie überhaupt noch welche hatte. Es war ihr sogar egal, dass Malfoy sie soeben zu sich nach Hause gebracht hatte, denn in ihrem Kopf gab es keinen Platz mehr, um sich über ihn Gedanken zu machen. Sämtliche davon kreisten um Harry und die Tatsache, dass sie ihn vermutlich verloren hatte. Ihr bester Freund war womöglich nicht mehr länger ihr bester Freund und auch, wenn sie zu gerne dem blonden Slytherin die Schuld in die Schuhe schieben würde, wusste sie doch, dass sie ganz alleine für dieses Desaster verantwortlich war.
Ihr Kopf schmerzte vom vielen Weinen und dem wenigen Schlaf, den sie seit diesem Vorfall bekommen hatte und sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Wie viele Tage war es her, dass Harry gegangen war? Einer? Schon Zwei? Ihr Mund fühlte sich an, als hätte jemand die Innenwände mit Schmirgelpapier bearbeitet und sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt etwas gegessen hatte.
„Hörst du mir überhaupt zu?" Ach ja, Malfoy. Da war ja was. Sie drehte ihren Kopf in seine Richtung und nahm zum ersten Mal wahr, wo sie sich befanden. Sie kannte diesen Raum nur zu gut, denn er war mit ihr in sein Badezimmer appariert und es musste wohl an ihr vorbeigegangen sein, dass er sie auf dem Rand der Wanne abgesetzt hatte. Malfoy selbst war soeben dabei, in einem Schränkchen neben dem großen Spiegel über den Waschbecken herumzukramen und hatte wohl soeben das gesuchte gefunden, denn er ließ ein erleichtertes Seufzen verlauten.
„Nein", antwortete Hermine wahrheitsgemäß. Sie hatte ihm nicht zugehört. Es machte auch überhaupt keinen Sinn, sich jetzt mit ihm zu unterhalten. Er konnte ihr am allerwenigsten dabei helfen, die Sache mit Harry wieder gerade zu biegen und beinahe hätte sie über die gnadenlose Ironie, die diese ganze, verworrene Geschichte innehatte, gelacht.
Malfoy schnaubte genervt, während er mit drei großen Schritten auf sie zu kam und ihr zwei kleine Fläschchen vor die Nase zu halten.
„Trink das", forderte er sie auf, woraufhin sie ihn nun zum ersten Mal bewusst ansah, seit er vorher einfach in ihrem Zimmer aufgetaucht war und sie legte skeptisch die Stirn in Falten.
„Was ist das?"
„Ein Schmerztrank und ein Stärkungstrank. Du siehst aus, als könntest du beides gebrauchen." Vorsichtig nahm sie ihm die kleinen Flaschen aus der Hand und wunderte sich darüber, was er als Nächstes Tat. Er griff neben sie und drehte zwei Wasserhähne an der hinteren Seite der Wanne auf und Hermine sah ihn einfach nur fragend an. Das dumpfe Pochen in ihrem Kopf machte es ihr beinahe unmöglich, klar zu denken. „Trinken, Granger!"
Hermine ergab sich ihrem Schicksal und entkorkte erst die eine und dann die andere Flasche, ehe sie beides nacheinander austrank und sich kurz schüttelte, denn gerade Stärkungstränke waren nicht unbedingt für ihren tollen Geschmack bekannt. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Medizin jedoch ihre Wirkung zeigte und Hermine seufzte erleichtert auf, als der Kopfschmerz sich verzog.
„Besser?", erkundigte sich Malfoy bei ihr, der wieder vor ihr stand und zu dem sie nun aufsah.
„Ja, danke." Zu mehr war sie trotzdem nicht fähig. Ihr war nach wie vor elend zumute und sie wollte sich einfach nur weiterhin unter ihrer Decke verkriechen und nie wieder darunter hervorkommen. Sie wusste natürlich, dass das auch keine Lösung für ihre Probleme war, aber es war um so vieles verlockender, als sich der bitteren Realität zu stellen.
„Pass auf, ich hole dir etwas zu trinken und du siehst zu, dass du in die Wanne kommst. Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?"
Hermine stockte kurz, denn sie war gelinde gesagt überfordert, mit seiner Fürsorge und konnte nicht genau zuordnen, was hier eigentlich gerade passierte. „Ich... keine Ahnung, um ehrlich zu sein. An Silvester glaube ich."
„Himmel, Granger, da lässt man dich drei Tage allein und was machst du? Bringst dich beinahe selbst um..." Er wollte noch etwas anfügen, doch da hatte Hermine schon überrascht die Augen aufgerissen.
„Drei Tage?"
Malfoy schüttelte den Kopf, während er mit seinem Zeigefinger auf das Wasser zeigte, das bereits auf ein gutes Level angestiegen war. „Rein da. Jetzt. Ich bin gleich wieder da." Mit diesen Worten verschwand er aus der Tür und ließ sie verwirrt und hauptsächlich verwundert zurück. Es dauerte einen Moment, ehe sie rekonstruiert hatte, was hier gerade passiert war und fassungslos über diese Ereignisse, schüttelte sie nun den Kopf und stand auf. Sie war nicht besonders gut auf den Beinen, trotz des Stärkungstranks. Wenn sie tatsächlich drei Tage in ihrem Bett verbracht hatte, dann war dies kein Wunder. Lediglich um hin und wieder ein paar Schluck Wasser zu trinken und um auf die Toilette zu gehen war sie aufgestanden und ihr Kreislauf zahlte ihr das nun eindeutig heim. Sie ging die paar Schritte zu den Waschbecken und sah in den Spiegel, was sie besser nicht getan hätte, denn sie sah fürchterlich aus. Augenringe, ein verquollenes Gesicht mit roten Flecken, ihre Haare waren eine Katastrophe und sie fühlte sich in den Klamotten, die sie seit Tagen am Leib trug, auch nicht besonders gut. Ja, vermutlich war die Idee eines Bads nicht die dümmste, musste sie zugeben, doch irgendwie war der Gedanke, wieder in Malfoy's Wanne zu steigen, seltsam.
„Muss ich dich erst rein prügeln?", erklang plötzlich die leicht belustigte Stimme von ihm und Hermine erschrak kurz. Wie lange hatte sie hier vor dem Spiegel gestanden und ungläubig ihr Spiegelbild betrachtet? Gott, es war geradezu peinlich, wie er sie hier sah und Hermine wäre am liebsten im Erdboden versunken, doch nun war es schon passiert und ändern konnte sie an ihrem Erscheinungsbild auch nichts auf die Schnelle, also fügte sie sich ihrem Schicksal.
„Ich... was wird das hier, Malfoy?", wollte Hermine nun wissen, während sie abwesend das Glas Wasser entgegennahm, welches er ihr reichte und nahm einen Schluck auf seine auffordernde Geste hin. Ihr fiel auf, dass er noch eine Tasse in der Hand hielt, die er nun am Beckenrand abstellte, ehe er das Wasser abdrehte. Sie hatte nicht mitbekommen, dass die Wanne zwischenzeitlich vollgelaufen war.
„Ich habe mir Sorgen gemacht, Granger. Du bist eindeutig durch den Wind. Ich möchte wissen, was vorgefallen ist. Das wird das hier. Du entspannst dich jetzt eine Runde, kommst etwas runter, trinkst den Tee, den ich dir gemacht habe und danach können wir etwas essen und du erzählst mir, warum du aussiehst wie der Tod auf zwei Beinen." Seine Worte ließen keinerlei Widerspruch zu und Hermine hatte auch nicht vor, ihm zu widersprechen. Es rührte sie, dass er sich offenbar um sie sorgte und obwohl sie nicht wusste, ob es eine gute Idee war, hier bei ihm zu sein und sich auf diese Art und Weise umsorgen zu lassen, nickte sie einfach und war verwundert, dass er daraufhin ein kleines Lächeln in ihre Richtung schickte. „Wenn was ist, ruf mich einfach, ich bin nebenan. Handtücher und Bademantel findest du hier drin." Mit diesen Worten zeigte er kurz auf einen weiteren Schrank, ehe er abermals das Badezimmer verließ und nun war Hermine komplett verwirrt. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er sie allein ließ, aber sie war dankbar darum, das konnte sie nicht leugnen. Kaum war er aus der Türe, begann Hermine damit, sich zu entkleiden und beschloss, dass sie sein Angebot oder was auch immer es war, was er hier tat, einfach dankend annehmen würde und nun versuchen würde, ihre Gedanken zu sortieren.
***
„Hey", sagte sie, während sie einige Zeit später sein Schlafzimmer betrat. Dass Granger einmal nach einem Bad und nur mit Bademantel bekleidet in seinen Räumen auftauchen würde, hätte er auch nicht gedacht, aber er hätte so einiges nicht gedacht, was in der letzten Zeit passiert war.
„Geht's dir besser?", erkundigte er sich, während er sich langsam von seinem Stuhl erhob, auf dem er am Schreibtisch gesessen hatte, um zu lesen. Das Buch war zwar nicht sonderlich interessant, aber es hatte ihn zumindest von der Tatsache ablenken können, dass die nackte Gryffindor im Nebenzimmer in seiner Badewanne saß. Somit hatte es wohl seinen Zweck erfüllt.
Sie nickte, während sie die Tür hinter sich schloss und sich ein wenig betreten im Raum umsah. „Ja, viel besser. Vermutlich hat der Beruhigungstrank im Tee einen nicht unerheblichen Anteil dazu beigetragen."
Draco zog eine Augenbraue in die Höhe. „Das hast du gemerkt?"
„Ja, ich kenne den Geschmack zwischenzeitlich zu gut. Leider...", lächelte sie matt und vermutlich hätte er es sich denken können. Auch er selbst hatte in den letzten Monaten oft genug auf diesen Trank zurückgegriffen, um überhaupt irgendwann einmal zur Ruhe zu kommen. Aber er war dennoch erleichtert, dass sie es ihm offensichtlich nicht übelnahm, dass er ihr den Trank unterjubeln wollte. „Was ist das?", zeigte sie nun überrascht auf den kleinen Stapel Klamotten, den er am Fußende seines Betts deponiert hatte und er schmunzelte.
„Kleidung. Ich schenke dir die Freiheit!", scherzte er, wohl wissend, dass Hauselfen-Witze bei Hermine Granger nicht besonders gut ankamen, doch zu seiner Überraschung ging sie nicht auf seinen geschmacklosen Scherz ein.
„Du hast mir was zum Anziehen aus meinem Zimmer geholt?"
Er konnte nicht genau heraushören, ob sie das nun gut oder schlecht fand, doch Draco ließ sich davon nicht beirren. „Ja, ich dachte, dass du vielleicht etwas anziehen willst. Außerdem würde es vermutlich nicht so gut aussehen, wenn ich dich nackt mit ins Restaurant nehme. Also nicht, dass es mich stören würde, aber... nun ja, das können wir auch noch wann anders ausprobieren. Heute ist vielleicht nicht der richtige Anlass dafür."
„Restaurant?" Grangers Blick wurde immer fassungsloser und ziemlich verwirrt sah sie ihn nun an. Er fand es eigentlich ziemlich niedlich, wie sie anscheinend komplett vom Glauben abfiel im Moment und maßregelte sich gleichzeitig im Stillen, so etwas zu denken.
„Ich könnte auch Blaise flohen und mir seinen Elf ausleihen, damit er dir etwas kocht oder irgendwo hin apparieren und was holen, aber ich glaube, es tut dir ganz gut, mal rauszukommen, darum dachte ich, es wäre eine gute Idee. Aber wenn du nicht willst..." Draco ließ den Satz in der Luft hängen, als er bemerkte, wie Granger sichtlich um Fassung rang. Ihre Augen glitzerten verdächtig und er befand, dass sie definitiv genug geweint hatte in der letzten Zeit. Außerdem wollte er langsam wissen, was genau sie so sehr aus der Bahn geworfen hatte und was mit Potter passiert war. „Auf Granger, zieh dich an, damit wir loskönnen", entschied er darum knapp und wunderte sich einmal mehr darüber, dass sie seiner Aufforderung ohne Gegenwind einfach so nachkam.
A/N: lasst mir doch eure Gedanken zu diesem Kapitel da.
Dass Harry Wind davon bekommt und irgendwie durchdreht, war ja quasi schon überfällig. Ich hoffe ihr seid gespannt, wie Hermine das wieder gerade biegen will. :)
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Seelenheil
RandomDer Krieg ist vorbei, Voldemort besiegt und Harry gefangen in seiner Trauer und den Depressionen, die ihn seit all dem heimsuchen. Hermine sucht Hilfe bei einem ganz bestimmten Slytherin, um Harry wieder vom Leben zu überzeugen, doch was sie stattde...