Smile At The End

Kapitel 1

Shiro 

Seufzend betrachtete sich der Schwarzhaarige im Spiegel und überprüfte nun schon zum dritten Mal, ob sein Binder auch richtig saß. Es war sein erster Tag an der neuen Uni. Er würde neue Leute kennenlernen. Leute, die ihn und seinen Körper nicht kannten. Das waren die besten Voraussetzungen für einen Neustart!

Nachdenklich fuhr er sich mit den Fingern durch die langen, schwarzen Haare. Hätte er sie vielleicht doch lieber abschneiden sollen? Mit kurzen Haaren würde man ihn vermutlich noch deutlicher als Mann wahrnehmen, jedoch mochte er seine langen Haare. Außerdem gab es auch genug Männer, die ihre Haare lang trugen, also warum sollte er es nicht auch tun dürfen?
"Shiro, bist du soweit?" Fragend steckte sein Bruder Kadeon den Kopf ins Badezimmer.

Nach seinem Outing war Kad wirklich der Einzige gewesen, der es gut aufgenommen und ebenso schnell akzeptiert hatte. Kads und Shiros Vater hingegen ... der hatte es überhaupt nicht gut aufgenommen und Shiro aus dem Haus gejagt. Seitdem lebte er bei seinem älteren Halbbruder und dessen Partner Yasu. Wie bereits erwähnt, waren Kad und er lediglich Halbbrüder. Sie hatten den gleichen Vater, aber verschiedene Mütter. Und sowohl seine eigene, als auch Kads Mutter waren beide bereits vor einigen Jahren verstorben.
"So bereit, wie es nur geht ...", murmelte Shiro wenig zuversichtlich und zupfte zum wiederholten Male an seinem Pulli rum. "Und du bist sicher, dass nichts auffällt?"
"Aber sowas von! Mach dir keine Gedanken, Shiro ... man sieht wirklich gar nichts", sprach Kad seinem Bruder aufmunternd zu und lächelte.
"Okay..." Shiro atmete tief durch. "Dann los!"
Shiro schnappte sich seine Tasche und stieg zu seinem Bruder in den weißen Tesla.

Nach nur wenigen Minuten waren sie am Campus der Uni angekommen und Shiro stieg aus dem Wagen. "Soll ich dich später wieder abholen?" Shiro lächelte, immerhin wusste sein Bruder genau, dass es ihm zum jetzigen Zeitpunkt noch extrem unangenehm war, sich in öffentliche Verkehrsmittel zu quetschen. "Das wäre super. Ich schreib dir dann, wenn die Vorlesungen vorbei sind."
"Alles klar. Dann bis später."
"Bye", verabschiedete sich Shiro und sah seinem Bruder noch einem Moment hinterher, als er vom Uni-Gelände fuhr. Als er sich umdrehte, ragte das riesige Uni-Gebäude vor ihm auf. Er nahm einen tiefen Atemzug und betrat das Gebäude. Shiro meldete sich im Sekretariat an und bekam sogleich eine Beschreibung, wie er in den Hörsaal kam, in welchem seine erste Vorlesung stattfinden sollte.

Also echt, die Wegbeschreibung der Sekretärin zum Hörsaal ist völlig für'n Arsch!, dachte sich Shiro verärgert und sah sich suchend um. Völlig verloren stand er auf dem Campus rum und grübelte, in welche Richtung er nun gehen sollte.
War es erst rechts, den Flur runter und dann links oder doch erst an der Mensa vorbei?
Vorlauter Nervosität und Hilflosigkeit begann Shiro mit seinen Haaren zu spielen. Vielleicht hätte er sie doch abschneiden sollen, dann würde er diese doofe Angewohnheit endlich los werden!
"Hey, kann ich dir helfen, Eisprinz?"
Im ersten Moment verstand Shiro nicht, dass er gemeint war und blickte sich verwirrt um. Doch außer ihm und den braunhaarigen, jungen Mann war keiner auf dem Campus zu sehen. "Meinen Sie mich?"
Was für eine dumme Frage, Shiro! Natürlich meint er dich, es steht schließlich außer euch keiner hier rum!, schimpfte ihn die Stimme in seinem Kopf aus.
"Ä-Ähm... wie komme ich denn zu Hörsaal Vier? Es ist mein erster Tag und die Wegbeschreibung der Sekretärin war völlig für die Katz' ... ich hab echt keine Ahnung, wo ich lang muss!" Sein Gegenüber lachte. "Das kannst du laut sagen! Die Sekretärin ist wirklich nicht die hellste Kerze auf der Torte, was echt peinlich ist für eine Protz-Uni, wie diese, nicht wahr?"
"Total", stimmte Shiro lachend zu. "Aber du hast Glück, denn ich muss in den gleichen Hörsaal. Ich kann dich mitnehmen", bot der junge Mann direkt an und fuhr sich mit der Hand über den Nacken, ehe er Shiro eben diese hinhielt. "Mein Name ist übrigens Veit. Und wie heißt du?" Er musterte Shiro mit einem breiten Grinsen.