16.1.1939, Großbritannien, London, Haus der Alexanders
„Töte sie. Töte sie alle. Sie verdienen es nicht, zu leben."
„Ja, Miss."
„Und wenn du das geschafft hast, kannst du schlafen gehen. Doch du wirst es nicht schaffen. Du bist nur eine dumme, verzogene Hure!"
„Ja, Miss."
„Bring mir noch die Zeitung. Angeblich wird Deutschland einen Krieg starten. Zum Glück haben wir damit nichts zu tun. Aber wieso rede ich mit dir darüber? Du bist so dumm, du verstehst ja nichts-„
„Eigentlich verstehe ich ganz gut, was ihr sagt, Mi-„
Man hörte die Ohrfeige im ganzen Haus.
„Wenn du kleine, miese Schlampe MICH NOCH EINMAL UNTERBRICHST, DANN WIRST DU DIE HÖLLE AUF ERDEN ERLEBEN!"
„...Ja, Miss. Verzeihung, Miss."
„Dieses eine Mal sei dir noch vergeben. Aber denk an meine Worte, du Dreckstück!"
„Ja, Miss."
Das ist das letzte Gespräch, an das Crowley sich erinnert. Nun irrt sie allein durch London. Ihre Füße tuen schon weh, da sie den ganzen Tag schon einen Mann verfolgt. Einen Mann, den sie nicht kennt. Sie soll seine ganze Familie töten. Wieso auch immer. Sie fragt nicht. Sie führt nur Befehle aus. Deswegen wird sie von allen gehasst. Vor allem von Miss Alexander. Crowley hatte sich früher oft gefragt, warum Miss Alexander sie nicht möge. Crowley tat doch alles, was sie wollte. Und doch, Miss Alexander hasst sie. Abgrundtief.
Der Mann geht in seine Haus. Crowley beobachtet ihn. Sie ist gut in sowas. Die meisten Leute nehmen sie gar nicht war. Sie ist nur ein zehnjähriges, kleines Mädchen in hübschen, wenn auch ein bisschen dreckigen Kleidern. Keiner würde denken, dass sie schon 20 Leute umgebracht hat. Doch Miss Alexander weiß es. Sie hat Crowley ja nur deswegen adoptiert. Damit sie Leute tötet. Damit sie ihre eigene Soziopatin hat.
„Entschuldigen sie, Mister. Könnten sie mir Unterschutz gewähren? Es regnet und meine Mutter...sie ist...sie war...tot...schluchz!" Ein bisschen Fake-Weinen bringt es immer. Das gefällt Crowley bei jedem Mord am besten. Das Vorgeben, jemand anderes zu sein. Sie liebt es zu schauspielern. Bei jedem Auftrag bekommt sie eine neue Geschichte, ein neues Leben. Ein besseres Leben.
„Aber das ist doch schrecklich. Komm doch herein, Kleine!" Menschen wie dieser hier halten sich für die Größten. Sie denken, dass sie gütig und barmherzig sind. Aber in Wirklichkeit sind sie nur große, lügende Dreckhaufen.
Sagt zumindestens Miss Alexander.
„Und, wie lautet dein Name?" Noch so eine Frage. Er wird sterben, also beantworte sie richtig, sagt Miss Alexander immer.
„Crowley, Sir"
„Ein hübscher Name. Komm, setz dich zu uns an den Tisch."
"Danke, Sir."
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Das Blut tropft auf den Teppichboden. Es ist das Blut zweier Erwachsenen, dreier Kinder und einer Großmutter. Crowley steht auf dem Esstisch, das Messer fest in der Hand. Sie verspürt weder den Drang, sich zu übergeben noch zu zittern. Für Crowley ist es nur ein Auftrag, der sie am Schlafen hindert. Sie klettert vom Tisch runter und betrachtet ihr Werk. Die Opfer sitzen immer noch in ihren Stühlen, allerdings sind sie alle zusammengesackt. Kein Wunder, sie hat ihnen gerade ihre Kehlen aufgeschlitzt. Manche haben versucht, zu fliehen, aber Crowley ist schneller gewesen. Sie hat sie alle an ihren Platz gesetzt. So sollte eine Familie sterben. Am Tisch, beim gemeinsamen Abendessen.
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„Miss, ich habe sie erledigt. Kann ich nun schlafen gehen?"
„Du warst zu langsam. Aber ich mache eine Ausnahme. Ich werde dich in 8 Stunden wecken."
„Ja, Miss. Nacht, Miss."
Crowley lässt sich auf ihr altes, bruchgefährdetes Bett fallen. Sie versucht, sofort einzuschlafen, denn sie weiß, dass sie jede einzelne Sekunde brauchen wird.
Crowley hasst Miss Alexander. Genauso, wie Miss Alexander Crowley hasst.
Eines Tages wird Crowley Miss Alexander umbringen.
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Memoiren eines Killers
Mystery / ThrillerCrowley hasst Miss Alexander. Genauso, wie Miss Alexander Crowley hasst. Eines Tages wird Crowley Miss Alexander umbringen.