56. Kapitel- Konflikte

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Entgegen all unserer Erwartungen kamen Lian und ich unversehrt beim Schwarzen Orden an. Auf dem Rückweg begegneten wir niemanden und verfolgt schien uns auch niemand zu haben. Wir waren weiterhin recht wacklig unterwegs gewesen, aber wir hatten uns kein einziges Mal hingelegt. Angesichts meiner sehr bescheidenen Fahrkünste, hatten wir wohl doppelt Glück gehabt, dass uns niemand gefolgt war. Dieses Mal wären wir definitiv einfacher einzuholen gewesen. Falls sich überhaupt jemand getraut hätte Lian zu verfolgen.

Wir hatten uns für den Rest des Tages vom Unterricht abgemeldet und ich war davon ausgegangen, dass wir die übrigen Nachmittagsstunden mit entspannten Dingen verbringen würden. In den letzten Tagen hatte es genügend aufreibende Ereignisse gegeben und ich fand wir hatten uns ein paar ruhige Stunden wirklich verdient. Doch wie so oft kam etwas dazwischen. Ich hatte die letzten Nachrichten und Anrufe meiner Mutter ignoriert. Ich hatte dafür einfach keine Zeit gefunden und ich hatte außerdem keine Nerven gehabt, um mich damit auseinanderzusetzen.

Aber es fiel mir zunehmend schwer ihre unzähligen Nachrichten und Anrufe zu ignorieren. Ich wusste auch, dass ihre Laune immer schlimmer werden würde, je länger ich sie auf Abstand hielt. Also ging ich dieses Mal dran. Das Gespräch, was sich daraus ergab, verlief wie so oft frustrierend. Sie sagte mir zum wirklich hundertsten Mal, dass sie sich Sorgen machte und ich mich melden müsse und ich versuchte die Lüge aufrecht zu erhalten, dass ich immer noch beim Weißen Orden war und soweit alles gut sei. Das Gespräch zog sich unendlich in die Länge und es spitzte sich mehr und mehr zu.

Langsam war ich mir bei ihren ganzen Drohungen und Anordnungen nicht einmal mehr sicher, ob es wirklich noch um mein Wohlbefinden ging oder ob das zwischen uns mehr so etwas wie ein Machtkampf geworden war. Ich sollte das tun was sie sagte, weil sie meine Mutter war. Und das nervte mich. Es nervte mich immer mehr. Wir stritten uns und wir schrieen uns an. Sie machte mir Vorwürfe und ich ihr. Als ich ihr dann jedoch an den Kopf warf, dass es ihr schon lange nicht mehr um mein Wohlergehen ging, sondern sie mich einfach nur noch kontrollieren wollte, eskalierte das Ganze. Sie hörte auf zu schreien, wurde ganz ruhig und forderte, dass ich mich ab so fort an ihre Regeln halten müsse, sonst würden ernste Konsequenzen auf mich zu kommen.

Ich wusste eigentlich, dass es wirklich ernst wurde, wenn meine Mutter aufhörte zu schreien. Doch dieses Mal konnte ich mich nicht zusammenreißen. Jedenfalls so lange nicht, bis sie mir drohte vorbeizukommen und selbst nachzusehen. Ich hatte keine Sekunde daran gezweifelt, dass sie ihre Drohung nicht umsetzen würde. Also war ich verstummt und hatte ab diesem Moment nur noch allem zugestimmt, was sie von mir verlangte. Unter keinen Umständen wollte ich, dass meine Mutter nach Richland Springs kam. Ich wollte sie nicht sehen, ich wollte nicht mit ihr reden und ich wollte mich von ihr nicht auch noch persönlich kontrollieren lassen.

Wenn meine Mutter wirklich herkommen würde, dann würden all meine Lügen auffliegen und diese Vorstellung machte mich zunehmend unruhig. Also riss ich mich zusammen und hielt die aufsteigende Wut in mir. Bis ich meine Mutter endlich loswurde, mit dem Versprechen mich nun jeden Abend bei ihr melden zu müssen. Falls ich es nicht täte, würde sie herkommen und sich persönlich von der Lage überzeugen. Und dieses Mal gab sie mir keine weitere Chance mehr. Wenn ich einen Abend nicht erreichbar wäre, würde sie ihre Sachen packen und herkommen, egal wie oft ich im Anschluss beteuern würde, dass alles gut sei.

Als ich aufgelegt hatte, überkam mich die Wut, die ich bei meiner Mutter nicht hatte rauslassen können. Ich öffnete ruckartig die Tür von Lians Balkon und trat zu ihm ins Zimmer.

„Ist alles okay?", fragte er ruhig und sah von seinen Notizen auf.

„Natürlich, alles bestens", entgegnete ich Augen rollend und ließ mich aufs Bett fallen. Sie machte mich jetzt schon wahnsinnig. Ich konnte mir überhaupt nicht mehr vorstellen mit ihr unter einem Dach zu wohnen.

Magie oder Schicksal? (3.Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt