Wincent
Ich laufe etwas zu schnell die Treppen nach oben.
„Was los?", frage ich ein wenig außer Atem.
Fritz steht vor Mats und schaut ihn einfach nur an. Ich muss ein wenig lachen.
„Versucht er, dich aufzufressen?", grinse ich.
„Nein. Ich glaube eher, er lässt mich nur rein, wenn er etwas zu essen bekommt", erwidert Mats.
„Na, da kann ich aushelfen." Ich laufe wieder nach unten und hole einige Leckerchen für Fritz.
„Hier", sage ich, wieder oben angekommen, und reiche sie an Mats weiter.
„Danke." Er wirft Fritz eins vor die Pfoten und tatsächlich lässt er Mats durch.
„Einlasskontrolle, ja?", sage ich an Fritz gewandt, der mich daraufhin abwartend anschaut. „Wir üben noch ein wenig und dann kannst du auf meinen Konzerten anfangen", verspreche ich ihm. „Musst dann aber backstage bleiben danach. Sonst wird es zu laut für dich."
Fritz schien mir aufmerksam zuzuhören und bellte dann fröhlich. Vermutlich hatte er absolut nicht verstanden, was ich erzählt hatte, aber egal.
„Chillen auf der Couch? Hab auch Snacks", schlug ich ihm vor und nach einem kurzen Blick auf Anna folgte er mir nach unten.Lara
Anna ignorierte meine Nachrichten, was sie bisher noch nie getan hatte. Es tat mir weh, dass sie den Kontakt mied. Ich musste irgendwie beweisen, dass ich die Sachen nicht veröffentlicht hatte. Doch wie?
Kurz überlegte ich, Wincent oder Mats nach Anna zu fragen, doch die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Nachrichten lasen und antworten, war sehr gering. Also versuchte ich es noch einmal bei meiner besten Freundin, doch die Nachricht wurde nicht einmal zugestellt. Entweder hatte sie ihr Handy aus oder mich blockiert. Grübelnd saß ich auf Arbeit und versuchte irgendwie Licht ins Dunkel zu bringen.
Einige Kunden lenkten mich ab und erst mittags kam ich dazu, weiter über mein Problem nachzudenken. Ich hielt es nicht mehr aus und öffnete Instagram. Mats oder Wincent?
Ich entschied mich für den hoffentlich einfacheren Weg von beiden und begann zu tippen.
»Hey Mats, Lara hier. Annas beste Freundin, falls du dich erinnerst. Sag mal, weißt du, wie es ihr geht? Sie antwortet mir nicht mehr und ich mache mir Sorgen. Sorry, dass ich dich da mit reinziehen muss, aber du bist meine einzige Chance.«
Bevor mich mein Mut verlassen konnte, schickte ich die Nachricht ab und packte das Handy weg. Zeit für Mittagessen, entschied ich, und schloss den Laden ab. Ich hatte Lust auf etwas Einfaches und so fuhr ich mit der Bahn zwei Stationen zu meinem Lieblingsitaliener und bestellte mir eine Portion Nudeln zum Mitnehmen. Während ich wartete, aktualisierte ich alle zehn Sekunden Instagram. Allerdings kam keine Nachricht von Mats. Etwas enttäuscht packte ich das Handy weg und fuhr mit meinen Nudeln in den Laden zurück. Nach der Mittagspause hielten mich die Kunden davon ab, mir weiter den Kopf zu zerbrechen.
Endlich Feierabend, dachte ich zufrieden und komplett fertig. Ich schloss alles sorgfältig ab und machte mich dann auf den Heimweg. Im Auto sitzend wollte ich Spotify verbinden, doch eine Benachrichtigung von Instagram ließ mich das vergessen.
‚Mats hat dir eine Nachricht geschickt' leuchtete mir auf meinem Sperrbildschirm entgegen.Mats
„Hey, geht's wieder?", fragte ich, nachdem Anna eine ganze Weile einfach nur geweint hatte.
Ein wenig schlecht fühlte ich mich schon, dass sie nicht in den Armen ihres Freundes lag, aber Anna wollte nicht, dass Wincent kam. Also saß ich einfach da und war komplett überfordert.
„Ja. Danke." Sie wischte sich zum mindestens hundertsten Mal die Tränen weg.
„Willst du reden?", fragte ich vorsichtig und reichte ihr ein neues Taschentuch.
Sie zögerte.
„Es bleibt auch alles unter uns, wenn du willst."
„Das geht nicht", widersprach sie. „Wince ist dein Chef. Du kannst doch nicht mit der Freundin deines Chefs ein Geheimnis haben."
„Es beeinträchtigt doch meine Arbeit nicht", versuchte ich sie vom Gegenteil zu überzeugen. „Abgesehen davon sind wir auch Freunde. Und er hat mich um Hilfe gebeten. Also alles cool."
„Okay." Sie lächelte mich kurz dankbar an. „Aber ich weiß nicht, wie ich es Wince erklären soll."
„Erzähl einfach alles, was dich so quält. Eine Lösung findet sich immer. Und Wincent versteht mehr als man denkt."
„Ich weiß", gab sie zu.
„Also, was ist los?"
Sie zögerte noch kurz, aber fing dann vorsichtig an zu erzählen.
„Weißt du, mein ganzes Leben lang habe ich schon gelernt, nicht viel Wert auf die Meinung anderer zu legen. Doch so einfach ist das gar nicht. Immer Außenseiterin zu sein, hat mich geprägt. Ich wollte so nicht sein. Doch mich anpassen funktionierte auch nicht. Genauer gesagt, hätte es mich fast umgebracht."
Ich musste schlucken. Anna war so ein toller Mensch, aber ihre Vergangenheit schien sehr belastend zu sein. Das war doch unfair.
„Ich hatte einige Jahre mit einer krassen Magersucht zu kämpfen", gestand Anna mir. „Wincent weiß auch davon, aber ihr zwei seid die einzigen. Also abgesehen von meinem Vater und meinem ehemaligen Kindermädchen."
„Es bleibt unter uns", versprach ich. Das erklärte auf jeden Fall Wincents Sorge, weil sie nur im Zimmer saß.
„Naja und da habe ich gelernt, dass ich wirklich nicht auf andere hören sollte. Dennoch blieb dieses Gefühl, nirgendwo dazuzugehören. Klar, ich hatte Lara, aber dann hörte es auf. Es war okay. Ich lernte, damit zu leben. Irgendwo verstand ich es ja auch. Meine Blindheit machte es mir nie leicht, es ist eben nicht normal, nichts zu sehen. Das hab ich kapiert. Ich gehörte nie so wirklich dazu, aber irgendwie hat es sich jetzt geändert. Ich hab nicht nur Lara, sondern auch Wincent und dich."
„Und absehbar noch mehr Menschen", füge ich hinzu. „Wir sind eine große Familie bei uns im Team. Und du gehörst dazu."
„Danke", erwiderte sie.
„Das ist aber nicht das Problem, oder?", hakte ich nach.
„Nein. Ich weiß einfach nur nicht, wie ich damit umgehen soll, dass sich so viele plötzlich für mein Leben interessieren."
„Das verstehe ich. Ich brauchte auch eine ganze Weile, um damit klarzukommen, dass mich plötzlich ganz viele Leute erkannten", verriet ich ihr. „Aber bei euch ist es ja noch lange hin. Bisher wissen sie nur, dass es wieder eine Frau in seinem Leben gibt."
„Aber ohne dass er das gesagt hat", erwiderte sie traurig.
„Ja, leider. So sehr ich Wincents Fans dafür schätze, dass sie einfach auf jedes kleine Rätsel achten, dass Wincent absichtlich oder unabsichtlich an die Öffentlichkeit trägt. Doch was sein Privatleben angeht, wahren leider einige die Grenze nicht."
„Wie schafft er es, damit umzugehen? Mich hat es schon fertig gemacht, als wir gesehen wurden. Die Fotos und das jetzt bringen mich zum Verzweifeln. Ich... bin absolut überfordert. Hilflos. Keine Ahnung."
„Ich weiß nicht, wie Wincent damit umgehen kann. Das müsstest du ihn fragen. Was ich aber weiß ist, dass du eine wunderbare Frau bist. Du hast es verdient, geliebt zu werden, und Wincent tut das. Und so unter uns: Du bist das beste, was ihm gerade passieren konnte. Wirklich."
„Woher willst du das wissen?"
„Ich kenne ihn schon eine Weile. Und er wurde deutlich glücklicher, nachdem ihr euch endlich getroffen hattet."
Anna wollte gerade etwas erwidern, als ich noch etwas ergänzte.
„Außerdem bist du du. Du bist immer 100% Anna. Gut, Fritz ist auch ein Pluspunkt, aber Wince weiß, dass er immer dein Hund sein wird. Und vor allem nimmst du Wince, wie er ist. Bekannt, ein Chaot, verplant und ein wenig verrückt."
„Er ist ein guter Mensch und hat jede Liebe dieser Welt verdient."
„Du auch. Vergiss das nicht."
„Danke, Mats. Für alles."
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Bin ich für sie blind?
Fanfiction„Sag mir, bin ich für sie blind?" Wincent ist verwirrt. Seit seinem Konzert in Berlin, wo Mats Anna kennengelernt hat, scheint sie ihn regelrecht bei seinen Auftritten zu verfolgen. Das zumindest erfährt er von Mats, denn er selbst bemerkt es gar ni...