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Annalena

Ich weiß nicht, wieso ich Mats das alles erzählen konnte, aber es tat gut. Zumindest ein bisschen.
„Bedrückt dich noch etwas?", fragte er.
Ich dachte kurz nach, aber schließlich erzählte ich ihm auch davon. Er wusste eh quasi alles.
„Lara. Also, ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass sie das war. Aber andererseits wusste niemand sonst Bescheid. Ich vermisse einfach meine beste Freundin", gab ich zu.
„Und, wenn du nochmal mit ihr redest? Ich meine, vielleicht weiß sie, wer es war. Möglicherweise hat sie ja mit jemandem drüber gesprochen."
Mats Idee klang gar nicht so schlecht, doch ich war mir unsicher, ob Lara noch mit mir sprechen wollte. Immerhin hatte ich sie einfach ignoriert. Gut, das hatte ich mit allen gemacht, da ich mein Handy einfach ausgeschaltet habe, aber nur Lara bekam vorher so eine Sprachnachricht.
„Anna, versuch es einfach. Und red bitte auch mit Wince. Er macht sich Sorgen um dich."
„Ich versuche es", erwiderte ich leise.
„Soll ich ihn holen?"
„Das wäre lieb."
„Darf ich dich nochmal in den Arm nehmen?"
„Unbedingt. Danke, Mats. Für alles."
Ich ließ mich von ihm in die Arme ziehen und es tat einfach nur gut. Er schien mich zu verstehen und ich wusste, er wollte mir helfen.
Die Zeit, in der ich alleine im Zimmer saß und auf meinen Freund wartete, fühlte sich ewig an. Doch jetzt hatte ich einmal den Mut zu reden, da sollte ich ihm die Sache auch erklären. Mats kannte Wincent ziemlich gut und ich vertraute seinen Aussagen.
„Hey", sagte Wincent leise und kam ins Zimmer.
„Wo hast du Fritz gelassen?", fragte ich.
„Der ist bei Mats. Hoffentlich lässt dein Hund ihn in Ruhe essen." Ich hörte sein Grinsen.
„Mats schafft das schon."
„Glaub ich auch." Es entstand eine kurze Pause.
„Kannst du herkommen?", fragte ich leise und deutete neben mich aufs Bett.
Sofort kam Wincent zu mir und ich tastete nach seiner Hand. Anders schaffte ich es nicht.
„Was ist los?", wollte Wincent sanft wissen und so erzählte ich ihm alles, was ich Mats auch erzählt hatte.
„Ach Maus." Wincent zog mich fest in seine Arme und wieder weinte ich einfach.
Ich konnte das schon gar nicht mehr kontrollieren. Es kam einfach so.
„Shh... Ich bin hier. Alles wird gut. Versprochen", murmelte Wincent und hielt mich einfach nur fest.
„Danke", sagte ich leise, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte.
„Sollen wir mal nach Mats sehen? Ich hätte nämlich langsam auch Hunger", merkte Wincent an.
„Okay." Zwischen uns war ja eigentlich alles geklärt. Auch wenn ich bezüglich Lara noch immer keinen Schritt weiter war.
Ich machte mich noch kurz frisch und zog mich um. Wincent wartete auf mich und dann gingen wir nach unten.
„Na, ihr zwei. Alles klar?", fragte Mats, als wir ins Wohnzimmer kamen.
„Ja", antworteten Wincent und ich gleichzeitig.
Mats lachte kurz. „Okay, ich merk schon. Das ist sehr gut."
„Ich hol mal etwas zu essen. Willst du auch etwas, Maus? Nur ein bisschen." Ich spürte Wincents Blick auf mir.
„Okay", gab ich nach. Eigentlich hatte er ja Recht, aber mir fiel das Essen einfach sau schwer, wenn es mir nicht gut ging.
Ich setzte mich auf die Couch und Fritz kam sofort zu mir. Ich streichelte über seinen Kopf und sagte ihm, dass alles wieder gut war. Denn das war es für den Moment auch. Um Lara würde ich mich später kümmern. Jetzt musste ich erst einmal Kraft tanken.
„Hier." Wincent setzte sich neben mich und reichte mir eine Schüssel mit Löffel. „Hab dir ein bisschen Fruchtjoghurt mit Müsli gemacht."
„Sind das etwas Schokostreusel?", fragte Mats.
„Pssst", erwiderte Wincent und ich musste lächeln.
Er war echt der beste Freund, den ich mir wünschen konnte. „Danke, Wince."
„Gerne."

Wincent

Immer wieder sah ich zu Anna, doch sie aß tapfer einige Löffel, was mich etwas aufatmen ließ.
„Was ist so der Plan für den Rest des Tages?", fragte Mats irgendwann.
„Schlafen?", schlug ich vor. „Kannst ja hier pennen. Wenn ich morgen zur Reha muss, wäre Anna sonst alleine."
„Wenn das für Anna okay ist, machen wir das so", erwiderte Mats und wir sahen beide zu meiner Freundin.
„Klar, kannst du hier bleiben", sagte sie und damit war es entschieden.
Mats machte sich zuerst im Bad fertig, während ich Annas Rest aß und dann das Geschirr wegräumte. Ich kümmerte mich fix ums Gästezimmer, während Anna schon nach oben ging. Sie wirkte noch immer etwas angespannt, aber ich hoffte, sie würde im Schlaf etwas runterkommen. War wohl etwas zu viel.
Ich wünschte Mats eine erholsame Nacht und ging dann mit Fritz nach oben. Anna hatte sich schon unter die Decke gekuschelt und ich beeilte mich im Bad. Fix und fertig legte ich mich ins Bett und Anna kuschelte sich an meine Brust.
Obwohl ich hundemüde war, brauchte ich lange zum Einschlafen .Meine Gedanken hielten mich wach. Zumindest solange, bis ich es schaffte, nur noch an Schäfchen zu denken. Eins, zwei, drei, vier, fünf...
Irgendwann, ich glaub, es waren über hundert Schäfchen, fielen mir dann doch die Augen dazu.
Geweckt wurde ich einige Stunden später durch eine raue Hundezunge. Ich öffnete langsam meine Augen und zuckte zusammen, als ich nicht nur in Fritz Gesicht sah.
„Guten Morgen. Sorry, wollte dich nicht erschrecken", flüsterte Mats.
„Guten Morgen", erwiderte ich genauso leise. „Ich bin jetzt auf jeden Fall wach."
„Perfekt. Ich wollte fragen, ob wir zusammen frühstücken, bevor du los musst."
„Ist es schon so spät?"
„Ja."
„Okay, ich komme."
„Perfekt."
Zwanzig Minuten später saß ich mit meiner Tasse Kaffee und einem Müsli vor der Nase mit Mats am Küchentisch. Wir redeten nicht viel, aber das war okay. Wir planten noch grob den Tag, bevor ich Zähne putzen ging und mich dann auf den Weg zum Sport machte.
Nach meinem Termin zeigte sich der Verkehr wieder einmal von seiner besten Seite. Ich fluchte vor mich hin, während ich mich durch die Straßen quälte. Mats hatte mir zwischendurch ein Update geschickt, dass es ihnen gut ging. Dennoch wollte ich einfach nur schnell nach Hause.
Als der Verkehr wieder stockte, wählte ich genervt Mats Nummer. Es klingelte und nach dem zweiten Tuten nahm er ab.
„Was gibt's?", fragte er.
„Bin auf dem Rückweg, allerdings mit Stau und allem. Kannst du vielleicht mit Anna etwas zum Essen besorgen?"
„Sollte kein Problem sein. Fritz will bestimmt auch nochmal raus."
„Danke, Mats."
„Bis später, Wince."
„Bis dann."
Irgendwann hatte ich es tatsächlich nach Hause geschafft, auch wenn meine Nerven quasi nicht mehr existent waren. Beim gemeinsamen Essen mit Anna und Mats stieg meine Laune allerdings wieder.
„Achso. Ähm...", ergriff Mats irgendwann das Wort.
„Ja?" Ich sah ihn fragend an.
„Habt ihr nach dem Essen Zeit für ein Videotelefonat?"
Ich sah ihn verwirrt an. „Hab ich was verpeilt?"
„Nein. Aber es gibt jemanden, der dringend mit euch reden möchte."

Bin ich für sie blind? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt