"Du meintest, du wolltest mir noch was sagen?" Erwartungsvoll blickte Emma zu André hoch, in dessen Armen sie eingekuschelt auf dem relativ kleinen Sofa saß. Sie konnte es immer noch nicht ganz fassen, dass dies alles wirklich geschah. Seit einem halben Jahr stand sie jetzt schon auf ihren besten Freund, hatte dies aber nie gesagt aus Angst, die Freundschaft zu gefärden. Damals waren sie zusammen auf einer Gartenparty ihrer gemeinsamer Freundin Sarah gewesen, hatten getrunken, gelacht und später in der Nacht waren sie nebeneinander in ihren Schlafsäcken eingeschlafen. Beziehungsweise André schien geschlafen zu haben. Emma allerdings hatte die ganze Nacht wach gelegen, da es unglaublich kalt gewesen war und sie eine seltsame innere Unruhe befallen hatte. Der Schlaf hatte einfach nicht kommen wollen. Als sie dann doch grade anfing schläfrig zu werden, hatte sich André plötzlich aufgerichtet und ihr geradewegs in die Augen geschaut, die sie wegen für sie unerfindlichen Gründen ganz schnell schloss. Irgendwie hatte sie ein merkwürdiges Gefühl im Magenbereich befallen. Dann hatte sie gespürt, wie André ganz sanft mit zwei Fingern über ihre Wange gestrichen hatte. Emma schien in eine Schockstarre verfallen zu sein, denn sie war nicht fähig gewesen jegliche Reaktion zu zeigen. Nur dass ihr Herz nach 2 Minuten angefangen hatte wie ein wildgewordener Flummi zu schlagen. Und dies tat es die ganze restliche Nacht.
Diese Nacht hatte sie sich in André verliebt. Ihr war es rätselhaft, wieso gerade jene Aktion diese Gefühle in ihr geweckt hatten. Vielleicht weil sie bisher in ihrem Leben niemals eine derartig zärtliche Geste von einem Mann erhalten hatte. Trotz ihrer 17 Jahren war sie vollkommen unerfahren, hatte noch nicht mal einen Jungen geküsst.
Und nun saß sie hier, in Andrés kleinen Studentenzimmer und schaute mit ihm zusammen How I met your mother. Es war das erste Mal, dass sie alleine bei einem Jungen zu Hause war. Und dann auch noch bei dem Jungen, den sie mochte. Sie hatten sich zu einem Filmeabend verabredet und nach einigen Folgen der besagten Serie hatte André angefangen, sie in den Arm zu nehmen und zärtlich zu streicheln, was bei ihr beinahe zu einem Herzkollaps führte.
"Was meinst du? " André blickte sie mit seinen großen braunen Hundeaugen an. Sie sah, dass er ganz genau wusste wovon sie redete.
" Naja, als wir telefoniert haben, hattest du was von einem speziellen Jemand für dich gesprochen. Auf meine Frage, wer dies sei hast du nur gesagt, dass du mir es am Freitag erzählen würdest. Nun... Es ist Freitag. "
In Wahrheit war sich Emma sicher, dass sie dieser spezielle Jemand war. Wieso sonst hätte er so ein Geheimnis draus machen sollen? Sie war schon total aufgeregt ihr erstes Liebesgeständnis zu kriegen. In ihrem Kopf lief schon der ganze Film ab, mit romantischer Hintergrundmusik unterlegt. Sie würde sagen "Oh André ich dich doch auch! Schon seit Ewigkeiten!" und sie würden sich küssen, für immer zusammenkommen, Spaziergänge im Mondschein machen, heiraten, drei Kinder kriegen, zwei Mädchen und einen Jungen und zusammen alt werden. Sie sah alles so genau vor sich...
"Ach so, hm ja das... Hatte gehofft du hättest es vergessen... "
Hm, das war nicht der romantischste Start, den man sich hätte vorstellen können. Aber sie verzieh ihm das. Jungs waren ja wie allerseits wusste ab und zu etwas ungeschickt in Sachen Gefühle ausdrücken.
" Aber gut, ich habe es dir ja versprochen. Also... Wer könnte das wohl sein? "
Hyperaktivität des Herzens, im Bauch war wohl ein Schmetterlingszoo ausgebrochen und sie überkam Hitzewellen. Sie! Sie!!
"... Eine Person die wir beide kennen. Die wir beide mögen. Denk nach!"
Merkwürdige Art für einen Jungen so ein Liebesgeständnis zu bringen... Emmas Hochstimmung ebbte minimal ab. Irgendetwas stimmte da nicht, dass passte alles nicht so in ihr vorgefertigtes Bild.
" Okay, du scheinst nicht drauf zu kommen. Es ist... Sarah. "
Sie fiel. In ein tiefes schwarzes Loch des Entsetzens und Ungläubigkeit. Wo vorher Wärme war befiehl sie eine drückende Kälte in der Brust. Was hatte er gesagt? Das konnte nicht sein.
" Was? " Verdammt, ihre Stimme zitterte." Aber wenn das so ist, wieso machst du dann so viel mit mir? Wieso hast du meine verdammte Wange gestreichelt? Wieso hälst du mich jetzt grade in den Armen?! Verdammt noch mal, ich steh doch auf dich? Wie kannst du so herzlos sein? " Tränen traten in ihre Augen. Wütend rieb sie sie weg. Jetzt wollte sie erst recht keine Schwäche zeigen. Aber sie war so wütend und enttäuscht. Es hätte alles so perfekt sein können...
" Ja... Ich hab mir das irgendwie schon gedacht... ".
Du. Verdammtes. Arschloch. Emma konnte es nicht fassen. So ging man nicht mit Mädchen um, erst recht nicht, wenn dieses Mädchen angeblich die beste Freundin ist.
André legte sich neben sie und streichelte ihre Wange.
" Aber hey... Wir könnten es versuchen. "
Was hatte er gesagt?
" Was soll das heißen? Du liebst Sarah, was willst du dann mit mir? "
" Wenn wir zusammen sind, gibt es keine andere für mich. Nur dich! "
Er schaute ihr tief in die Augen; kam ihr näher. Das war das erste Mal, dass sie die kleine Stimme in ihrem Kopf hörte: Pass auf, er meint es doch nicht ernst! Sei kein naiver Dummkopf!
Und es war das erste Mal, dass sie diese ignorierte. Der Gedanke" gleich-werde-ich-meinen-ersten-Kuss-haben" war alles was ihren Kopf füllte. Nun berührten sich ihre Nasenspitzen. Ogott, gleich war es wirklich soweit, gleich würde sie seine Lippen auf ihren spüren und es würde ein disneyreifer Kuss werden... Da senkten sich sein Lippen auf ihren Mund. Und es war... Feucht. Emma wusste nicht wirklich, was sie tun sollte. Die vorherigen Schmetterlinge waren verschwunden und sie wurde sich der drückenden Stille um sich herum gewahr, die nur durch die gelegentlichen Schmatzer, die André von sich gab unterbrochen wurde.
" Oh... So fühlt sich also küssen an... Irgendwie habe ich mir das alles schöner vorgestellt. ", war das einzige was sie dachte. Die tiefe Leere, die sie vorhin befangen hatte war nicht verschwunden und sie fühlte sich elend.
" Versuch mal, ein bisschen zu saugen! ", flüsterte André und steckte ihr im selben Augenblicke die Zunge in den Hals. Das fand sie nun echt nicht lecker. Außerdem gab er ihr das Gefühl, dass sie eine schlechte Küsserin sei und das verletzte ihren Stolz gehörig.
Sie wollte grade etwas erwiedern, da fing er an, sich ihrem Hals zu widmen. Und wieso auch immer überfiehl sie eine Gänsehaut und ihr wurde ganz schummrig. Sie öffnete den Mund und gegen ihren Willen musste sie keuchen.
"Ja... Das konnte ich schon immer gut", sagte er mit einem selbstzufriedenen grinsen.
Das ging ihr dann aber doch zu weit. Er musste ja sein Ego nicht ins unendliche steigern. Sie schob ihn mit sanfter Gewalt weg und meinte, dass sie jetzt müde sei und dringend schlafen müsse. André murrte unbefriedigt, respektierte aber ihren Wunsch und legte sich mit ihr zusammen ins Bett. Habe ich jetzt eigentlich einen Freund? Fragte sich Emma. So ganz konnte sie es nicht glauben, aber langsam kam die Hoffnung zurück. Für zwei ganze Minuten.
"Uh... Ich hatte schon lange nicht mehr so einen Steifen... Würdest du mir eventuell Abhilfe leisten? " Er zog sich langsam die Hose aus.
" Hallo?! Ich hatte grade mal meinen ersten Kuss, lass bloss dieses Ding da stecken! " Emma war entsetzt. Was sollte das denn jetzt? War das wirklich ihr bester Freund, der hier halb nackt neben ihr lag und solche widerlichen Dinge von ihr verlangte??
" Ich glaube das wird doch nichts.", sagte er mit gleichgültiger Stimme und machte seinen Hosenschlitz wieder zu. "Ich würde dich doch nur verletzen."
"Den Satz kannst du dir jetzt auch sonst wohin stecken, du mieses, notgeiles Schwein! " Emma hatte noch nie so schnell ihre Sachen zusammengepackt gehabt und aus einem Haus in die kühle Nacht gestürmt.
Das Gefühlschaos schien ihren ganzen Körper auszufüllen. Und das einzige was sie hörte, war wieder diese kleine Stimme in ihren Kopf: " Ich habe es dir doch gesagt! "
Erst nach einigen Minuten, die sie durch die ausgestorbene Stadt gelaufen war, bildeten sich Tränen in ihren Augen und fingen an über ihre Wangen zu laufen. An einem Park angekommen blieb sie stehen, setzte sich auf eine Bank, vergrub das Gesicht in den Händen und fing bitterlich an zu weinen.
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Aus Fehlern lernt man... Nicht.
Teen FictionEs ist immer das gleiche. Egal wie sehr man sich darauf vorbereitet. Es passiert am Ende doch und du kannst nichts dagegen tun. Immer die selben Fehler. Und der selbe Schmerz. Er meinte er wäre anders. Er wolle dir die Welt zu Füßen legen. Emma fing...