Kapitel 3:

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Seit zwei Tagen wiegte eine düstere Stimmung über Tokio. Ungünstiger Weise wurde diese heute noch dazu mit Kälte und Regen ergänzt und ruinierte damit beinahe die Hochzeit meiner Schwester, die sich entschlossen hatte - da viele der Gäste in Tokio wohnten - in einem Vorort davon zu feiern.
Koko allerdings war im Gegensatz zu mir immer positiv eingestellt und verlegte die Party vom großen Schrebergarten (den wir schlussendlich zusammen ausgesucht hatten) einem unserer Onkel, in eine etwas heruntergekommene Bar nur wenige Straßen weiter.
Als wir alle durch den Regen liefen - die Frauen mit schützenden Händen über ihr Make-up und die Männer mit hochgezogen Hosenbeinen in der Hoffnung keine Pfütze würde ihnen den teuren Anzug ruinieren - erhaschte ich einen Blick auf Koko und Ètienne.

Ètienne war Belgier, hatte sein Studium aber in Japan gemacht und als er Koko traf, war er eben einfach geblieben. Laut ihr war es Liebe auf den ersten Blick. Sie war in der Stadtbibliothek gewesen, um sich Bücher über Leptobrachium hasselirgendwas rauszusuchen, denn sie war angehende Biologin und gerade Kröten - je größer und giftiger desto besser - hatten es ihr besonders angetan. Wie es der Zufall so wollte war Ètienne ebenfalls ganz hingerissen. Sowohl von Kröten, als auch von Koko und so kam es, dass beide dasselbe Buch brauchten. Voller Begeisterung, dass sie Leptobrachium Hasseldingsda genauso interessant fand wie er, unterhielten sie sich bis spät abends in der Bibliothek. Nach meiner Einschätzung und dem 100. Mal andauernder Referate meiner Schwester bei diversen Essen, war es um beide spätestens geschehen, als es um den inguinalen Amplexus gegangen sein muss. Wär hätte auch gedacht, dass ein Diskurs über Kröten einen so antörnen würde?
Ich sicherlich nicht.

Dennoch waren beide heimlich und unheimlich ineinander verliebt und in diesem Moment im Regen, wo alle wie Verrückte die Staße runterhalsten, gingen sie. Kokos Augen glitzerten unter verlaufenem Make-up und ihr Kleid schliefte über Pfützen, aber ich konnte mich an keinen Moment erinnern, wo sie so atemberaubend schön aussah, wie in diesem Moment. Sie war so schön, dass ich augenblicklich eine Gänsehaut bekam und das nicht wegen der Kälte, die wegen der Nässe in meine Knochen zog. Ètienne schaute mindestens genauso glücklich auf sie herab und kümmerte sich kein Stück um Schlamm an seinen Schuhen oder den Hosenbeinen. Es gab einfach nur sie zwei.
Und da wurde mir klar, wieso mich diese Szenerie so fesselte. Es war ganz einfach eigentlich.

Liebe.

In meinem ganzen 21 jährigen Leben hatte ich weder einen Freund, noch wurde ich geküsst. Ich schob das meistens darauf, dass ich in einem Kaff großgeworden war und es da einfach keine süßen Jungs gab. Als ich auf Gojo und Geto-san getroffen war hatte ich mir meine Theorie insgeheim bestätigt und fühlte mich mehr als bereit auf Dates zu gehen und mir einen Freund zu finden. Nur war mein Psychologie-Kurs irgendwie mehr Mädchenüberlastet und da ich viel arbeiten musste, hatte ich es noch nicht geschafft viele Kontakte zu knüpfen oder mit zu Blind-Dates zu gehen.

Nun war ich vielleicht nicht so hoffnungslos optimistisch wie meine Schwester, aber bis vor drei Wochen hatte ich gedacht allem etwas Zeit zu geben würde schon passen.
Nur war ich da auch noch nicht am Rande der Todesschwelle gewesen und wurde nicht andauernd von Albträumen geplagt! Ganz zu schweigen von der ganzen ‚menschliche Emotion gleich Fluchgeist' Sache! Denn was ich definitiv nicht wollte war wieder in so eine Situation zu geraten.

Verbitterung und Neid gehörten allerdings nicht zu den Dingen, die ich gerade fühlen sollte, also lief ich zurück zu Koko und Ètienne und gab beiden einen leichten Stubs in den Rücken.
»Beeilt euch lieber, Turteltauben. Wenn Mama dein Kleid so sieht, enterbt sie dich vielleicht!«
Zum Glück tat die Erwähnung von Mama Wunder, denn beide tauschten einen erschrockenen Blick und hasteten eilig hinter den anderen Gästen her.
Jetzt fühlte ich mich doch etwas schlecht.
Vielleicht um mich ein wenig zu bestrafen ihren Moment zerstört zu haben, oder auch, weil ich Angst hatte meine Gefühle könnten den Raum verpesten, ging ich ebenfalls langsam.
Im Nachhinein betrachtet definitiv keine gute Idee.
Ich hatte mich verlaufen...

Nur ein Mensch (Satoru GojoxOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt