Elisabeth stand vor der großen Wohnungstür und setzte den schweren Rucksack ab. Sie streckte sich kurz, um die Verspannung der Schultern etwas zu lockern.
Hier sollte es also sein? Der heruntergekommene Altbau hatte sicher schon bessere Tage gesehen, doch es musste wirklich mal ein prächtiges Haus gewesen sein. Breite Flure und bröckelnde Ornamente an den Wänden und Decken zeugten davon. Selbst die Wohnungstür schien noch aus altem massiven Holz gemacht und war mit geschnitzten Tieren verziert, von denen jedoch viele nicht mehr zu erkennen waren. Allerdings hatte jemand ein modern wirkendes Schloss eingebaut und im unteren Teil der Tür befand sich eine Hundeklappe aus Plastik, die nun überhaupt nicht zur restlichen Tür passte.
Sie holte tief Luft und klingelte. Ein Gongschlag ertönte.
Sie war im guten Glauben in die Stadt gekommen, mit der Vorfreude aufs Studium und ihre erste eigene Unterkunft, wenn es auch nur eine kleine preiswerte Studentenbude. Bei der lange Hinfahrt mit dem Bus, war der tödliche Anruf gekommen. Wasserschaden hatte er gesagt, doch der Vermieter klang nicht überzeugend, wahrscheinlich hatte er sich einfach kurzfristig umentschieden und so stand sie nun plötzlich ohne Wohnung da, in einer fremden Stadt ohne Freunde oder Verwandte.
Vielleicht könnte sie ein paar Tage ein Hotelzimmer mieten, doch das würde teuer werden und das Geld war knapp. Noch im Bus hatte sie versucht telefonisch alle Hebel in Bewegung zu setzen, dann war sie nach der Ankunft von Pontius zu Pilatus gelaufen und das an diesem heißen Sommertag. Aber es war nichts zu machen, er gab keine billigen Studentenzimmer mehr. Zum Glück hatte ihr an der Uni jemand gesagt, dass hier in der WG noch ein Zimmer frei sein sollte. Jetzt stand sie hier am frühen Abend und hoffte auf ein kleines Wunder.
Sie klingelte nochmal und richtete sich zu voller Größe auf, was bedauerlicherweise nicht so viel war. Sie musste unbedingt einen guten Eindruck machen! Sie wusste, dass sie allgemein als hübsch galt, mit ihren blonden Haaren, ihrem ansehnlichen Vorbau und dem zarten Gesicht, auch wenn sie nach der langen Reise und in den verschwitzten Klamotten vermutlich nicht mehr ganz so taufrisch wirkte.
Sie hörte das Klacken von Schuhen und setzte ein Lächeln auf, das hoffentlich nicht zu verzweifelt wirkte.
Ein in schwarz gekleidete junge Frau mit feuerrotem Haar öffnete die Tür und schaute sie skeptisch an. Schon normal war sie größer, doch auf ihren High Heels überragte sie Elisabeth erheblich. Mit ihrem Gothic-Style wirkte sie einschüchternd und so blieben die gut vorbereiteten Worte in ihrem Hals stecken.
„Zu wem willst du, zu Ahmed oder Zack?“, fragte die junge Frau Elisabeth mit kritischem Blick.
„Ähm, ich wollte eigentlich nur fragen ob noch das WG-Zimmer frei ist.“ Sie sah den Blick der anderen über ihren alten aber zuverlässigen Rucksack gleiten.
„Und da hast du deine Sachen gleich mal mitgebracht oder was. Wir nehmen hier nicht jeden und schon gar nicht gleich. Noch ist gar kein Zimmer frei“, sagte die Rothaarige streng.
Elisabeth entglitten die Gesichtszüge und sie hatte das Gefühl noch kleiner zu werden. Eine heftige Verzweiflung überkam sie, dass hier war ihr wie die Rettung in ihrer misslichen Lage erschienen, doch schon schien alle Hoffnung verloren. Doch die Gesichtszüge der Rothaarige wurden nachdenklicher und sanfter.
„Was ist los, du wirkst verzweifelt, ist alles in Ordnung?“
Elisabeth schüttelte nur erschöpft den Kopf, nichts war in Ordnung. Sie wollte schreien, aber selbst dafür fehlte ihr gerade die Kraft. Dies sollte der Beginn ihres großen Abenteuers Studium in der großen Stadt werden und jetzt war alles eine einzige Katastrophe.
„Komm erstmal rein. Mal sehen, was wir für dich tun können, ich heiße übrigens Chloe“.
„Viele Dank, ich bin Elisabeth.“ Die Eingangstür führte gleich in einen großen Raum, der zugleich Küche und Eingangsflur war. Vermutlich war es früher mal ein eindrucksvoller Eingangsbereich gewesen, bevor hier die Küche eingebaut worden war.
Wenig später saßen sie hier an einem rustikalen Holztisch bei heißem Tee und Elisabeth erzählte Chloe von ihrer misslichen Lage. Die WG-Bewohnerin hört aufmerksam zu und wirkte jetzt viel freundlicher.
„Das Problem ist, das wir eigentlich noch gar kein Zimmer frei haben. Wir hatten überlegt die Kammer zu einem WG-Zimmer auszubauen, aber noch sind wir nicht dazu gekommen, auch weil noch zu viele Sachen darin Lagern. Aber wenn du willst, kannst du sicher eine Nacht dort schlafen und morgen können wir ja mit den Jungs zusammen überlegen, was zu tun ist.“
Eine Kammer das klang irgendwie nicht gut, aber andererseits war sie wirklich hundemüde. Chloe stand auf und bedeutete Elisabeth ihr zu folgen.
An einer Seite der Küche befand sich eine große Doppeltür, die man zur Seite aufschieben konnte, so dass bei Bedarf Küche und Wohnzimmer miteinander verbunden waren. Elisabeth konnte sich gut vorstellen, dass es bei Partys sehr praktisch war. Das Wohnzimmer war deutlicher kleiner als die Küche, eine große gemütliche Couch stand auf einer Seite, ein großer Fernseher auf der anderen, dazwischen ein flacher eckiger Tisch.
An einer Seite des Raumes, war ein dicker Vorhang, der einen türgroßen Durchgang verbarg. Dahinter befand sich die Kammer, eigentlich ein ganz ordentlich großer Raum, aber vollgestellt mit Regalen, Schränken und Kisten. Ganz hinten stand eine Couch, die sicher alt war, aber trotzdem gemütlich aussah.
„Ich weiß, es ist nicht viel, aber hier könntest du die Nacht schlafen, wenn du magst. Das ist unsere alte Wohnzimmercouch und sie ist wirklich bequem. Hier ist auch der Raum, den wir überlegen auszubauen, aber bisher scheitert es an dem vielen Kram, der sich hier angesammelt hat, zum Teil noch vom Vorbesitzer einem etwas spleenigen Hundenarren.“
Elisabeth brauchte nicht lange nachzudenken. Sie war froh eine Unterkunft für die Nacht zu haben. Schnell war die Couch mit Bettwäsche versehen, die schwarze Bettdecke mit dem Kettenmuster drauf war zwar etwas speziell, aber Chloe schien ihrem Stil auch beim Bettzeug treu zu bleiben. Ein kleiner Hocker mit einer Nachtischlampe rundete das ganze ab. Fast schon gemütlich.
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WG-Sklavin. Freiwillig oder gezwungen
FanfictionDurch eine Not sucht sie eine Wohnung und trifft auf eine dreier WG.