Kapitel 1

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Wincent
Brechende Wellen, ein paar Felsen und ein Mann mit Melodien. Tromsø. Nordnorwegen. Es herrschen eisige Temperaturen um mich herum, und mein Körper ist zu nichts mehr in Stande, als hoch in den Himmel zu schauen um den Polarlichtern so nahe zu sein, wie nur möglich. In eine schwarze Winterjacke, Boots und Decken gehüllt, sehe ich den tanzenden Nordlichtern zu, wie sie immer wieder, in vielen verschiedenen Farben, den Himmel zieren. Eine kleine Welle schwappt über die Felsen und durchdringt meine Boots. Eisige Windböen durchstreifen meine Haare, doch ich denke nicht daran hineinzugehen. Stattdessen greife ich nach meiner Gitarre, die sicher schon eingefroren ist durch diese Temperaturen, und spiele ein paar Melodien. „Worte sind wie Wellen, brechen
über mir zusammen. Ist irgendwer da draußen, der mich verstehen kann?" singe ich und meine jedes Wort, genau so wie ich es sage. Keiner antwortet. Kein Tourist, keine Menschenseele, ist mitten in der Nacht draußen in Tromsø. Viele Stunden verstreichen und ich sitze noch immer am Lagerfeuer, an dem ich vor 3 Stunden noch die Polarlichter, habe tanzen sehen. Jetzt knistert nur noch das Feuer neben mir. Ich, das Feuer, meine Gedanken und meine Gitarre sind alleine. „Hör mir zu, wenn ich schweige, schau genauer hin" höre ich eine weibliche Stimme ein paar Meter entfernt. Sie kommt auf mich zu und setzt sich unweigerlich neben mich auf die kleine Fleecedecke, die ich vor dem Lagerfeuer ausgebreitet hatte. „Ich hab dich singen gehört." sagt sie und schaut mir mit ihren Eisblauen Augen, direkt in die Seele. So habe ich das Gefühl. Ich spiegle mich in ihren Augen. „Und ich finde diese Zeile passt perfekt zu deiner, findet du nicht?" ich antworte nicht. Ich sehe mein Spiegelbild und frage mich, wie lange ich schon hier sitze. Keine Uhr. Keine Zeitangabe. Nichts. Meine Augenringe haben schon fast Augenringe. „Hm" sage ich. Zu mehr bin ich nicht fähig. Zu kalt ist es um nachzudenken, was ich sagen muss. „Smilla." sagt das Mädchen. „W.." sage ich. „Wie bitte?" kommt es. „Wincent". Sie greift nach meiner Gitarre und ich lasse es zu. Kleine Melodien erklingen und ich fühle mich verbunden. Verbunden alleine mit den Melodien. „Das reden fällt oft leichter..wenn mir die Worte.. wenn mir die Worte fehlen." singt sie weiter. Leise aber bestimmt zupft sie die Saiten meiner Gitarre. Sogar das Rauschen der brechenden Wellen höre ich nicht mehr. Nichts um mich herum passiert. Wie als wäre die Zeit stehen geblieben. „Das muss der Titel sein" höre ich mich sagen. „Der Titel wird ,wenn mir die Worte fehlen' lauten. Kein Riesen Hit. Ein Song. Nur ein Song.". Ich bin kein großer Sänger. Ich möchte nur mit meiner Musik Menschenseelen erreichen, über mich schreiben und mit dem sich kleine Menschen selbst identifizieren können.  „Ja das wird er." Smilla lächelt. „Wie lange sitzt du hier schon? Deine Schuhe sind nass." Ich schaue hinab und tatsächlich sind sie bis zu meinen Füßen durchnässt. Die Kälte ist nur ein Fremder seitdem Smilla neben mir sitzt und ich mich auf die Musik eingelassen habe. „Seitdem die Polarlichter über den Himmeln schwirrten." erzähle ich. „Das war ein Feuerwerk der Natur. Ich gehe jede Nacht hinaus um sie mir anzusehen, wenn es welche gibt. Ich bin ein Nachtmensch. Ich sitze gerne draußen. Schau da hinten bin ich gesessen und habe deiner Stimme gelauscht, bis ich das Lagerfeuer habe brennen sehen." Sie zeigt mit ihrem Handschuh auf eine kleine Felsnische. „Das ist ein Ort, ganz tief in meinem Herzen, an dem ich meine seltene Freizeit verbringe." erzählt sie mir. Ich lausche ihrer Stimme und schaue wie die Sonne über dem Meer aufgeht und in voller Pracht, uns einen Sonnenaufgang über dem Meer schenkt.

Wenn die Wellen toben / wincent weiss ff Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt