Die Stufen im Treppenhaus sind die reinste Hölle und ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ein Tritt gegen das Schienbein, ohne Schuhe, trotzdem so schmerzvolle Auswirkungen haben kann.
Humpelnd beschreite ich den Weg zur Weinhandlung und atme erleichtert auf, als ich rechtzeitig durch die Türe des Fachgeschäftes laufe. "Guten Abend. Kann ich Ihnen helfen? Wir schließen in zehn Minuten. Wenn sie sich in Ruhe umschauen wollen, müsste ich sie allerdings bitten, morgen wieder zu kommen", ein älterer, grauhaariger Anzugträger kommt auf mich zugelaufen und deutet mit seinem Finger auf eine große Uhr, die hinter dem Verkaufstresen hängt. "Hallo. Nein, ich brauche eine ganz bestimmte Flasche Wein. Naja, eher sechs!", rattere ich schnell mein Anliegen runter, damit mich der Herr nicht einfach vor die Türe setzt. "Oh, in Ordnung. Wie heißt der gute Tropfen denn?" "Ich weiß es nicht mehr so genau... Es ist ein Jahrgang von 2013... Musa... oder irgendwie so?", ich hoffe einfach darauf, dass der Herr ein guter Weinkenner ist und mir behilflicher ist, als der letzte Bursche, der mir zugesichert hat, mir die richtige Flasche auszuhändigen. "Chateau Musar? Die Flasche zu dreiunddreißig Euro?"
Wie viele Weine wird es schon geben, die irgendetwas mit Musar heißen?
"Ich denke schon. Könnten Sie mir davon bitte sechs Flaschen geben?", ich könnte kotzen, als mir Stella's geforderte Anzahl über die Lippen huscht. Durch diesen scheiß Wein rutsche ich wieder weiter in meinen Dispo-Kredit, der eh schon im Bereich jenseits von Gut und Böse liegt. "Aber natürlich doch! Einen Moment bitte!" , der ältere Herr macht sich sofort auf den Weg in eine der hintersten Ecken.
In mir keimt die kleine Hoffnung auf, dass Stella bei meiner Rückkehr wieder friedlich gestimmt ist und sie sich über den ausgeführten Auftrag freut.
"Sooo, hier hätten wir den guten Tropfen. Zahlen sie Bar oder mit Karte?" "Mit Karte, bitte!", ich zücke meinen Geldbeutel auf dem Weg zur Kasse und ziehe zähneknirschend die EC-Karte aus ihrem Fach heraus. Als der Betrag von hundertachtundneunzig Euro auf dem Kartenlesegerät erscheint, wird mir ganz schlecht.
Fast zweihundert Euro für einen blöden Wein, von dem ich nicht einmal etwas trinken darf.
Als die Zahlung abgewickelt ist, schnappe ich mir den Karton und verziehe erst einmal mein Gesicht. Die Weinverpackung drückt natürlich ordentlich auf meine lädierte Rippengegend und entlockt mir ab und zu ein schmerzerfülltes Keuchen. Da ich ein Kind bin, das regelrecht von seinem Glück geküsst wird, man beachte die Ironie, fängt es natürlich auch noch zu schneien an. Aber nicht die kleinen süßen Flocken, die ihre baldig eintreffenden großen Brüder ankündigen. Nein. Es sind die fetten, alten Väter, die nass und unerbittlich in Essteller Größe direkt in mein Gesicht und auf den Karton knallen.
Auf halbem Weg muss ich mich unter einem kleinen Vordach eines Geschäfts unterstellen. Mir ist saukalt, meine lädierten Körperstellen bringen mich fast um vor Schmerz, der Karton weicht auf, meine Finger sind fast steif gefroren und ich habe einfach keine Lust mehr. Die geschmolzenen Schneeflocken suchen sich ihren Weg über meine Haare und bilden einen kleinen Rinnsal, der direkt über mein Gesicht läuft. Manchmal frage ich mich schon, wofür ich das alles mache. Ich habe keine Lust mehr auf dieses Leben, möchte ohne die immer wiederkehrende Angst leben, ohne Schmerzen!
Halt die Schnauze Lennox! Dich würde keine andere Frau wollen! Sieh dich doch an... Pleite, Heulsuse, kannst nicht richtig lesen und nur mit hundert Fehlern in einem Wort schreiben... Sei froh, dass dich Stella überhaupt noch will!
"LENNOX?"
Schon aus Reflex ziehe ich den Kopf ein und schaue mich panisch um. "Hey, hier!" Mein Herz beginnt schmerzhaft in meiner Brust zu hämmern und am liebsten würde ich sofort die Flucht ergreifen. Leider wird mir nur allzu schnell bewusst, das ich mit meinem Gehumpel und dem schon aufgeweichten Karton gar nicht so schnell hier wegkomme, wie ich gerne möchte.
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Hinter verschlossenen Türen; Die verborgene Realität
FanfictionEin neuer Kollege, der durch einen Versetzungsantrag auf das Revier unter Klaus Wiebel's Leitung gelangt, wirft einige Fragen bei Tom und Marc auf. Dass er anfänglich etwas schüchtern ist, stempeln die Polizisten als normal ab. Als allerdings mit de...