6. Panik

617 50 0
                                    

In der Klinik am Südring angekommen, möchte ich mich gar nicht in die heiligen Hallen begeben, doch Herr Westernhoven sorgt dafür, dass ich garantiert aus dem Streifenwagen aussteige.

Durch eine blöde Drehung zieht es mir dermaßen in die Rippengegend, dass ich dort direkt meine Hand auflege und durch eine stoßweise Atmung versuche, den Schmerz wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Nachdem ich mich wieder einigermaßen im Griff habe, steige ich endlich aus der Karre aus und laufe in Begleitung der beiden Polizisten in die Notaufnahme: "Es ist wirklich nicht nötig, das.." "Jaja, sicherlich. Man sieht dir auch gar nicht an, das du Schmerzen hast!" Paul's Satz trieft nur so voller Ironie und ich halte darauf dann auch wirklich einfach die Klappe.

"Guten Abend, die Herren! Was bringt ihr mir denn da schönes?", ein Arzt, der gerade am Empfang herumlungert, freut sich schon sichtlich über die ankommende Arbeit. "Hey Oli. Das ist unser Kollege Lennox. Allem Anschein nach hat er ein paar Schläge abbekommen. Schmerzen hat er, wenn du mich fragst, ziemlich starke. Ich bitte dich außerdem um Beweissicherung!", weißt Marc an und begrüßt den Arzt mit einem freundschaftlichen Handschlag.

Nach der Begrüßung bekomme ich die volle Aufmerksamkeit des Weißkittels: "Hi, ich bin Oli. Mensch, du bist ja nass bis auf die Knochen. Komm mal mit!" Der Arzt dreht auf dem Absatz um und läuft sofort einen abzweigenden Flur entlang. Zuerst überlege ich, ob eine Flucht sinnvoll ist, doch meine Kollegen sind mir dabei behilflich, den richtigen Weg einzuschlagen.

Schon als ich den Behandlungsraum betrete, wird mir kotzschlecht. Gedanklich gehe ich die offensichtlichen Verletzungen durch und hoffe, dass alle anderen Blessuren nicht mehr allzu deutlich zu sehen sind.

"Lennox, sollen deine Kollegen draußen warten?", reißt mich Oli aus meinen Gedanken und im ersten Moment weiß ich gar nicht, was ich sagen soll. Am liebsten wäre es mir ja, wenn alle anwesenden Menschen verschwinden würden, aber das kann ich wohl knicken.

Die Fotos sehen Marc und Paul später eh, da brauchst du sie nicht wegzuschicken!

"Nein, ist schon okay!", murmele ich vor mich hin und atme so schwer auf, als hätte ich die Prüfung meines Lebens vor mir. "Was ist denn genau passiert?", die Frage des Weißkittel bringt mich ganz durcheinander, da ich mich mit meinem Kopfchaos gar nicht mehr an die gelogenen Worte von Malte und Raimund erinnern kann: "Ähm... Da war jemand u-und... dann... Malte und... Ne, die Frau..." "Du kennst diesen Malte?" Marc taucht plötzlich an meiner Seite auf und sorgt jetzt für einen kompletten Blackout meinerseits.

Mein Gesichtsausdruck muss Bände sprechen, denn Oli schüttelt in Marc's Richtung mit dem Kopf und organisiert irgendetwas aus einer der Schubladen. "Gut. Dann mal runter mit den Klamotten!", grinst mir Oli entgegen und streift sich nebenher blaue Einmalhandschuhe über die Hände.

Mein Körper versteift sich sofort, da ich mich davor fürchte, meine Verletzungen zu zeigen, obwohl niemand weiß, woher sie wirklich stammen. Doch die Angst, dass die Polizisten oder auch der Arzt das Verletzungsmuster erkennen könnten, ergreift Besitz von mir und lässt meinen Arm wieder vollen Einsatz zeigen. "Alles in Ordnung?", vor meiner Nase taucht der Arzt auf, der einen besorgten Gesichtsausdruck aufgelegt hat.

In meinem Kopf spielt ein falscher Film ab und gaukelt mir vor, dass die Männer sofort in Gelächter ausbrechen werden, sobald sie die ganzen Blessuren sehen. Wenn sie sehen, wie schwach ich bin. Dass ich mich von einer Frau verprügeln lasse und es nicht schaffe, mich gegen sie zu wehren.

Meine Sicht verschwimmt zunehmend. Das Klopfen meines Herzen nimmt an dreifacher Geschwindigkeit zu und verschafft mir eine schweißnasse Stirn, während ich rückwärts gegen die Liege taumele. "Lennox? Was ist los? Hey, schau mich mal an!", vor meiner Nase bewegt sich irgendetwas, doch durch die schwammigen Konturen kann ich überhaupt nicht mit Sicherheit sagen, um wen es sich dabei handelt. Die Stimme rückt in immer weitere Ferne und wird langsam durch ein Rauschen in meinem Ohr ersetzt. Das Atmen fällt mir plötzlich so schwer und ich versuche mir etwas mehr Freiheit an meinem Hals zu verschaffen, indem ich an dem Pulloverkragen herumzerre.

Obwohl ich mittlerweile auf der Liege sitze, fühlt es sich so an, als ob ich in ein tiefes Loch fallen würde. Als dann noch von hinten jemand an meinen Rücken tritt und meinen Oberkörper, den ich nach vorne gebeugt habe, um besser Luft zu bekommen, nach hinten zieht, ist es vorbei. Mein Kopf drückt den großen roten Knopf und lässt nur noch eine Notversorgung zu. Das Letzte, das ich wahrnehme ist ein Rütteln, worauf sich meine Augen verdrehen und ich mich einfach in das schwarze Loch fallen lasse.

Hinter verschlossenen Türen; Die verborgene RealitätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt