~ Eine Weile sieht er mich einfach nur stumm an, zieht dann sein Telefon aus der Tasche und wählt eine Nummer: 111 ~
Normalerweise würde ich weinen.
Normalerweise würde ich ihn anflehen.
Aber ich habe zu viel geweint, zu viel gefleht.
Also wehre ich mich nicht, als er meinen Arm verbindet. Ich weine nicht, als andere Pfleger des Krankenhauses in die Wohnung kommen und mich abholen.
Ich hab es vermasselt.
Mal wieder.
Unsere kleine Truppe kommt im Krankenhaus an, niemand bemerkt mich und es ist gut so.
Die Pfleger bringen mich in einen leicht abgelegenen Trakt, in ein leeres Wartezimmer. Ich höre wie sich der Schlüssel im Schloss dreht, nachdem sie mich allein lassen.
Ich bin versucht, meinen Verband einfach aufzureißen und die noch frischen Wunden erneut bluten zu lassen. Aber ich tue es nicht. Ich starre einfach nur an die Wand mir gegenüber und hasse mich selbst. Das ist das einzig richtige in dieser Situation. Das einzig richtige in jeder Situation.
Nach einiger Zeit höre ich wie sich ein Schlüssel im Schloss dreht und ein Mann kommt herein. Er hat braunes, schütteres Haar, trägt eine Brille und einen weißen Kittel und sein Blick verrät rein gar nichts über das was er denkt.
Seine Stimme hallt von den kalten Wänden des Wartezimmers wieder, als er mir erklärt was nun geschehen wird.
Ich höre ihm nicht wirklich zu, schnappe nur ein paar Wortfetzen auf, doch diese reichen mir, um mir meinen Teil dazu zu denken.
Pausenlose Überwachung.
Immer zwei Pfleger in meiner Nähe, die aufpassen, dass ich mir nichts tue.
Das ist der Moment in dem ich mich frage, ob ich ihnen etwas tun werde.
Die Antwort lautet vielleicht.
Der Arzt, Dr. Thosen, sagt außerdem etwas davon, das ich noch einige Zeit hier bleiben müsse, damit meine Wunden abheilen und um mich noch etwas zu überwachen. Letzteres sagt er zwar nicht aber er meint es.
Der Weg zu meinem neuen vorübergehenden Heim ist nicht sehr weit. Ich laufe mit leerem Blick neben Dr. Thosen her, merke wie er mir immer wieder einen prüfenden Blick zuwirft, doch ich beachte ihn kaum.
Unsere Schritte hallen gleichmäßig auf dem Klinikboden, doch nach einer Weile höre ich zwei weitere Paar Füße. Als erstes sehe ich eine Ärztin, dann einen Jungen in meinem Alter. Doch es ist gruselig, er ist wie ein Spiegel meiner selbst.
Sein Blick ist genauso stumpf und leer wie meiner. Seine Schritte sind schlurfend, seine Haltung als wäre er zusammengeschlagen worden. Psychisch. An seinem linken Unterarm trägt er einen Verband, durch den sich rötliche Striemen abzeichnen. Alles in allem wirkt er einfach nur klein und zerbrechlich.
Mir begegnen noch weitere meiner Kopien, immer im Schlepptau eines Arztes oder einer Ärztin. Ich habe das Gefühl, mein Brustkorb würde sich zuschnüren und mir die Luft abdrücken. Ich glaube, es ist Angst.
Die Angst vor mir selbst.
Ich komme vor einer weißen Tür zum Stehen, der Arzt an meiner Seite schließt die Tür auf und ich trete unaufgefordert ein.
Wozu die Höflichkeiten, wenn man doch eh von jedem Verabscheut wird.Mein 'Zuhause' besteht aus einem Raum. Er ist nicht groß, spärlich eingerichtet und wirkt kalt und tot. Also wie für mich gemacht. Es gibt ein Bett und in einer Ecke sehe ich ein Waschbecken. Ich höre, wie in einem stetigen Rhythmus Tropfen aus dem undichten Wasserhahn fallen und der Schall an den kahlen Wänden widerhallt. Es gibt exakt ein Fenster, relativ groß, aber es kommt trotzdem wenig Licht herein. Das Glas ist dick. Zu dick um es zu zerstören und sich mit den Scherben die Haut aufzuschlitzen.
Ich höre wie die Tür zuschlägt und sich ein weiteres Mal an diesem Tag ein Schlüssel im Schloss dreht.
Es ist kalt, dunkel und trostlos. Der Raum wirkt zu groß für das kleine Bett und trotz allem habe ich das Gefühl, die Wände würden näher kommen.
Langsam und lauernd.
Um mich zu ersticken.
Ich bin allein.
Das bin ich seit einer Weile, aber in diesem Moment ist es noch deutlicher als je zuvor.
Ich bin allein und am Ende stehe ich auch allein in dem Sturm, der sich mein Leben nennt.
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Heartbeat
Fiksi Umum++++++ Standest du schon mal auf einer Brücke und hast dich gefragt, was passieren würde, wenn du springst? Nun, ich auch nicht. Bis zum heutigen Tag...... ++++++ Die Geschichte eines Mädchens mit Selbstmordgedanken.