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Aus dem Wasserhahn im Badezimmer lief eiskaltes Wasser über Rias Handgelenke. Noch immer hatte sie das Gefühl sie würde glühen und innerlich verbrennen und das kalte Wasser brachte ihr etwas Linderung.

Die Wunde in ihrem Nacken pochte. Viel schlimmer als der Schmerz waren die Gefühle, die dieser Schmerz auslöste. Was hatte Alex nur mit ihr gemacht?

Tom hatte Kaira markiert und Kaira war überglücklich darüber. Fühlte Kaira jetzt das gleiche wie sie? Fühlte sie ebenfalls diese Hitze, diese Lust, diese Sehnsucht? Oder war das nur bei ihr so, weil sie ein Mensch war? War? Ich bin doch immer noch ein Mensch, dachte sie entsetzt und betrachtete sich genau im Spiegel.

Ihre Haare waren immer noch rotbraun, ihre Augen blaugrün, ihre Haut hell mit einigen wenigen, kaum sichtbaren Sommersprossen. Ihr Gesicht sah immer noch gleich aus. Kein zusätzlicher Haarwuchs an unerwünschten Stellen. Ihre Gesichtsfarbe war zwar jetzt leicht gerötet, aber das konnte auch von dem kalten Wasser kommen, mit dem sie ihr Gesicht gewaschen hatte.

Auch ihr Körper hatte sich nicht verändert. Sie hatte nicht diese knabenhaft schlanke Figur ihrer Stiefschwester. Sie hatte ein paar wenige Kilos zu viel auf den Rippen, aber so günstig verteilt, dass sie an den richtigen Stellen einfach nur etwas runder wirkte. Aber vielleicht wirkte der Biss nicht sofort. Vielleicht wirkte er erst in ein paar Tagen. Und dann? Würde sie sich dann auch in einen Wolf verwandeln? Würde sie dann auch allem, was flieht hinterher jagen?

Plötzlich wünschte sie sich, sie hätte sich etwas mehr für ihre Stiefmutter und ihre Stiefschwester interessiert. Klar kannte sie ihre Vorlieben, wusste was sie gerne mochten, was sie überhaupt nicht leiden konnten, aber über ihre wahre Natur wusste sie nichts.

Sie hielt einen Waschlappen unter das kalte Wasser, wrang ihn aus und legte ihn vorsichtig auf die Wunde. Die Kühle tat gut. Langsam kehrte sie ins Schlafzimmer zurück, legte sich aufs Bett und weinte.

Wer auch immer vor der Zimmertür stand, musste mehrmals klopfen, bevor Ria darauf reagierte und ein flehendes "Lasst mich in Ruhe" als Antwort gab. Ihre Bitte wurde nicht erhört. Die Tür öffnete sich und ein Mann trat ein. Er hielt eine Arzttasche in der Hand, die er auf dem kleinen Tischchen abstellte.

„Hallo. Ich bin Marvin, aber alle nennen mich nur Doc", stellte er sich vor.

„Ich will meine Ruhe haben", flüsterte Ria ohne sich umzudrehen oder aufzublicken.

„Kann ich verstehen", bekräftigte Doc. „Ich werde mir kurz deine Wunde ansehen, sie behandeln und dann lasse ich dich auch in Ruhe. Versprochen."

„Brauche ich nicht, ich bin ok", flüsterte Ria, ohne sich zu rühren.

„Wärst du ein Werwolf, würde ich dir das glauben. Werwölfe haben eine deutlich bessere Selbstheilung wie Menschen. Aber du bist immer noch ein Mensch."

„Bin ich das?"

„Natürlich", bestätigte Doc und lachte. „Nur weil du von einem Werwolf gebissen wurdest, wirst du nicht selbst zu einem. Das ist in der Tat ein Mythos. Um einen Menschen in einen Werwolf zu verwandeln gehört weitaus mehr. Du bist also immer noch ein Mensch und bei Menschen können sich solche Wunden sehr leicht entzünden. Das wollen wir doch nicht, oder?"

„Ist doch egal", schluchzte Ria.

„Ist es nicht", versicherte Doc. „Schau mal, wenn ich deine Wunde nicht versorge, wäre das nicht gut. Wenn Alex in ein paar Tagen zurückkommt, möchte er sicher keine schwerkranke Ria vorfinden. Dann würde ich nämlich richtig Ärger mit ihm bekommen."

„Alex ist weg?", fragte Ria erstaunt und setzte sich auf.

„Ja", nickte Doc und öffnete seine Tasche, entnahm ihr eine Spritze und drehte sich zu Ria um. „Du hast die Wahl. Die Wunde zu reinigen und zu versorgen könnte richtig weh tun. Hältst du es aus, oder soll ich dich für ein paar Minuten schlafen schicken?"

Die Wölfe vom Silmertal - Die Gefährtin des Alphas.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt