Weder Freund noch Feind II

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Der Schlag traf Lloyd frontal im Gesicht. Er taumelte einige Schritte zurück, wischte sich das Blut von der Nase und stieß ein belustigtes Schnauben aus. »Ihr seid kein Gegner für mich.«

Der Erzähler seufzte ein zweites Mal. »Bitte nicht in meinem Haus.«

Lloyd holte mit der Hand aus, doch der Tod wich aus ... dachte V zunächst. Der Angriff war eine Finte, und während Laurent zur Seite trat, wusste der König schon, wo er auftreten würde. Sein Handrücken machte Kontakt mit dessen Wange. Ein lautes Klatschen hallte durch das Wohnzimmer.

Der Hieb des Königs besaß eine andere Wirkung als der des Todes. Laurent hatte mit der gesamten Wucht eines Kriegers zugeschlagen, Lloyd hingegen auf die Art, als würde er einen Diener maßregeln.

Bevor sich die beiden aber endgültig aufeinander stürzten, schritt der Erzähler ein. Er stellte sich zwischen sie und hielt sie voneinander fern. »Das reicht jetzt.«

Laurent schnaubte nur.

»Und du, wag es nicht ...« Murasaki hatte den Satz nicht einmal zu Ende gebracht, da war der Tod schon aus dem Raum verschwunden. »... jetzt einfach zu gehen.« Eine Furche entstand auf seiner Stirn und er wandte sich an Lloyd. »Richtet nichts an, während ich weg bin.« Und mit diesen Worten war er ebenfalls fort.

Der König blieb allein im Raum stehen und sah sich um. »Sind sie noch da?«, fragte er.

»Sind sie nicht«, gab Ejahl als Antwort.

Lloyd seufzte. Er tastete sich an der Couch entlang und ließ sich wieder auf den Sessel fallen. Eines seiner Beine streckte er aus und wischte sich mit dem Ärmel das Blut von der Nase, die Miene eine Maske aus Bitterkeit und Zorn. Er stockte. »Die Robe ist nicht weiß, oder?«

»Ist sie nicht«, sagte Ejahl. »Sie ist violett.«

Die Furche zwischen Lloyds Augenbrauen vertiefte sich. »Warum trage ich Violett?« Eine Frage, die ihm keiner der Anwesenden beantworten konnte.

»Ach, mein Prinz.« Ejahl erhob sich und setzte sich neben Lloyd auf die Armlehne des Sessels. Der König hingegen rückte, so weit es ihm möglich war, von ihm ab und rümpfte die Nase.

»Es ist so schön, dass wir uns mal wieder treffen«, führte der Meisterdieb seinen Satz zu Ende.

»Ihr kommt seit ein paar Tagen bei uns unter und erst jetzt fällt Euch ein, dass Ihr mir das sagen wollt?« Seine Backenzähne mahlten, aber der Raum wurde langsam wieder wärmer und das Eis auf Lloyds Haut schmolz.

»Es ist das erste Mal, dass Ihr nicht von Eurem Schätzchen begleitet seid«, sagte Ejahl. Sein Blick schweifte zu Lloyds Hals und den unzähligen Bissen, von denen die bleiche Haut geziert wurde. »Erzählt doch, wie ist es Euch ergangen? Ich habe so einiges über Euch gehört.«

»Das kann ich mir vorstellen.«

»Ist es wahr?«

»Einiges. Ich weiß nicht, was genau Ihr über mich gehört habt, und folglich nicht, ob es der Wahrheit entspricht. Es stimmt, dass ich im Alleingang Heere zerschlug, dass ich Benela zerstörte und durch mich Völker fielen. Doch es ist gelogen, dass ich Kinder aß, dass ich Königreiche gänzlich zu Eis erstarren ließ, oder dass ich die Meinen in ihren Tod schickte. Ich kämpfte stets allein.«

Ejahls Blick flackerte kurz zu V. »Was ist mit den Dunkelelfen? Ist es wahr, dass Ihr deren Untergang wart?«

V fröstelte und schlang ihre Arme um sich. Eine kalte Hand strich ihr über den Nacken und sie hätte Ejahl am liebsten unterbrochen, doch die Worte des Königs interessierten sie ebenso, wie diese sie ängstigten.

The Tale of Greed and VirtueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt