Dem Zauber der Nacht verfallen - Teil 1

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Ein Kribbeln durchzieht meinen Bauch. Voller Vorfreude auf den heutigen Abend streiche ich erneut über den weichen dunkelroten Stoff des altertümlichen Kleides. Nie zuvor war ich auf einem derartigen Ball. Zusammen mit meiner Freundin steige ich aus dem Taxi. Beeindruckt bewundern wir die alte hell erleuchtete Burg.
»Komm, es wird dir gefallen«, sagt Lena meine Hand ergreifend. Ihr Freund gehört zum Organisationsteam des Events und sie war bereits auf solch einem Fest.Tief einatmend lasse ich mich von ihr mitziehen. Ein weiteres Mal zupfe ich an meinem prallen und viel zu tiefen Dekolleté. Lena lacht. »Alle tragen solche Kleider, du wirst es gleich sehen. Ladys und Lords überall.« Ihre Augen glänzen. Gemeinsam betreten wir den Ballsaal. Überwältigt schaue ich mich um. Alle Gäste in hinreißenden Gewändern und ja, ich falle wirklich nicht auf. Jeremy, Lenas Freund begrüßt uns.
»Lady Lena, darf ich Sie zu einem Tanz entführen?«
Lächelnd nicke ich Lena zu und schaue in die große Gästerunde. An einem Gast bleibe ich hängen. Dominant, groß, breitschultrig, dunkles längeres Haar. Das Lächeln, welches er seinem Gegenüber schenkt, raubt mir den Atem, rasend pulsiert mein Herz. Plötzlich blickt er mir direkt in die Augen. Für eine Sekunde setzt mein Herzschlag aus. Gefangen im Moment, sehe ich nicht weg. Mein Brustkorb hebt und senkt sich viel zu schnell. Schlagartig wird mir die Situation bewusst. Gleich springen meine Brüste aus dem Kleid, denke ich. Peinlich! Schnell wende ich mich ab und verlasse mit großen Schritten den Saal. Laufe den Flur entlang. Im Schutz der Dunkelheit lehne ich mich an eine Wand. Keuchend entweicht mir die Luft. Niemals zuvor entfachte ein Mann durch einen bloßen Blick ein solches Feuer in mir. Schnell drücke ich meine Schenkel zusammen. Leises Stöhnen dringt in mein Ohr. Neugierig schleiche ich den Gang entlang. Fackeln erhellen einen Raum, vorsichtig blicke ich hinein. Ein Pärchen vergnügt sich lustvoll. Lautlos trete ich zurück und pralle gegen einen festen Körper. Bevor mir ein Schrei entweicht, liegt eine große Hand über meinem Mund und ein Arm fest um meiner Taille. Sacht schiebt er uns vorwärts, bis ich das Paar wieder im Blickfeld habe. Mein Puls rast, ich ringe nach Luft, das Kleid engt mich viel zu sehr ein.
»Schade, dass wir es nicht sind, die sich dort auf dem Tisch amüsieren«, raunt er mir heiser ins Ohr.
Erschrocken über seine bedauernden und zu gleich erregenden Worte wende ich den Kopf und versinke in dem Augenpaar des Mannes aus dem Ballsaal. Seine Lippen berühren sanft meine, nur flüchtig haucht er einen Kuss darauf.
»Aber ich will mehr als nur einen oberflächlich F*ck«, setzt er wispernd fort. Sein Atem streift meinen Nacken, seine Hand fährt von meiner Hüfte aufwärts und bleibt auf der nackten Haut meines sich schnell auf und absenkenden Dekolletés liegen. Unverblümt reibt er seine Härte an meinem Hintern und stöhnt leise auf. Ein Keuchen entfährt meiner Kehle und bleibt gedämpft in seiner Handfläche auf meinem Mund hängen.
Das Paar richtet sich auf und er tritt mit mir den Rückzug an. Kurz vor dem Ballsaal drückt er mich an eine steinerne Wand und presst seine Lippen auf meine. Hart fordert seine Zunge Einlass und erobert meinen Mund, während eine Hand meine Brust fest umschließt. Bebend vor Verlangen mit verlorenem Verstand lasse ich ihn gewähren.
Abrupt löst er sich von mir, verschwindet im Saal. Überrumpelt, in Flammen stehend bleibe ich zurück und ringe nach Luft.
›Hilfe, was passiert hier gerade mit mir?‹
Normalerweise hätte ich einen so unverschämten Mann von mir gestoßen und höchstwahrscheinlich eine gelangt.
»Hier versteckst du dich«, erklingt Lenas Stimme. Argwöhnisch schaut sie mich an. »Oh, bist du schon einem Lord verfallen?«, fragt sie grinsend?
»Was ist das hier, eine Art Swingerclub?«, frage ich entrüstet.
Lena kichert. »Nein, aber hin und wieder nutzen ein paar Gäste den Zauber der Nacht.«
»Ich sollte gehen«, erwidere ich schroff.
»Halt! Der Abend hat aber noch nicht wirklich angefangen. Erst in ein paar Minuten geht es richtig los.«
»Ohne mich!«
»Sei keine Spielverderberin, hier geht es nicht um Sex. Okay, einige haben ihn, aber hier geht es um Spiel und Spaß.«
Entschlossen zieht mich Lena in den Ballsaal zurück.
»Ladys und Lords«, ertönt es zugleich. »Mit dem nächsten Tanz ist der heutige Abend offiziell eröffnet. Lord James MacKinlay wird, wie gehabt, zuerst die Wahl seiner Mitspielerin treffen.«
Mit erhobenen Augenbrauen schaue ich Lena an.
»Der Gastgeber wählt eine Lady für den Abend, für die Spiele – nicht was du jetzt denkst. Im Anschluss suchen die restlichen Gäste einen Spielpartner. Nicht nur Singles, auch Paare vermischen sich – des Reizes wegen.«
»Ah ja. Doch Swingerclub«, nuschle ich und spüre sofort Lenas Ellenbogen zwischen meinen Rippen.
»Autsch.«
»Los, auf die Tanzfläche,« drängt sie mich.
»Keines Falls«, erwidere ich und beobachte aus sicherer Entfernung das Geplänkel.
Beim Tanz werden regelmäßig die Partner gewechselt, ein kurzer Plausch gehalten und weiter gehts.
Einer Person gehört dabei die größte Aufmerksamkeit. Dem Mann, dessen Zunge vor wenigen Minuten in meinem Mund steckte. Wegen dem mein Höschen nicht mehr ganz so trocken ist und mein Körper mir nicht mehr gehorcht.
»Der Typ da ist James MacKinlay«, erklärt Lena.
»Ach ja, wäre ich nie darauf gekommen, so wie die Weiber äh Ladys sabbern.« Verächtlich schnaube ich.
Wie kann mein Körper nur so einem Macho erliegen?
›Verräter‹, schimpfe ich stumm.
Sein Blick streift meinen und mein Herz schlägt erneut unregelmäßig. ›Verdammter Verräter!‹
Nach einer gefühlten Ewigkeit ist der Tanz vorbei.
»Ladys, Lord MacKinlay trifft jetzt seine Wahl«, ertönt erneut eine Stimme.
Unbewusst halte ich die Luft an. Sein Blick ruht für Sekunden auf mir. Dann wendet er sich ab, dreht sich und schenkt einer Dame ein verführerisches Lächeln und bittet laut: »My Lady, würden Sie mir die Ehre für diesen Abend erweisen?«
Unwillkürlich flammt Eifersucht in mir auf. Eine Stimme in mir schreit: ›Er gehört mir!‹
»So meine Liebe«, unterbricht Lena meine Gedanken. »Geh tanzen und finde deinen Gefährten.«
Unmöglich mich zu bewegen, starre ich auf den Lord, der höflich seiner Auserwählten die Hand küsst und verstohlen dabei mich ansieht.
»My Lady?«, fragt ein Mann und unterbricht damit mein Starren. Schiefgrinsend schaut er mich an. »Entschuldigung, Sie sehen nicht danach aus ein ...« Er räuspert sich. »Ein ... nun ja, Abenteuer zu suchen.«
Lächelnd erwidere ich: »In der Tat, ich suche keins.«
»Wären Sie dann so freundlich und begleiten Sie mich«, fragt er weiter.
»Gern«, stimme ich zu.
Er streckt mir seine Hand entgegen und ich sehe seinen silbernen Ehering.
›Auch Paare vermischen sich – des Reizes wegen‹, hallen Lenas Worte in mir nach. Doch dieser Herr scheint kein Abenteuer in mir zu suchen.
»Lord Jan«, stellt er sich vor.
»Lady Artemis«, gebe ich lächelnd zurück.
Gentlemanlike reicht er mir seinen Arm und ich hake mich ein.
»Viel Spaß«, ruft mir Lena nach.
In einem weiteren Saal erhalten alle Spielpaare einen Umschlag. Das Spiel startet mit einem lauten Gong.
Lord Jan öffnet den Brief und liest die erste Aufgabe:
›Finden Sie zwei Schlüssel. Einer im Zimmer des Nordturms, einer im Kerker. Gehen Sie mit beiden Schlüsseln in den Truhensaal. Teilen Sie sich auf.‹
»Ich nehme den Turm«, sagt Lord Jan. »Kerker ist nicht so meins«, fügt er hinzu.
›Schisser‹, denke ich, antworte jedoch mit einem »In Ordnung. Wir sehen uns im Truhensaal.«
Zeitgleich laufen wir in entgegengesetzte Richtungen.
Totenstille und Kälte. Nur wenigen Kerzen erhellen den Kerker. Eine Gänsehaut bedeckt meinen Körper.
Mit Herzklopfen suche ich die erste Kerkerzelle ab. Meine Hände fahren über die kühlen Wände, gleiten weiter über das raue Holz der Pritsche.
Die Zellentür fällt krachend ins Schloss, erschrocken wende ich mich um.
Lord MacKinlay.

Lustvolle Kurzgeschichten - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt