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„Auf keinen Fall!"
„Oh, doch!"
„Nein!"
„Dohoch!!"
„Joooosh! Ich sagte nein!"
„OCH... DU....!"
Mit einem zornigen Fauchen richtete sich der kleine Omega vor dem soviel größeren Clansführer auf, die Fäuste in die Hüften gestemmt, während die braunen Augen voller frustrierter Wut blitzten.
Rafe lehnte neben seinem Bruder an der Wand und betrachtete mit einem amüsierten Ausdruck das Rumgezanke der Beiden.
Deke biß in einen Apfel und verbarg auf diese Weise das breite Grinsen, welches seit Beginn des Rumgezankes vor zehn Minuten einfach nicht weichen wollte.
Die Streithähne standen sich gegenüber, aufgestellt zu einem Showdown, den keiner der zwei zu verlieren gedachte.
Xander kam aus der Garage, wo er sich vor drei Tagen verkrochen hatte, um den Motor eines Luftseglers aufzumotzen und wischte sich die ölverschmierten Hände an einem weichen Tuch ab. Seine braunen Augen huschten interessiert zu dem Schauspiel hinüber, dann stopfte er das Tuch in eine Hosentasche.
Dankbar nahm er eine Wasserflasche von dem riesigen dunkelhäutigen Vollstrecker entgegen und leerte diese in einem Zug.
Frisch gestärkt setzte Xan sich auf die Arbeitsplatte der Kücheninsel und beobachtete einige Sekunden lang den Streit zwischen dem obersten Alpha und ihrem Clanherzen.
Kopfschüttelnd lehnte er sich zu Deke hin und fragte leise:
„Ok, ich komm nicht mit... was genau hab ich verpasst?"
„DU BIST VOLL DOOF!" brüllte Josh gegen die ebenso störrische Wand bestehend aus 130kg Alpha- Muskelmasse und stampfte frustriert mit einem Fuß auf.
„Voll doof? Wie alt war unser Winzling noch mal? Acht?"
Josh wirbelte zu Rafe herum und stakste mit steifen Schritten auf den Riesen zu.
Der Omega baute sich vor ihm auf und piekste ihm mit den Zeigefinger in den Bauch.
„Ich geb dir gleich acht!" fauchte er so gereizt und Xander hätte es nicht gewundert, wenn tatsächlich Dampf aus den Ohren des Kleinen gequollen wäre.
„Josh... jetzt benimm dich! Oder ich muss dich übers Knie legen!" warnte Duncan und schlich sich langsam von hinten an.
Der Junge drehte sich also wieder zum Anführer um - allmählich bekam er ein Schleudertrauma - und duckte sich, wie um den Mann anzuspringen.
„Vorsicht, Schatz... du begibst dich auf brechendes Eis!"
Xander wackelte mit seinen langen, muskulösen Beinen und fuhr sich mit einer Pranke durch das blonde verwuschelte Haar.
Mit einen unglücklichen Maunzen ließ der Omega sich auf den Boden plumpsen und sah kläglich auf seine Hände.
„Das ist nicht fair... ihr hattet es mir versprochen!" jammerte er mit Tränen in den schokoladenbraunen Augen.
Duncan hockte sich vor ihn hin und nahm behutsam sein Gesicht in beide Hände.
Sanft strichen seine Daumen über die Wangenknochen und dann zwang er ihn zum Blickkontakt.
„Ich weiß, Baby... und ich bin ein Mann, der zu seinem Wort steht..."
„Warum darf ich dann nicht wieder in die Schule zurück?" unterbrach ihn Josh aufschluchzend.

Verdammt, was war er im Moment wieder emotional... Vermutlich lag es daran, dass nächste Woche Gwendolyns Geburtstag gewesen wäre...
Oh, bei allen Göttern, Heiligen, Dämonen und was da sonst noch so kreuchte und fleuchte... sie fehlte ihm so verdammt sehr!
Er wollte sich mit ihr in sein Nest zurückziehen und über seinen Clan quatschen... er brauchte jemanden zum reden... jemanden, der ihn verstand... jemanden, den ER verstand!
Und er hatte niemanden... noch nicht mal seine Grammy, denn sie war bereits seit weit über einem Jahrhundert an ihren Clan gebunden und darüberhinaus in eine Zeit geboren, wo nicht nur die Wertvorstellungen grundlegend anders waren. Omegas und Epsilons waren weiter verbreitet und nicht so unfassbar selten gewesen... die Solarsegler wurden gerade entwickelt und die Vermüllung der Erde war effektiv gestoppt und umgekehrt worden.
Damals hatte es sogar noch Verbrennermotoren gegeben und einige vereinzelte Regierungen, die sich erst während den letzten hundert Jahren dem Alphakönigshaus untergeordnet hatten.
Manchmal nannte selbst sein Opa Frederic dies die ‚guten alten Zeiten'...
Und so sehr Josh seine Grammy und ihren Alphazirkel auch vergötterte, sie hatten schlichtweg eine völlig andere Sichtweise der Dinge...

„Josh... das letzte Mal, dass wir dir den Schulbesuch gestattet haben, wurdest du von einem deiner Lehrer zusammengeschlagen..."
Der Omega verdrehte die Augen.
‚Zusammengeschlagen... Pffff... übertreib halt', dachte er sauer und versuchte sich aus dem festen Griff des Mannes zu befreien.
„Mir geht es doch wieder gut! Dank der Clanbindung bin ich geheilt! Und der blöde Schwachmaat unterrichtet da jetzt nicht mehr... und er war der einzige, der was gegen mich hatte... und zwar schon bevor er wusste, dass ich ein Omega bin. Es kann doch wieder einer von euch mitkommen... wenn er die ganze Zeit dann bei mir bleibt, kann auch nichts mehr passieren... Biiiiitte, Duncan! Du hast es mir versprochen! Du hast mir versprochen, dass ich meine Ausbildung beenden darf... bitte!"
Duncan blickte mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht zu seinen Clansbrüdern auf... ganz so, als wüsste er nicht, ob er lachen, schreien, oder vielleicht noch etwas mehr schreien sollte.
Xander grinste über alle Backen und auch die beiden anderen lachten leise.
Schließlich sagte Rafe: „So ganz unrecht hat der kleine Frechdachs ja nicht..."
Deke verschluckte sich bei dem Anblick des nun fassungslosen Duncan an seinem Apfel und rang röchelnd nach Luft, während sein Bruder ihm sehr hilfreich mit Schmackes mehrfach auf den Rücken wämmste, um so den Tod durch Ersticken abzuwenden.
Mit einem hörbaren Knacken brachen ein, zwei Rippen und Josh schrie entsetzt auf.
Er kämpfte sich vom Boden hoch und wollte seinem Alpha zu Hilfe eilen... er konnte ungefähr soviel ausrichten, wie ein Hundewelpe der gegen einen ausgewachsenen Wolf antrat, aber Josh war wirklich sehr bemüht.
Gutmütig schob Xander ihn zur Seite und übernahm den Heimlich-Griff, so dass das Apfelstück die Luftröhre des Trackers verließ und im hohen Bogen durch den Raum segelte. Dass er bei dem Manöver Deke eine weitere Rippe brach, übersah Xan dabei ganz großzügig.
Kaum war die Gesichtsfarbe des Alphas wieder normal - zu was ausreichend Sauerstoff doch gut war  - da war auch schon Josh bei ihm, zerrte den Tracker zum Sofa und schubste ihn dort nieder. Dann setzte er sich auf Dekes Schoß und sah ihn voller Sorge panisch an.
„Gehts dir gut? Du hast dir was gebrochen! Hospital... wir müssen dich ins Hospital bringen! Was, wenn eine Rippe deine Lunge verletzt hat und du erstickst... Gott... kannst du denn überhaupt wieder richtig atmen? Hospital... Duncan... Deke... er muss..."
Deke legte seine großen Hände auf die des Omegas und zwangen ihn so mit dem verzweifelten Abtasten aufzuhören.
„Josh... beruhige dich, Liebling. Mir geht es gut. Ich bin ein Alpha... es braucht wesentlich mehr, um mich für immer von deiner Seite zu reißen. Wir heilen schnell... in ein paar Stunden bin ich vollkommen wieder hergestellt!"
Unsicher sah Josh den Mann an.
„Dir geht es gut? Wirklich? Du kannst ohne weiteres atmen? Du wirst mich nicht verlassen?"
Über Dekes Gesicht schimmerte ein Lächeln mit einer solchen tiefen Liebe und Wärme, dass es den Omega pfeilgleich mitten ins Herz traf.
„Ich werde dich nie verlassen, Josh... Niemals! Solange ich eine Wahl habe, werde ich stets dich und diesen Clan wählen. Gott sei mein Zeuge. Du bist die Liebe unserer Existenz... in diesem und allen Leben, die noch folgen werden."
Vergessen war da der Streit mit Duncan... verdrängt durch das glühende Bedürfnis, seinem Alphas nahe zu sein... und so gab Josh diesem Verlangen nach und presste seine Lippen fest auf die seines schnurrenden Trackers.
Deke lächelte innerlich...
Fast zu ersticken konnte also auch etwas für sich haben...

Brennende HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt