Türchen 3

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DAMIAN

»Wie wäre es, wenn ... «, ich näherte mich ihr und wollte ihr vorschlagen, dass wir uns den ganzen Abend lang gemeinsam betranken. Der Alkohol würde sie unaufmerksam machen. Es war ihr anzusehen, dass sie ihn nicht vertrug. Zu meinem Glück. Sie war die Verkörperung des braven Mädchens. Fleißig, regelkonform, gehorsam und unglaublich scharf. Die blonden, langen Haare fielen ihr über die Schultern. Und in diesem kurzen, elfenhaften roten Kleid und den Overknees sah sie umwerfend aus. Sie war so schön, dass ich beinahe vergessen hatte, weswegen ich hier war. Ich musste an ihr Handy rankommen, um zu prüfen, ob ich auf den Fotos zu sehen war, die sie so engagiert geschossen hatte. Ich musste alle Beweise für meine Anwesenheit löschen und schnellstens verschwinden, bevor die Polizei zu ermitteln begann und versuchte die Leiche oder den Täter zu finden. Wenn es so weiter ging, machte sie es mir einfach. Noch besser wäre es allerdings gewesen, diesen Anfängerfehler mich ablichten zu lassen, gar nicht erst zugelassen zu haben. Ich hatte den Unterlagen nach mit einem generellen Handyverbot und einer vollkommen anderen Fotografin gerechnet. Wäre es wie geplant verlaufen, hätte ich genau gewusst, vor wem ich mich verstecken musste.
    Bevor ich meinen Satz zu Ende führen konnte, näherte sich ein Kerl.
   »Hey Evans!« Er war mir vorhin schon aufgefallen. Einer der lautesten und auffälligsten Nervenseegen auf dieser Weihnachtsfeier. Mein Auftrag hatte einem Vorstandsmitglied gegolten, aber ihn stattdessen zu beseitigen, wäre mir eine Freude gewesen. Der Typ Klassenclown, der große Töne spuckte und wenn es darauf ankam, winselte und nach seiner Mutter rief. Zumindest vermutete ich das. Kerle, wie er, kamen mir in der Regel nicht unters Messer, weil sie nur bellten, aber nie bissen.
»Warum sitzt du hier an der Bar rum, anstatt Fotos von uns zu machen?« Er schien schon einiges intus zu haben, da er sich absolut im Ton vergriff.
   Da ich nicht wusste, in welcher Beziehung sie zueinander standen, wartete ich auf Harpers Reaktion. »Hau ab, Connor! Ich habe fast zwei Stunden nur fotografiert und will mich zumindest ganz kurz einfach mal hinsetzen.« Harper schien genervt, aber dieser Trottel schien das nicht zu checken.
   »Du kannst dich ja so lange auf mich setzen«, raunte er und kam ihr unangebracht nah. In diesem Moment stand ich auf und drängte mich dazwischen.
   Ich schubste ihn subtil in die Richtung zurück, aus der er hergetaumelt war. »Sie hat Nein gesagt.«
   Connor sah sich um und strich sich durch sein kurzes braunes Haar. Er war mir körperlich weit unterlegen. Aber weil er sich offenbar Mut angetrunken hatte, entging ihm dieses Detail. Oder er wollte vor Harper den Starken geben.
   »Und wer bist du?«, funkelte er mich an. Ich hatte das Bedürfnis, ihm genau zu zeigen, wer ich war, aber ein weiterer Mord und zusätzliches Aufsehen wären schlecht fürs Geschäft. Also beugte ich mich zu ihm vor, damit Harper mich bestmöglich nicht hören konnte. Die Musik würde meine Worte möglicherweise verschlingen. »Ich schlage vor, dass du dich entfernst. Dann tun wir so, als hätte Harper dich mit einem liebvollen Nein Danke zurückgeschickt und niemand wird verletzt. Wenn nicht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich dich eigenhändig kastriere und dir deine Eier zu Weihnachten als Geschenk zukommen lasse, verstanden? Belästige sie nie wieder.«
   Ohne ein weiteres Wort zu sagen, hob er einsehend die Arme und zog ab. Harper stand verwundert auf und hielt mir meinen Drink hin.
   »Was hast du ihm gesagt? Ich sollte es mir merken, für den Fall, dass er wieder kommt.«
   »Er wird nicht wiederkommen«, beruhigte ich sie. Wenn doch, war er noch dümmer, als ich zuerst vermutet hatte. Was tat ich hier überhaupt? Ich verteidigte eine fremde, umwerfend schöne Frau vor einem Arschloch, anstatt endlich an die Fotos zu kommen. Ich würde keine Zeit haben, die Aufnahmen einzeln durchzugehen. Ich musste sie alle auf einmal löschen, um zu verhindern, dass ich etwas übersah. Denn der Alkohol ging auch an mir mittlerweile nicht mehr spurlos vorbei. Ich spähte erstmal auf ihre Clutch, in der sich ihr Handy befand und dann auf meine Armbanduhr. Verdammt.
   »Musst du noch wohin?«, fragte sie beschwipst. Ihre Stimme war etwas höher geworden.
   »Ja, ich habe heute noch einen Termin.« Ich musste die Leiche entsorgen. Sie sah enttäuscht aus. »Aber ein bisschen Zeit habe ich noch«, fügte ich hinzu. Wieso? Ihr Schmollmund konnte mir egal sein. Ich hatte einen Job abzuschließen, nichts weiter.
   Auf einmal lächelte sie wieder. Wie konnte sie ihre Emotionen nur so offen zeigen? Das machte sie absolut durchschaubar. Offenbar hatte sie Spaß mit mir, was albern schien, da ich ein Auftragskiller war und keine angemessene Gesellschaft für eine Frau ihres Kalibers darstellte.

Merry dark Christmas, my Love!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt