Türchen 10

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DAMIAN

Ich hatte gewusst, dass sie nichts vertrug. Den Punsch an der Weihnachtsfeier hatte sie ebenfalls nicht vertragen. Aber dass sie nach diesem stärkeren Cocktail fast dicht war, hätte ich nicht gedacht. Mein Finger war überhaupt nicht auf dem Black Russian gelandet. Ich wollte sie einfach nur ein klein wenig lustig machen, mit dem Kaffeelikör verhindern, dass sie müde wurde und hatte nach Lust und Laune einen extra starken Short Drink gewählt, damit sie nicht auf die Idee kam, mich sofort zu verabschieden. Diese eine kleine Lüge machte nun auch keinen Unterschied mehr.
   Wir spazierten auf dem von einer kleinen Decke Schnee bedeckten Gehweg. Eine Familie hetzte an uns vorbei. Das Pärchen lief voraus und die Kinder warfen sich mit Schnee ab. Kleine, mickrige Schneebälle, weil ihre Hände so winzig waren. Das Pärchen blieb stehen und ermahnte die Kinder, sich aufgrund der späten Uhrzeit etwas zu beeilen.
   Ich sah wieder zu Harper, die sich an meinen Arm kuschelte. Ihr Mantel war nicht zugeknöpft, daher hatte ich freie Sicht auf ihre Brüste, die flehend aus diesem Oberteil herausquollen. Wenn sie mir mit diesem Dekolleté den Verstand rauben wollte, hatte es zeitweise funktioniert. In ihren langen, hellblonden Haaren verfingen sich einzelne Flocken. Sie wirkte fast engelhaft. So naiv, dass sie selbst in den dunkelsten Ecken noch an das Licht glaubte.
   Ich wollte nie eine Familie, ein Haus oder einen Hund. Aber wenn ich mir sie so ansah, wie sie sich an mich klammerte, erschien mir die Vorstellung plötzlich gar nicht mehr abwegig. Wäre ein so ganz normales Leben vielleicht gar nicht so schlimm, wie ich ursprünglich dachte? Nein, du Idiot. Du hast dich für diesen Job entschieden, weil du schon immer ein Einzelgänger warst. Du wolltest viel Geld verdienen, Menschen lieber beseitigen, als dich ihnen zu nähern und tun und lassen, was du willst.  Ich dachte an meine Eltern, die der beste Beweis waren, dass Beziehungen Schwachsinn waren. Sie waren eine Lüge, weil Liebe vergänglich war. 
   Wir stiegen ins Auto und fuhren zu ihrer Wohnung zurück. Dort angekommen, öffnete ich ihr die Beifahrertür und reichte ihr zum Aussteigen die Hand. Ich hatte sie betrunken gemacht, jetzt würde ich ihr zumindest beim Gehen helfen. Sie suchte mit ihren hohen Stiefeln Stand und rutschte. Sofort schnellte mein Arm hervor und stützte sie. Sie kicherte erst und bekam dann einen Lachkrampf. Ich schnaubte. Fuck. Ich musste mit dem Alkohol in Zukunft viel vorsichtiger sein. Welche Zukunft? Für ein weiteres Date bestand keine Notwendigkeit. Zumindest wenn sie inzwischen nicht noch weitere Dateisicherungen vorgenommen hatte.
   Sie beruhigte sich allmählich.
   »Das war der witzigste Abend seit langem«, sagte sie.
   »Ja, ich kann mich kaum halten«, gab ich mit ernster Stimme und sarkastischem Unterton bekannt, was sie erneut in Gelächter ausbrechen ließ. Nun musste ich ebenfalls schmunzeln. 
   In ihren Augen glänzten Lachtränen im Licht der Straßenlaterne.
   Ich ging mit ihr die Treppe hoch zur Haustür, wo sie in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel grub. Sie zog ihn hervor und wackelte damit vor meiner Nase herum. Eine Eigenschaft an ihr, die mich provozierte. Ich schnappte ihn ihr aus der Hand. Wenn das zur Gewohnheit wurde mir frech irgendwelche Sachen vor die Nase zu halten, würde ich ihr dieses Verhalten unter Stöhnen abgewöhnen. Ich schloss die Tür auf. Sie ging an mir vorbei in den Flur und drehte sich zu mir um.
   »Willst du noch mit reinkommen?« Na bitte.
Ich lächelte. Meine Strategie war vielleicht nicht Gentleman-like. Aber sie war effizient.
   »Liebend gern.«
   Ich hing meine Jacke an einen der Haken, schloss die Tür und folgte ihr.
Eins hatten wir gemeinsam, Harper. Wir freuten uns, wenn alles perfekt durchgeplant war und genauso kam, wie wir es wollten.

Merry dark Christmas, my Love!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt