5 - Kraftlos

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Noch ein Update, weil ich euch so lieb habe 💙😌
Das war's dann aber für heute! 😉

[Louis]

Fünf Stunden später, geschuldet einer Verpflegungspause, fuhr ich auf den mir altbekannten Hof, holte Grace aus dem Wagen und ging zur Tür, um zu klingeln.
Es war bereits spät, und ich hatte ein schlechtes Gewissen, unangemeldet aufzutauchen. Doch ich brauchte jetzt meine Schwester.

Die Tür öffnete mir Lewis, der mich überrascht ansah, ehe er anfing zu lächeln. „Was machst du denn hier? Kommt rein!" sagte er sofort und machte mir den Weg frei. Ich nickte ihm dankend zu und ging in den Flur.
„Ist Lottie auch da?" fragte ich ihn.
Er nickte. „Babe? Komm mal!" rief er und ich blieb mit Grace im Arm im Flur stehen.

„Was gibt's denn?" rief sie und ich hörte sie die Treppe hinunterkommen. Als sie mich sah, weiteten sich ihre Augen. „Lou..." sagte sie leise und kam zu mir. „Ist was passiert?"
„Ich brauche Hilfe, Lottie..." sagte ich leise und sah sie beinahe schon flehend an.
Meine Schwester sah mich einen Augenblick an, dann nickte sie und nahm mir Grace ab. „Hallo, mein Schatz. Du bist ja wach! Das gehen wir schnell ändern, na komm, Engelchen." Sie küsste ihre Wange, sah noch einmal kurz zu mir und verschwand dann oben mit ihr im Gästezimmer, das mittlerweile kindgerecht für mich und Grace eingerichtet war und über ein Reisebett für die Kleine verfügte.

„Möchtest du was trinken?" fragte mich Lewis, als ich mir die Schuhe auszog. „Ein Bier, bitte." Ich sah ihn an und lächelte leicht, folgte ihm in die Küche. Grace war jetzt hier sicher und ich nicht allein mit ihr, also konnte ich auch etwas trinken.
Ich setzte mich an die Küchentheke, er gab mir das Bier, nachdem er es geöffnet hatte und ich trank einen Schluck, stützte die Unterarme auf der Küchenplatte ab und starrte gedankenversunken vor mich hin.
„Hast du Hunger? Es gibt noch Salat und Hühnchen."
„Danke, nein." Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Hunger."
Wir unterhielten uns ein bisschen, bis Lottie in die Küche kam und das Babyfon auf die Theke stellte. „Schläft. Gern geschehen." sagte sie und küsste meine Wange. Dann sah sie zu Lewis. „Kannst du uns einen Moment geben?"
Ihr Mann nickte und verschwand aus der Küche. Ich war mir ziemlich sicher, dass er ganz froh war, nicht hier sein zu müssen. Es war momentan wohl eher krampfig als spaßig, sich mit mir zu unterhalten.

„Also..." Lottie setzte sich neben mich. „Du fährst vier Stunden, weil du Hilfe dabei brauchst, Gracey schlafen zu legen?" fragte sie mich scherzhaft und sah mich prüfend an.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich musste da raus."
„Wo raus? Aus deiner Wohnung?"
Ich nickte, sah zu ihr. „Ich war heute auf Nick und Loreen's Hochzeit. Es war ausgemacht, dass Stacey auf die Kleine aufpasst. Sie war jedoch nicht da."
Lottie schnaubte. „Verdammtes Miststück! Wann entziehst du ihr endlich das Sorgerecht? Sie kümmert sich doch überhaupt nicht um sie!"
Seufzend trank ich einen Schluck Bier und fummelte an dem Etikett herum. „Ich schaffe das nicht allein, Lottie. Ich bin überfordert."

„Ach, Lou." sagte sie leise und umarmte mich. „Ich helfe dir, das habe ich dir doch gesagt."
Ich legte die Arme um sie und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren. Es tat gut, das musste ich zugeben. Ich hatte diese Umarmung mehr gebraucht, als ich es mir selbst eingestanden hatte, das wurde mir jetzt klar.
„Wieso bist du nicht eher gekommen? Lou, du hast so abgenommen, du bist ja nur noch Haut und Knochen." Sie strich mir über den Rücken.
„Das wird wieder. Kann ich ein paar Tage bei dir bleiben?"
„Solange du willst, Bruderherz." Lottie löste sich von mir und sah mich an. „Ist noch was passiert?" fragte sie leise. Sie kannte mich wirklich viel zu gut.

„Ich habe heute Harry getroffen." flüsterte ich.
Lottie's Augen wurden groß. „Er war auf der Hochzeit?" Ich nickte bestätigend und erzählte ihr kurz von den heutigen Geschehnissen.
Sie hörte mir aufmerksam zu, ehe sie die Arme verschränkte und nachdenklich wurde. „Hat Nick das geplant, damit ihr euch seht?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Wäre ihm zuzutrauen. Du hättest ihn sehen sollen..." Ich sah sie an. „Er sah so unglaublich gut aus." Meine Stimme wurde belegt und ich seufzte leise auf. „Ich...Lottie, kann ich ehrlich zu dir sein?"

„Was anderes erwarte ich auch nicht. Du weißt, wir lügen uns nie an." antwortete sie schlicht.
„Wenn Gracey nicht wäre..." Ich sah auf den Boden. „Es ist immer alles so dunkel, Lottie. Ich fühle mich so ausgelaugt und kraftlos. Ich möchte nur noch Ruhe."

Lottie's Augen wirkten ängstlich, doch sie ließ es sich nicht anmerken. „Ich mach dir einen Vorschlag. Ich kümmere mich morgen um die Maus, dann kannst du dich mal ausruhen."
Sofort schüttelte ich den Kopf. „Das geht nicht!"
„Und wieso nicht? Darf man sich als Elternteil nicht einmal Zeit nehmen, um zu Kräften zu kommen? Gibt's da irgendein Gesetz? Lou, du kümmerst dich seit fünf Monaten praktisch 24 Stunden lang um sie, ich bitte dich, du brauchst eine Pause!" Sie wurde eindringlicher und schließlich nickte ich leicht. „Okay, alles klar. Danke, Lots."
Sie umarmte mich noch einmal. „Und nun geh schlafen. Du kannst durchatmen, Lou. Alles wird gut."

Ich nickte, war nicht überzeugt, doch beließ es dabei. Ich wollte ihr nicht noch mehr Sorgen bereiten als so schon. Also holte ich noch das Gepäck aus dem Auto und ging leise in das Gästezimmer. Kurz sah ich noch nach Grace, dann zog ich mich aus, wechselte in einen Jogginganzug und legte mich in das weiche Bett, dass mir so vertraut war.
Ich zog die Kapuze über den Kopf, dann schloss ich die Augen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich ruhig wurde und in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.

***

Als ich wieder aufwachte, war es draußen hell. Ich sah auf den Wecker neben dem Bett und stellte fest, dass es bereits elf Uhr war. Ein kurzer Blick um mich herum machte klar, dass Lottie Grace noch immer bei sich hatte und ich fiel zurück in die Kissen und sah an die Decke.
„Noch ein bisschen schlafen." murmelte ich zu mir selbst, schloss die Augen wieder. Ich war kraftlos und zu müde.

Sanfte Berührungen weckten mich das nächste Mal und ich öffnete die Augen. Vor mir neben dem Bett hockte Lottie und strich mir durch die Haare.
„Hey." flüsterte sie, sah mich sanft an.
„Wie spät ist es?" fragte ich müde und sah sie an. „Es ist gleich 18 Uhr Lou. Du hast fast den ganzen Tag geschlafen. Du musst etwas essen."
Ich sah mich um. „Wo ist Gracey?" fragte ich alarmiert.
„Lewis füttert sie gerade. Alles gut." antwortete sie beruhigend und strich mir weiter durch die Haare, weshalb ich leise aufseufzte.
„Willst du aufstehen?" fragte sie mich leise, ich schüttelte den Kopf. Am liebsten nie wieder.

„Okay...ich..." Sie wurde unterbrochen durch die Klingel unten und sah zur Tür. „Ich bin gleich wieder da, ja, Lou?"
Ich nickte und schloss die Augen wieder, ich war so müde. Ich bemerkte, dass sie ging, doch ich ließ die Augen geschlossen und atmete tief ein und aus. Ich musste bald aufstehen, ich musste mich um Grace kümmern, doch ich hatte keine Kraft.

Unten entstand ein gedämpftes Stimmengewirr, was ich ignorierte, doch nur wenige Augenblicke später ging die Tür zum Gästezimmer auf.
„Lou!"
Ich riss die Augen auf und im ersten Moment dachte ich, dass ich träumte. Ich setzte mich langsam auf und Harry kam schnell auf mich zu und nahm mein Gesicht in seine Hände, musterte mich eindringlich, dann griff er meine Hände und zog auf beiden Seiten die Ärmel kurz hoch. „Hast du dir was angetan?" fragte er ernst und ich schüttelte perplex den Kopf. „N-Nein, ich hab...geschlafen..." hauchte ich erschrocken.

Er sah zu mir in meine Augen und ging einen Schritt zurück.
„Verdammt, Louis!" rief er aus und raufte sich die Haare. Er sah mich aufgelöst an und ich blickte zu ihm mit großen Augen.
„W-Was machst du hier?"
„Das kann ich dich auch fragen! Du verschwindest einfach so, in London bist du nicht aufzufinden! Niemand weiß was!" rief er wieder und ging ein paar Schritte auf und ab. „Ich bin jetzt vier Stunden hierhergefahren, Louis!"
Er hockte sich vor dem Bett hin und sah mich an, seine Augen schimmerten verdächtig und er sah mir in die Augen.

Ich sah ihn überfordert an. „Du bist wirklich hier? Das ist kein Traum?" hauchte ich leise, woraufhin er seine Hände an meine Wangen legte und seinen Kopf schüttelte. Die Berührung ließ mein Herz beinahe explodieren.
„Ich bin hier, Lou..." flüsterte er und ich konnte sehen, wie er mit den Tränen kämpfte. Als ich das sah, musste ich sie ebenso zurückhalten.
„Wieso?" Ich biss mir auf die Lippe und zog die Augenbrauen gequält zusammen.
„Ich wusste ja nicht, wie schlecht es dir geht. Ich dachte, du kommst zurecht. Lou, es tut mir so leid, dass ich nicht eher gekommen bin." sagte er und ich sah ihn erschüttert an.
„Du hast doch nichts damit zu tun...es...es geht mir gut, ich..." Harry unterbrach mich. „Hör auf, Lou! Lüg mich nicht an. Du musst dich für nichts schämen."

Aufgelöst sah ich ihn an, ehe die Tränen kullerten und ich aufschluchzte. Ich legte meine Hände auf seine Brust, um mir selbst bewusster zu machen, dass er da war. „Haz..." sagte ich schluchzend und er zog mich in seine Arme.

How To Love Your Enemy | Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt