Schatten tanzten über den glitzernden Schnee, als Pietro den Hof betrat. Die fernen Lichter hinter den einzelnen Fenstern verfingen sich in den knorrigen Ästen der Bäume im Garten. Der Wind ließ die vom Frost benetzten Zweige knacken und pfeifen, dazu sahen ihre Schatten im schwachen Laternenschein aus, wie Hände die nach einem Greifen wollten.
Pietro zog den Reißverschluss seines schwarzen Wollmantels bis unter sein Kinn und band den wärmenden Schal zu einem festen Knoten, schützend vor dem eisigen Wind, um seinen Hals.
Mit schnellem Schritt durchquerte er den Garten und den Innenhof. Das in die Jahre gekommene verrostete Eisentor schloss sich mit einem unangenehmen quietschen hinter im, als er auf die verlassene Straße trat.
Es war Anfang Dezember und die Temperaturen fielen stetig. Er überlegte eine zweite Jacke in seiner Tasche zu verstauen, um immer eine da zu haben, falls es noch kälter werden sollte.
Mit kalten Händen, rau von der trockenen Eisluft, griff er in seine dunkle Schultertasche und tastete zwischen seinem Schlüsselbund und seinen kobaltblauen Wollsocken, nach seinen Handschuhen.
Sehnsüchtig zog er ein Paar aus seiner Tasche, sich darauf freuend, seinen schmerzenden Fingern Schutz vor dem Wind bieten zu können. Mit den Handschuhen zog er auch unabsichtlich einen weiteren Gegenstand aus der Tasche heraus, ein kleiner Zettel segelte langsam zu Boden.
Er war sorgsam in der Mitte geknickt und zusammengefaltet worden. Wem auch immer dieser kleine Brief gehörte und ihn in seine Tasche gelegt hatte, wollte vermutlich dass er ihn nicht sofort fand, so tief in seiner Tasche vergraben.
Es war viel zu dunkel um die kleinen Buchstaben darauf erkennen zu können, so eilte er zur nächsten Laterne um besser sehen zu können. Das spärliche Licht der Straßenlaterne spendete gerade genug Licht um den Brief zu lesen.
Warum weißt du mehr über mich als ich selbst? Wer bist du, dass du es weißt?
Stand in feinen Lettern darauf geschrieben. Die Handschrift war sehr ordentlich und gut zu lesen, Pietro war sie auch bekannt. Es stand kein Name drauf und doch wusste er genau, wer ihm diesen Zettel geschrieben hatte. Was er nicht wusste, wie er in seine Tasche gekommen war, diese stand immer in seinem Spind in der Umkleide.Mit einem merkwürdigem Gefühl im Magen sah er sich um, er fühlte sich beobachtet, verfolgt. Das schon seit er das schützende Eisentor des Hofs hinter sich geschlossen hatte. Ein paar Äste knackten in der Ferne, doch niemand war zu sehen. Nur der Wind rauschte pfeifend zwischen den Bäumen umher.
Er drehte sich in die Richtung der Klinik, sein Blick schweifte über die vielen Fenster. Es waren nur wenige Lichter an, doch eines davon zog seinen Blick magisch an. Dort stand sie, das Haar lag ihr offen über die Schultern. Es erinnerte ihn an fallendes Herbstlaub, warm schmiegte es sich um ihren Hals und umrahmte ihr Gesicht.
Die Schönheit neigte den Kopf und blickte jetzt genau in seine Richtung. Sie sah nur ihn, sein Haar so weiß, vom Mondlicht geküsst, stand er da während sich die weißen Flocken in seinen Strähnen verfingen.
Und sie stand noch immer am Fenster, auch als er sich umdrehte und in der Finsternis der Nacht verschwand, gefolgt von vielen Schneeflocken und dem kalten Wind im Rücken.
»»»
Als er am Morgen erwachte, fühlte er sich wie erschlagen. Als hätte man gestern auf ihn eingeprügelt und ihn an Ort und stelle liegen lassen. Die schützende wärme der Bettdecke lullte ihn ein und er konnte sich partout nicht darauf einlassen aufzustehen. Es war noch finster draußen und die Schwere der Dunkelheit kroch in jeden Winkel und unter jede Bettdecke.
Mit einer Hand rieb er sich übers müde Gesicht und warf dabei einen verstohlenen Blick auf den kleinen Wecker. Dieser stand auf seinem kleinen Nachttisch, stetig vor sich hin tickend.
Er hatte in der Nacht schlecht geträumt. Albträume hatten ihn quer durch die Traumwelt gejagt und ihm keine Ruhe gegeben. Kurz setzte der Blonde sich im Bett auf, ließ sich jedoch im nächsten Augenblick rücklings wieder auf die Matratze fallen. Erschöpft schloss er die Augen und drehte sich auf die Seite, er wollte sich nicht länger so fühlen.
Doch um sein Problem zu beheben, müsste Pietro erst mit der Ursache all seiner Sorgen reden. Nadija.
Mit ihr zu reden würde aber bedeuten, sie aus ihrem neuen heilen Leben zurück in ihre kaputte und schmerzende vergangene Welt zurückzubringen. Fest stand jedoch: früher oder später, würde er es tun müssen.
Die Vergangenheit könnte sonst nie ruhen und weder Nadija noch er, jemals Frieden damit finden.
Sein Entschluss stand nun fest, er würde heute mit ihr reden, er wollte nicht länger vor der Vergangenheit davonlaufen. Aber vorher musste er noch mit jemand anderem sprechen.
Wiederstrebens erhob er sich aus seinen Laken und wanderte mühsam in die Küche. Dort nahm er den Hörer seines Telefons in die Hand und tippte eine Nummer ein. Als das klingeln ertönte hielt er sich den dunkelroten Hörer ans Ohr.
„Natalie Rushman, mit wem spreche ich?", sprach eine Frauenstimme in englisch und Pietro musste augenblicklich grinsen, so meldete sie sich eigentlich nur bei Clint. Doch im nächsten Augenblick wurde ihm der Grund seines Anrufs wieder bewusst und das grinsen erstarb.
„Natasha, ich bin's. Du kannst Yelena sagen, sie muss nicht weiter suchen. Ich hab sie gefunden."
„Verstehe", vernahm er leise am anderen Ende der Leitung, die im nächsten Moment schon unterbrochen wurde. Den Hörer legte er auf und nach kurzem Zögern verließ er die Küche um sich anzuziehen.
Nur wenige Minuten später zog er die Haustür hinter sich zu und schlug den Weg zu dem Haus mit den vielen Fenstern und den unendlich langen Fluren ein.
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STRANGE MEMORIES, pietro maximoff
Fanfiction✧・゚: PIETRO MAXIMOFF war kein Held, da Helden für gewöhnlich nicht vergessen wurden. (Denn für einige scheint er nie existiert zu haben.) Der Wolf und das Lamm. Nach dem Fall von Sokovia versucht Pietro Maximoff den Weg in ein normales neues Leben...