40 - Eine tragische Verwechslung

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Richard entfernte sich nicht weit vom Haus. Es war einfach zu dunkel, um im weitläufigen Park viel erkennen zu können und er wollte vermeiden in Marc mit seiner Pistole hineinzulaufen, jedenfalls ehe er Robin gefunden und in Sicherheit gebracht hatte. Allerdings war die Nacht so dunkel und es war bis auf die Geräusche aus dem Haus so still, dass er fast annahm, es wäre falscher Alarm gewesen und Marc war überhaupt nicht hier. Viv war sichtlich aufgewühlt gewesen und hatte die Situation möglicherweise falsch eingeschätzt. Allerdings hatten er und Samantha die Schüsse gehört und allein diese waren in einer Welt, in der das Tragen von Schusswaffen verboten war, wie er inzwischen gelernt hatte, alarmierend genug. 

Anhand des Geräusch des Schusses den Schützen zu lokalisieren war des Nachts fast unmöglich. Richard kannte die Umgebung gut genug, um zu wissen, dass ein Schuss, der nah beim Wald abgegeben wurde, klingen konnte, als stünde der Schütze direkt neben einem. Der Wald hatte sich nicht verändert. Das wusste er, ebenso wie er wusste, dass es der Rest des Parks durchaus in den letzten zweihundert Jahren getan hatte. Da standen Bäume an Stellen, wo früher noch keine gestanden hatten und selbst die Wege verliefen anders durch den Park. Er hatte Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Die einzigen Orientierungspunkte, die sich nicht verändert hatten, waren der natürliche Bachlauf, der zwar von einer kleinen Steinbrücke überspannt und zum Teil eingefasst worden war, aber ansonsten seinen Lauf nicht verändert hatte und der Wald, der abweisend und schwarz vor ihm lag wie eh und je.

Es erschien ihm sinnlos, durch den Park zu irren und das Gebüsch abzusuchen und sich die Zehen an Steinen und Einfassungen von Blumenbeeten zu stoßen. Es fröstelte ihn, denn die Luft war bei weitem nicht so lau, wie er vorhin gedacht hatte, als er mit Samantha, erhitzt vom überfüllten Ballsaal, ins Freie getreten war. Außerdem erinnerte ihn das ganze unangenehm an eine andere Nacht in der Vergangenheit. Die Nacht, in der Carlotta und Hatfield ihre wahren Gesichter gezeigt und sein Haus auf der Suche nach dem Schatz verwüstet hatten. Widerwillen stieg in ihm auf, aber er war nie ein Mann gewesen, der sich einer Verpflichtung entzog, selbst wenn er sie sich aus falschem Ehrgefühl selbst auferlegt hatte. Also ging er weiter.

Richard hielt sich zunächst dicht beim Haus, gerade so weit außerhalb des Lichtscheins, der durch die Fenster drang, dass man ihn nicht gleich sehen konnte. Außerdem duckt er sich, wo immer es möglich war, in die Deckung von Sträuchern und Hecken. Auf diese Art umrundete er das Haus. Bald kam er sich lächerlich vor. Denn er hörte keine Schüsse mehr, sondern lediglich die Musik, die aus dem Haus nach draußen drang und sah an den Schatten, die am Fenster vorbeihuschten, dass noch immer unbeirrt getanzt wurde. Wenn Robin längst wieder drinnen war und munter mit Samantha tanzte, würde er ihm was erzählen! 

Richard bog um die Hausecke und kam dort an, wo früher der Stallhof gewesen war. Jetzt war die Fläche geteert, der Stall und die Remise abgerissen und einem hässlichen Sammelsurium aus Schuppen und Garagen gewichen. Die Fläche wurde heute Nacht als Parkplatz genutzt. Die glatte Oberfläche der Autos glänzte im fahlen Licht, das aus einem der Fenster drang.

Im Vorübergehen vergewisserte er sich, dass die Seitentür, zu seiner Zeit eine viel genutzte Abkürzung, aber jetzt halb mit Efeu überwachsen, nicht verschlossen war, und ging weiter. Es war gut eine Rückzugsmöglichkeit zu haben, sollte er tatsächlich Marc in die Arme laufen. Falls dieser überhaupt hier war. Denn es blieb weiter alles still.

Dann gelangte er zur Vorderseite des Hauses. Auch hier standen ein paar Auto am Rand und ließen gerade so viel Platz, dass der Wendeplatz vor dem Haus, einst für Kutschen angelegt und jetzt von einer hässlichen Skulptur verunstaltet, noch genutzt werden konnte. Zwischen den Platanen, die die Mündung zur Auffahrt beschatteten, stand das Motorrad. Marc war also hier und Robin befand sich in Gefahr.  Richard verwarf den Gedanken daran, sich wieder unter die Feiernden im Haus zu mischen endgültig, denn er hatte bei dem Zusammenprall von Marc und Robin genug gesehen, um zu wissen, dass Marc kein Mann war, der sich provozieren ließ und dann einlenkte oder vergaß. 

Die Schatten von FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt