41 - Das Amulett

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„Richard."

Er hätte die Stimme, auch wenn sie klang wie ein lautes Flüstern, immer und überall erkannt. Es war Samantha, die ihn rief. In seine Verärgerung, weil sie nicht auf ihn gehört und das Haus verlassen hatte, mischte sich die pure Erleichterung zu leben und so konnte er nicht verhindern, dass er breit lächelte, als er mit langen Schritten auf sie zu ging. Marc war auf der Flucht, verfolgt von Polizisten. Robin war in Sicherheit. Eine weitere Gefahr war überstanden. Sie konnten endlich nach Hause gehen.

„Ahh!"

Fassungslos sah er zu, wie sich eine schwarze Gestalt aus den Schatten löste und sich auf Samantha stürzte, sie am Arm packte und zu sich herumriss. Ihr Lächeln wurde zur panischen Fratze. Sie schrie auf. Richard erstarrte in der Bewegung und der gequälte Laut drang ihm wie Nadelstiche unter die Haut. Marcs schwarze Motoradkluft hatte in der Nacht wie ein Tarnmantel gewirkt. Er hatte die Polizei an der Nase herumgeführt und war nicht in den Wald gelaufen, wie Richard angenommen hatte. Natürlich nicht. Er wollte zu seinem Motorrad, das vor dem Haus stand. Richard hätte sich ohrfeigen können, weil er das Offensichtliche nicht hatte kommen sehen.

„Lass Sie gehen!", brüllte Richard.

Marc ließ Samanthas Arm los, aber nur um sie aus nächster Nähe mit seiner Pistole zu bedrohen.

Richard wusste nicht, ob Marc erkannte, dass er nicht Robin war, oder ob er wusste, dass er derselbe war, den er vorhin bei dem Baum hatte erschießen wollen. Es war keine Zeit für klärende Gespräche und keinem war daran gelegen. Marc musste fliehen und jetzt hatte er eine Geisel.

„Sie kommt mit." Marc bedeutete Samantha mit einer Bewegung aus dem Handgelenk, dass sie ihm voraus gehen sollte.

Samantha, eingeschüchtert von der Waffe, tat was er wollte. Sie warf Richard einen flehenden Blick zu, der ihn weniger bat, ihr zu helfen, als vielmehr nichts Selbstmörderisches zu tun. Also blieb Richard wie angewurzelt stehen und sah dabei zu, wie Marc Samantha in Richtung des Parkplatzes dirigierte. Sie schritt langsam vorneweg, die Anspannung war ihr anzusehen. Ihre Hände hatte sie an den Seiten zu Fäusten geballt und ihr Gesicht wirkte steinern. Marc ging mit erhobener Waffe hinter ihr. Wenn sie zögerte stieß er ihr mit der Pistole in den Rücken und schubste sie vorwärts.

Marc überprüfte mit einem Blick über die Schulter, ob Richard noch an Ort und Stelle war. „Du bleibst schön hier. Und wehe, ich höre einen Mucks, dann erschieße ich erst sie, dann dich."

Richards Brust hob und senkte sich heftig vor unterdrückter Wut und Sorge. Sich zu beherrschen fiel ihm schwer, aber er verharrte an Ort und Stelle, wie angewachsen. Kalte Wut flutete seine Adern, während er die Art und Weise erwog, wie er Marc umbringen würde.

Erst als Marc und Samantha aus seinem Sichtfeld verschwunden waren, setzte er sich in Bewegung und folgte ihnen so unauffällig wie möglich und mit einem gewissen Abstand, um Samantha nicht in Gefahr zu bringen. Wieder deckte ihn die Dunkelheit und dann die Garagen und Schuppen, die parkenden Autos und schließlich die Bäume bei der Auffahrt.

Richards Verdacht war richtig gewesen, Marc wollte zu seinem Motorrad, das er zwischen den Platanen, unweit vom Haus hatte stehen lassen. Allerdings standen ganz in der Nähe, auf der Wendefläche die beiden Polizeiautos, deren Lichter aus waren und die verlassen wirkten. Alle Polizisten schienen im Park nach dem Schützen zu suchen. Es blieb alles ruhig und Marc gelangte unbehelligt zu seinem Motorrad, Samantha noch immer in seiner Gewalt.

Er wies ihr an, stehen zu bleiben und sie tat es. Dann musste er die Waffe senken, um sich auf sein Motorrad zu schwingen.

„Komm her", befahl er Samantha.

Die Schatten von FerywoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt