10. Dreieckskonstellation

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Die Schule ist früher kein schöner Ort für mich gewesen. Zwar bin ich eine der wenigen gewesen, die sich keine Sorgen um ihre Noten machen musste, allerdings kosteten mir meine Mitschülerinnen und Mitschüler wertvolle Nerven.

In jeder Sekunde habe ich befürchtet, einen blöden Spruch abzubekommen.

Seitdem ich versuche, unter dem Radar zufliegen, hat sich mein Leben erheblich erleichtert. Ness ist zwar nach wie vor für einen gemeinen Seitenhieb zu haben, aber Gregory lässt mich in der Regel in Frieden. Gregory, the wall, White belegt den Spind neben mir und er hat einst keine Gelegenheit ausgelassen, mich zu schikanieren.

Ausnahmen bestätigen leider die Regel und solch ein Tag scheint heute zu sein. Eigentlich habe ich nur mein Geschichtsbuch aus meinem Spind holen wollen, doch der zwei Meter große Eishockeyspieler Gregory scheint langweilig zu sein.

»Ups, sorry, das wollte ich nicht«, äfft er amüsiert und schlägt meine Spindtür wiederholt zu. Er nennt dieses Spiel ‚Das schnelle Finger Spiel', da man rasch die Finger aus dem Spind ziehen muss, bevor er das Blech mit voller Wucht zuschlägt.

Leider kann ich so mein Buch nicht herausholen und bin gezwungen den Spind immer und immer wieder zu öffnen und zu hoffen, dass er bald die Lust an dem Spiel verlieren würde.

An manchen Tagen hat Gregory mich die ganze Pause nicht in Ruhe gelassen, sodass ich zu spät in den Unterricht gekommen bin. Zum Glück ist das heute nicht der Fall, denn schon nach wenigen Minuten verschwindet er.

Gerade rechtzeitig, denn in diesem Moment taucht Chris mit seinen Freunden auf. Sie stehen um Chris' Spind und unterhalten sich aufgeregt.

Wie schon die letzten Male öffne ich die Tür und strecke meinen Kopf gerade so weit hinein, dass ich nicht komisch dabei aussehen.

»Das war das schlimmste Date, das ich je hatte!« Wie erwartet sprechen sie über letztes Wochenende und das Date. »Zum Glück gibt sie mir eine zweite Chance«, verkündet er stolz.

»Seit wann interessieren dich zweite Chancen, Chris?«, fragt Jasper.

»Ja, seit wann so weich, Sinclair?«, zieht ihn Reggie auf. Chris wirkt unbeeindruckt von den Sticheleien seiner Freunde.

»Ich kann mir auch nicht erklären, warum ich so interessiert an ihr bin, aber ich bin es.« Chris zuckt mit den Schultern und strahlt eine entspannte Energie aus.

Nun habe ich genug gelauscht. Schließlich neigt sich meine Pause dem Ende zu und ich muss ein gutes Stück zur nächsten Klasse laufen. Ich schließe meine Spindtür mit etwas zu viel Wucht und gehe an Chris und seinen Freunden vorbei.

Zumindest habe ich das vorgehabt, doch soweit kommt es nicht.

»Lilly Robertson?«, spricht mich Chris unerwartet an, gerade als ich an ihm vorbeigegangen bin. Meint er mich? Er kennt eigentlich meinen Namen nicht.

»Ja...«, antworte ich kleinlaut und drehe mich langsam um. Chris Sinclair steht direkt vor mir und ich habe meine schützende Rüstung nicht an. Das lässt mich verletzlich fühlen. Hilfe...

»Hi, ich habe ein paar Probleme in Chemie und du wurdest mir als Nachhilfelehrerin zugeteilt!«, erklärt er bemüht freundlich.

Scheiße! Das Schüler-hilf-Schüler Programm. Das habe ich mittlerweile schon wieder vergessen.

»Ämm, ja ämm...«, stottere ich schüchtern. Hol Alison raus, Lilly! Jetzt brauchst du sie mehr als sonst.

»Perfekt. Ich gib dir meine Nummer, dann können wir das genauer klären«, schlägt Chris entspannt vor und holt erwartungsvoll sein Handy hervor.

Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten. Ich muss schnell kreativ werden. Immerhin kann ich ihm meine Nummer nicht zweimal geben.

»So- Sorry, aber mein Handy ist kaputt und das dauert ein paar Tage. Können wir vielleicht über Instagram schreiben?« Ich versuche, nicht ganz so überfordert zu wirken, wie ich mich fühle.

»Gut, du solltest meinen Benutzernamen schnell finden. Ich würde vorschlagen wir treffen uns jeden zweiten Sonntagvormittag bei mir. Hast du da prinzipiell Zeit?«

»Ämm, ja... Ja, das klingt gut.«

Chris kann zweifelsohne die Angst in meinem Gesicht erkennen, doch nickt nur. »Schreib mich an und ich schick dir meine Adresse. Sonst alles gut bei dir?« Seine Stirn liegt in Falten und er mustert mich neutral. Er fragt sich bestimmt, welcher nervöser Stottermax seine Nachhilfelehrerin wird.
»Ja, muss nur schnell los. Bis dann«, sage ich unbeholfen und gehe so schnell, wie ich kann weiter.

Das darf doch jetzt nicht wahr sein?! Es ist schon schwer genug, Alison-Chris zu managen, aber eine Alison-Chris-Lilly Konstellation? Das wird schwer, verdammt schwer. Und gefährlich...

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Hi, nach dem extrem langen Kapitel 8 folgen jetzt drei etwas kürzere :) Viel Spaß beim Weiterlesen! Kommentiert gerne und lasst ein paar Votes da ❤️




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