Alte Bekannte

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Die Tage vergingen, ohne dass Ejahl eine Nachricht von Kematian erhielt. Er hatte nichts anderes erwartet. Der Rabe schrieb nie Briefe, wenn es nicht absolut unabdingbar war. Er tauchte auf, wenn er etwas benötigte, und verschwand ebenso schnell wieder.

Ava sprach weiterhin nur wenige Worte mit ihm und ging ihm größtenteils aus dem Weg. Immer wieder faszinierte es ihn, wie ähnlich sie Kematian war, obwohl sie nicht dasselbe Blut teilten.

V erlangte in den nächsten Tagen erneut einen Funken ihres Lebenswillens und verschwand mit Jeanne immer öfter auf die Dächer. Offenbar hatten sie geklärt, was zwischen ihnen stand, denn manchmal kehrten sie erst so spät zurück, dass er schon befürchtete, sie wären den Raben zum Opfer gefallen.

Oft genug hatte er mit dem Gedanken gespielt, ihnen jemanden nachzuschicken, aber letztlich war er dem Vorhaben nie nachgegangen. Keiner der Diebe könnte in einem Kampf gegen die Raben mehr vollbringen als Jeanne und mehr Beteiligte würden nur mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

So vergingen die Tage und er wartete. Bis seine Verletzungen heilten und bis Kematian zurückkehrte.



»Nein, nein.« Ejahl wedelte mit den Händen. Er wandte sich kurz ab, um in seine Ellenbeuge zu husten, ehe er fortfuhr: »Das habe ich nicht sagen wollen.«

Jeanne und V saßen vor ihm und hatten ihm den irrigen Vorschlag unterbreitet, den Juwelier auszurauben.

»Was ich meinte«, sagte Ejahl. »Er ist einer von uns. Dafür, dass wir ihn in Ruhe lassen, gibt er uns regelmäßig eine Liste seiner Kunden. Das ist viel wertvoller als ein großer Raubzug, bei dem wir einen unserer besten Informanten verlieren würden.«

»Oh«, machte V nur und Jeanne presste die Lippen zusammen.

»Und V, von Jeanne bin ich nichts anderes gewöhnt, aber du bist doch eigentlich ... weniger kriminell.« Er seufzte. »Aber vermutlich sollte ich mich nicht wundern. Ich setze dich schließlich diesem Einfluss aus.« Er runzelte die Stirn und wandte sich an Jeanne. »Weißt du nicht eigentlich von unserem Abkommen mit dem Juwelier?«

Schritte ertönten auf der Treppe, ehe die Diebin zu einer Antwort ansetzen konnte. Die Tür schwang auf und ein junger Mann stolperte hinein.

»Schon gut, schon gut«, sagte er schnell und hob die Hände. »Ich bin doch den ganzen Weg mitgekommen. Ihr ...« Ihm blieben die Worte im Hals stecken, als er mit verschiedenfarbigen Augen – eines blau, das andere grün – in das Zimmer blickte.

Ejahls Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. »Eugene Mercer«, begrüßte er den Ankömmling. »Eine Freude, dich wiederzusehen.«

Der junge Mann zog den Kopf ein und fuhr sich durch die dunkelblonden Haare. »Ich ... Ich ...«, stammelte er. »Ich weiß doch gar nicht, was ich hier soll.« Er wandte sich zu Kematian um, der hinter ihm das Zimmer betrat und die Tür schloss. »Was mache ich hier?«

Der Rabe antwortete nicht und stieß ihn nur weiter in den Raum hinein.

Eugene hob die Hände höher, als wollte er zeigen, dass er unbewaffnet war und sich ergab.

»Du hast dich in den letzten Jahren gut verborgen gehalten«, sagte Ejahl und stand von seiner Couch auf. »Nicht einmal ich konnte dich finden.«

Eugene sah erst verschreckt zu dem Meisterdieb, dann hilfesuchend zu Kematian. »Was soll ich hier?«, flüsterte er. Erneut blickte er zwischen beiden hin und her und sprach letztlich doch nur zu sich selbst.

The Tale of Greed and VirtueWo Geschichten leben. Entdecke jetzt