21. Oktober 2022: Kindheitserinnerung

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In seinen Augen lag das Glitzern, das die Spiegelungen des Mondes über dem Meer an Schönheit übertrumpfte.

Mir war als betrachte ich ein Kunstwerk, das sich ständig veränderte. Und je länger ich hineinsah, desto mehr bekam ich den Eindruck, dass es meine Gefühle spiegelte und beeinflusste.
Denn anders war diese gewaltige Anziehung nicht zu erklären.

Das Gefühl erinnerte mich an gestern, als ich das Meer zum ersten Mal gesehen hatte. Obwohl das erst ein paar Stunden her war, kam es mir vor wie eine Erinnerung aus einem vergangenen Leben oder aus einer anderen Welt.

Der Gedanke stach wie ein Wespenstich unter meine Kopfhaut und läge ich nicht in Fesseln, wäre ich vor ihm zurückgeschreckt.

„Befinden wir uns noch in unserer Welt?" Ich fragte so leise, dass ich mich selbst nicht hörte; doch Hongjoong lachte. Und da war es wieder.

Dasselbe Rufen. Es rührte an der Sehnsucht, die ich so lang schon empfand und zupfte an meiner Seele, das beides im Einklang zu schwingen begann, so verheißungsvoll, wie die ersten Takte einer virtuosen Sinfonie. Und ich wollte mehr davon, mehr Meer und mehr von ihm.

Es war gefährlich. Wie die Strömung, die Schwimmer bei beginnender Ebbe hinaus aufs Wasser zieht. Und doch ließ ich mich weiter davon tragen - von ihm und seinem ozeangleichen Lachen.

„Wer weiß?" Er beobachtete mich für einen zähen Augenblick, doch dann fühlte ich kaltes Metall direkt an meiner Schläfe. „So oder so ist es meine Welt. Also gib es mir!"

Aus dem Glitzern in seiner Iris, wurden ein Blitzen. Trotzdem gab ich nicht klein bei. Auch wenn kein Klang der Welt schöner war als sein Lachen, wollte ich nicht, dass er mich auslacht.

„Nein! Es ist eine bodenlose Frechheit, dass du uns festhältst, weil DIR vor dreihundert Jahren der Schatz geklaut wurde! DU hättest doch besser darauf aufpassen können!"
Es war dumm. Aber es half. Sobald der Frust einmal draußen war, atmete ich freier unter den dicken Seilen; wenigstens solange, bis ich bemerkte, wie sich seine Gesichtszüge zu einer bedrohlichen Gewitterfront zusammenballten. Herrje.

Meine Zähne gruben sich in meine Unterlippe, doch es war zu spät. Konzentriert blickte ich weiter auf seine Augen.

Und da tauchte es auf. Ein Bild, so scharf wie ein Foto, die Momentaufnahme einer Erinnerung, die nicht meine Eigene war.

Ich sah ihn - Hongjoong. Er musste etwa vier Jahre alt sein. Mit nackten Füßen, aber in eleganter Uniform gekleidet, stößt er sich ab, streckt sich, ein Kurzschwert in der kleinen Kinderhand. Seine Augen funkeln vor Ungeduld und Stolz. Doch ein Arm schlägt seinen zur Seite, das Schwert fällt klirrend zu Boden. Der Mann, den er herausfordern wollte, läuft an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten. Er trägt die gleichen akkuraten Brauen, die gleiche gerade Nase und den gleichen unbeirrten Blick. Sein Vater.

Ich erschrak und das Bild zerriss vor meinen Augen.

Während die Wut in Hongjoongs Gesicht explodierte. „Was machst du da?!" Obwohl ich überzeugt war, dass er mir nichts antun konnte, zuckte ich zurück. Der Lauf der Pistole bohrte sich so fest in meinen Kopf, dass ich fürchtete, er könnte zur anderen Seite wieder herausragen.

„Ich ..." Tränen sammelten sich in meinen Augen und meine Stimme brach. Das Bild hatte keine Gefühle transportiert und doch wurde ich jetzt, da es verschwunden war, von Schmerz überschwemmt. Dieser Junge ...

„Captain!" Der Ruf erklang vom Oberdeck.

Hongjoong verdrehte die Augen und der Druck gegen meine Schläfe löste sich etwas.

Eilige Schritte knallten über das Deck und stoppten auf meiner Höhe neben dem Kreuzmast.

„Ich hoffe, es ist wichtig, Seonghwa!" Hongjoong machte keinen Hehl daraus, dass er seine Zweifel daran hatte.

Der erste Maat warf mir einen schnellen Blick zu. „Oh. Da bin ich mir sicher", antwortete er und ich sah, dass seine Mundwinkel dabei zuckten. Wieviel hatte er mitbekommen?

Die Augenbrauen des Kapitäns rückten enger zusammen. Sein Ärger war längst nicht verraucht. Und die Mündung der Waffe lag noch immer an meiner Schläfe.
„Der Auftrag ist ausgeführt, Captain", vermeldete der Pirat und mich beschlich der Verdacht, dass er nicht gekommen war, um Hongjoong das zu berichten.

War er hier, um mir zu helfen?

Doch er schien mich nicht zu beachten, klopfte dem Kapitän den Rücken und setzte dann verschmitzt hinzu: „Der Fisch muss auch mal gewinnen, sonst hört er auf zu pokern!"

Moment! Wen meint er hier mit Fisch? Zu allem Überfluss zwinkerte er mir zu und sein Lächeln legte alle Zähne frei.

Hongjoong schüttelte den Kopf, dass ihm die Strähnen vor die Augen rutschten und platzte dann heraus: „Recht hast du! Dieser Fisch hat noch einiges zu lernen! Ich fürchte nur, die Zeit wird knapp." Mit einem Glucksen ließ er endlich die Waffe sinken.

„Binde sie los! Da kann der Fisch noch etwas zappeln." Er klopfte seinem Maat auf die Schulter. „Ich sehe mal, was der Rest des Fangs so macht." Und mit einem Lachen, das sich mit der Dunkelheit vermischte, verschwand er.

Noch während ich mich fragte, ob ich erleichtert, beleidigt oder frustriert war, blitzte Metall vor meinen Augen.

Der erste Maat war näher als nötig herangetreten und hatte dabei ein Messer gezogen. Seine Klinge war gebogen wie ein Adlerschnabel und scharf wie eine Tigerkralle und er richtete sie direkt auf meine Brust.

Der Anblick genügte, um mich vergessen zu lassen, wie man atmet.

„Es ist doch eine besondere Ehre, Dampiers Erbin an Bord zu haben." Seine Stimme war überraschend tief.

„Wie meinst du das?" Er verunsicherte mich mehr als Hongjoong. Der Kapitän war der Legende nach verflucht, doch wie stand es mit ihm? Zu was war er fähig?

Statt zu antworten, zertrennte er die Fesseln mit einem Ratsch. Dass er mir dabei einen Schlitz in den Pulli schnitt, betrachtete ich fast als Geschenk.

Als er den Schaden bemerkte, entschuldigte er sich zwar, doch so wie seine Mundwinkel nach oben zeigten, zweifelte ich an seiner Aufrichtigkeit.



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Ich bin zurück ^. ^

Und nach der Pause war es schwerer als gedacht, wieder in die Geschichte zu finden -.-

Doch jetzt geht es weiter und ich hoffe, ihr seid weiter dabei :)

Zwischendrin hatte ich mal angefangen, manche Stellen zu überarbeiten, aber ich glaube, das verschiebe ich dann doch aufs Ende, wenn die Story fertig ist.


Der Ruf des Meeres (Ateez, Hongjoong)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt