Endlich in dem Schlaraffenland, auch als Bäckerei bekannt angekommen stand Josh mal wieder vor der Qual der Wahl und hastete vollkommen überfordert von einer Vitrine zur nächsten. Rafe lehnte an einer hübschen, dekorativen Säule und betrachtete höchst amüsiert die Seele seines Clans. Die dunklen Augen des Mannes glänzten vor Stolz und Glück... ein Omega, der sich wohl und sicher fühlte, demonstrierte dies, in dem er seine Mauern fallen ließ und auch in der Öffentlichkeit sein natürliches, verspieltes Naturell zeigte.
Genau, wie Josh es jetzt gerade tat.
Wie ein kleines Kind drehte er sich im Kreis, die braunen Augen leuchteten förmlich vor Begeisterung, dann hopste er auf und ab und deutete auf die verschiedenen Kekse und Kuchen, die auf großen Präsentiertellern ausgestellt waren. Der ältere Beta, der heute als Verkäufer in dem Laden diente, lächelte nachsichtig und sprach dann folgende Zauberworte: „Wenn du dich nicht entscheiden kannst, wir hätten auch ein paar Kostproben da..."
Josh's Kopf ruckte so schnell zu ihm herum, dass seine Halswirbel bedrohlich knackten und Rafe ein leises warnendes Grollen entlockte. Innerhalb kürzester Zeit hatte der Kleine den großmütig angebotenen Teller mit Köstlichkeiten leergefuttert und linste dann gierig auf die riesigen Schokoladen-Mandel-Baiser Kekse und drückte seine Nase an deren Vitrine platt.
„Diese! Ich will noch mehr von diesen! Bitte!" sabberte er und Rafe lachte leise auf.
„Du hast meinen Omega gehört, Beta. Wir nehmen alle Kekse dort. Und sorg dafür, dass du morgen wieder einen ausreichenden Vorrat hast... wenn mein Schatz brav ist und sich heute benimmt, werden wir morgen noch mehr davon kaufen."
Quietschend vor Freude hüpfte Josh in die Arme seines Alphas und bedeckte dessen Gesicht mit unzähligen Küsschen.
„Danke, danke, danke!!! Die sind sooo lecker!"
Der Riese grinste und fragend mit einem schelmischen Augenzwinkern: „Gibst du mir einen ab zum Probieren?"
Der junge Mann erstarrte... genauso territorial wie sie mit ihrem Clan waren, ebenso besitzergreifend waren Omegas wenn es um Leckereien ging.
Normalerweise waren sie zwar sehr großzügig, aber bei Süßigkeiten hörte der Spaß dann in der Regel doch auf.
Schließlich nickte Josh langsam und strecke eine Hand aus, nahm einen der Kekse und hielt ihn Rafe an die Lippen.
Grinsend biß der Alpha ab und kaute zufrieden.
Eigentlich machte er sich nichts aus Süßkram, aber er hatte testen wollen, wie sehr das Herz des Zirkel sich bereits emotional an ihn gebunden hatte und das Ergebnis befriedigte den Riesen ungemein.
„Wirklich lecker! Da hast du eine gute Wahl getroffen, mein Liebling." schnurrte er und drückte einen sanften Kuss auf Josh's Mundwinkel. Dann schob er ihm die zweite Hälfte des Plätzchens zwischen die Beißerchen und nickte dem Beta zu. „Liefere die Ware bitte gleich an unsere Adresse."
Rafe zog eine Guthabenkarte aus der Tasche und reichte diese dem Mann.
Seit Duncans Clan vor einem halben Jahr hier ihren permanenten Wohnsitz bezogen hatten, waren sie in dieser Bäckerei Stammkunden geworden, so dass der freundliche Beta nicht erst nachfragen musste, wo die Order hingebracht werden sollte.Der Alpha trug den sehr zufrieden vor sich hin summenden Omega nach draußen in den Sonnenschein und setzte ihn dort wieder ab. Dann schlenderten sie nebeneinander her, immer der Hauptstraße entlang, um zum Wald zu gelangen.
Josh seufzte glücklich und hob sein Gesicht zu der wärmenden Sonne hoch. Das Leben war fast perfekt... er hatte ordentlich Schokolade gespachtelt, seine Ausbildung machte mit Delta Irmgards Hilfe fantastische Fortschritte, er hatte ein riesiges Nest voller Kuschelflausch und natürlich seinen Clan, den er von Tag zu Tag immer mehr vergötterte.
Zwei dunkle Schatten störten seine vollkommene Zufriedenheit jedoch. Seine Alphas waren mal wieder auf einer gefährlichen Mission irgendwo in den Karpaten - so hatten das doch die Menschen von einst genannt, oder?
Und das zweite, was noch schwerer wog, war nach wie vor der nagende Kummer über den Verlust seiner besten und einzigen Freundin.
Selbst nach all diesen Monaten brannte ihr Tod immer noch ein Loch in seine Seele.
Der Omega presste die Lippen zusammen und schüttelte unwillig den Kopf.
Er wollte sich den schönen Tag nicht mit Herzschmerz verderben, Gwenny würde das mit Sicherheit nicht wollen!Als die beiden sich allmählich dem Wald näherten, fiel Josh's Blick auf eine Ansammlung von sechs riesigen Männern... sie standen an einen Solarsegler gelehnt da und fixierten das Haus von Gwens Familie mit glühenden Blicken.
Der Junge versteifte sich, als er den Königsclan erkannte und ballte in finsterer Wut seine kleinen Fäuste. Rafe folgte dem Starren des Kleinen und knurrte leise.
Er legte dem vor Wut fauchenden Winzling an seiner Seite den Arm um die Schultern und dirigierte ihn durch in eine Nebenstraße.
Die Sicherheit des Clanherzens ging vor!
Es waren sechs Königsclan-Alphas und er war allein. Das war ein Kampf, dem Rafe dann doch lieber aus dem Weg gehen wollte...
Die Gasse führte die zwei schließlich zu einer weitläufigen Blumenwiese, an deren Ende ein Weidenbaum stand.
Genauer gesagt war es eine Trauerweide... derselbe Baum unter dem Gwendolyns Mutter ihre letzte Ruhe gefunden hatte.
Josh atmete tief den schweren Duft der zahllosen in voller Blühte stehenden Wildblumen ein und als er und Rafe langsam durch die bunte Pracht schritten, flatterten hunderte von Schmetterlingen in die Höhe.
Versonnen sah Josh den Faltern nach und dachte bei sich, wie sehr seine geliebte Gwenny den Anblick doch jetzt genossen hätte...Eine Bewegung an der Trauerweide lenkte die Aufmerksamkeit des Omegas in diese Richtung.
Die zierliche Gestalt einer jungen Frau mit schulterlangen feuerroten Locken huschte auf die Wiese und tauchte unter die tief herabhängenden Zweige des Baumes.
Ooooh...
Bei allen Sternen am Himmel...
Das konnte doch nicht...
Sah er etwa Geister?
Sie war doch gestorben...
Vor einem halben Jahr...
Es war einfach nicht...
Aber dann trug der Wind Josh einen vertrauten Duft entgegen und der Junge brach zitternd in die Knie.
Nein!
Kein Zweifel möglich!
Es war tatsächlich Gwen!
Seine süße, kleine, geliebte beste Freundin..
Rafe musterte besorgt das Clanherz und wollte den Jungen an seine Brust ziehen, doch Josh schubste ihn rigoros aus dem Weg.
„Das ist Gwen! Lass mich los, Rafe! Ich muss zu ihr... allein! Bitte!"
Der Alpha knurrte besitzergreifend und wollte ihn nicht freigeben, doch der kleine Omega fauchte wie eine wütende Katze und kämpfte mit aller Kraft gegen den starken Griff des Riesen.
Schließlich erbarmte Rafe sich und ließ den Omega schweren Herzens los.
„Na, schön! Aber ich bleibe in der Nähe! Ich traue diesem Königsclan nicht."
Josh nickte eifrig und küsste seinen Beschützer kurz auf den Mund. Dann huschte er durch die Schwärme von Schmetterlingen zu dem Baum hin.
Ein leise Schluchzen drang durch die dichten Zweige zu ihm und seine Seele schmerzte bei dem Kummer seiner besten Freundin.
„Gwen?"
Das Weinen verstummte und eine eigenartige Stille legte sich über die Wiese.
Selbst der Wind, in dessen Strömen die flatternden Insekten tanzten, schien für den Moment den Atem anzuhalten.
„Gwen?" fragte Josh erneut mit heftig klopfenden Herzen und fragte sich, ob seine Fantasie ihm vielleicht doch einen grauenvollen Streich gespielt hatte..
Hatte er sie sich vielleicht nur eingebildet?
„JOSH!" kreischte da eine helle Stimme und die Zweige der Trauerweide flogen regelrecht beiseite.
Dem Aufschrei folgte die schmale Gestalt Gwendolyns, die sich mit einem freudigen Aufschluchzen an seine Brust warf.Und auf einmal war die Welt wieder in Ordnung...
DU LIEST GERADE
Brennende Himmel
FantasíaJosh ist ein begabter junger und sehr fleißiger Mann, dessen Herzenswunsch es ist, Kinderarzt werden will. An für sich ist das ja kein utopischer Wunsch... das Problem an der ganzen Sache ist nur, dass er ein genetischer Volltreffer ist. Ein geschle...