Kapitel 102

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"Tyrone!"

Mein Ausruf hatte den gewünschten Effekt, denn mein Mate wurde still und setzte sich neben mich auf die Bettkante. Die Untersuchung lag bereits hinter mir, dennoch überschlug der Mann sich vor Sorgen. So süß das war, könnte er gerne einen Gang runterschalten.

Wie von der Ärztin verordnet lag ich im Bett und deutete nun auf mich. "Wie du siehst, liege ich im Bett und erhole mich. Heute gibt es keinen Stress mehr und ich werde versuchen zur Ruhe zu finden." Mit einem vielsagenden Blick merkte ich an: "Was mir viel leichter fallen wird, wenn du dich wenigstens ein bisschen entspannen könntest."

Tyrone hob seine Hand und strich mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. "Dir soll einfach nichts passieren. Jetzt mit unseren Babys in deinem Bauch schon gar nicht." Mit seiner Hand verweilte er auf meiner Wange und streichelte mit seinem Daumen darüber. Ein leichtes Lächeln fand auf meine Lippen, als ich antwortete: "Es ist auch schön, wenn du dich um mich sorgst. Aber beruhig dich zuerst. So viel heute los war, aber es ist nochmal alles gut gegangen."

Er nickte und ich nahm seine Hand in die meine. Um ihn weiter zu besänftigen sagte ich: "Die Ärztin hat gesagt, dass alles in Ordnung ist. Wir hatten Glück und ab jetzt verwandele ich mich bis zur Geburt nicht mehr."

"Ja, ich weiß. Ich hab mir nur unendliche Sorgen gemacht, ob ich wieder zu spät bin. Es hätte nicht nur dir etwas passieren können, sondern auch Yasmina."

Wieder.

Er gab sich noch immer selbst die Schuld an dem was damals mit seinem Bruder passierte.

Ich führte seine Hand zu meinem Mund und küsste sie, bevor ich sagte: "Du hättest und hast nie die Schuld getragen. Du kannst nichts für die Taten deines Vaters. Du hast immer getan was du konntest. Manche Dinge stehen leider nicht mehr in unserer Macht."

"Dennoch fühlt es sich danach an." Vermutlich lag es an den Hormonen, aber bei dem Schmerz in ihm, hätte ich direkt zu weinen anfangen können. Dann gab er noch sich selbst die Schuld, dabei hatte er die keine Sekunde.

Die Tränen in meinen Augen ließen sich nicht zurückhalten und meinen Mate versetzte das natürlich sofort in Alarmbereitschaft. Sanft fragte er: "Was ist los?"

Ich holte tief Luft und erklärte: "Du quälst dich selbst und das zu Unrecht. Es ist grausam welche Geschichten das Leben schreibt." Danach blieb ich still, ansonsten wäre der Damm gebrochen. Meine Gefühle hatte ich absolut nicht mehr im Griff.

Tyrone veranlasste das dazu sich neben mich zu legen und zog mich in seine Arme. Zwanghaft riss ich mich zusammen, damit ich anmerken konnte: "Tut mir leid. Ich will nicht heulen." Er drückte mich fest an sich und flüsterte: "Es ist alles gut. Du musst dich für nichts entschuldigen." Ich schlang meine Arme um ihn, denn mit seiner Nähe fühlte ich mich gleich besser.

Eine Weile blieben wir in dieser Position und niemand sagte ein Wort. Dadurch konnten wir beide langsam auf den Boden finden.

Hoffentlich war der ganze Wahnsinn endlich vorbei. Allerdings gab es aus Tyrones Familie, ansonsten nur noch Yasmina. Und seine Familie war stets das Hauptproblem gewesen.

Das erinnerte mich an seine Mum, worüber ich mit ihm reden wollte. Es mag üblich sein, dass die Luna starb, wenn es der Alpha tat. Dennoch wusste man in diesem Fall nicht, ob es wirklich so war. Die beiden hatten nämlich kein klassisches Mateband.

Nach einem Räuspern fragte ich: "Was ist mit Amanda? Ist sie wirklich tot?" Falls nein, würde ich vermutlich durchdrehen. Die Frau war praktisch das Hauptübel gewesen.

"Ja, sie ist tot. Dennoch werde ich mir das morgen ansehen. Bei dem schlechten Mateband meiner Eltern könnte man an ihrem Tod zweifeln."

Also hatte auch er diesen Gedanken. Allerdings hatte es bereits die Meldung gegeben, dass sie nicht mehr unter uns verweilte. Trotzdem war seine Skepsis nachvollziehbar.

Tyrone fing an mir über den Rücken zu streicheln und meinte: "Sie hatte sicherlich die Hoffnung, dass mein Vater sie befreien würde. Deshalb hat meine Mutter nichts gesagt. Ihr dürfte klar gewesen sein, dass er wach werden würde."

Diese Frau hatte den puren Wahnsinn in sich getragen. Man konnte nicht mal erahnen, was sie sonst alles in ihrem Leben angestellt hatte.

Mich machte das nachdenklich, was ich aussprach. "Denkst du dein Vater hätte sie befreit? Ihm dürfte doch klar gewesen sein, dass ihn jemand in diesem Zustand gehalten hat."

"Ja, aber die Schuld hat er mit hoher Wahrscheinlichkeit mir gegeben. Daher der Angriff auf dich. Über den Mindlink hatten die beiden mit Sicherheit Kontakt. Mit dieser Lüge hat sie ihn manipuliert."

Wie konnte eine Mutter so etwas tun? Oder ein Vater? Das waren keine richtigen Eltern, was sie mit ihren Taten bewiesen hatten.

Dieses ganze Thema war unglaublich anstrengend, aber ich könnte erst Frieden finden, wenn alles geklärt war. Deshalb machte ich weiter, in dem ich fragte: "Denkst du er hat etwas mit den Morden an deinem Onkel und deiner Tante zu tun?"

"Nein, er dürfte erst seit kurzem wach gewesen sein. Mein Vater war kein geduldiger Mann. Er hätte nie derart lange gewartet, um seine Rache auszuleben."

Yasmina blieb wohl die Hauptverdächtige, nur sprach das niemand aus. Die naive Hoffnung, dass sie unschuldig war, würde ich behalten.

Tyrone hatte wohl denselben Gedanken, denn er flüsterte: "Das heute habt ihr überlebt, weil ihr zu zweit gewesen seid. Yasmina hat die Luna gerettet. Das ist ein großes Gegengewicht, falls sie etwas mit anderen Taten zu tun hat."

An sich sollte kein Mörder auf freiem Fuß sein. Alleine, weil Selbstjustiz verboten war. Trotzdem zeigte man bei einer geliebten Person gerne Nachsicht. Ich hatte keine Ahnung wie ich reagieren würde, falls sie jemals angeklagt werden würde. Darüber wollte ich keine Sekunde nachdenken.

"Wenn sie es wirklich war, würde Yasmina das je gestehen?"

Kurz blieb es still und in meinem tiefen Inneren hoffte ich, dass sie den Mund halten würde. Wenn all das schon ohne Beweise passiert war, sollte man das akzeptieren und keinen Wirbel machen.

Ich kuschelte mich näher an ihn, denn vielleicht wurden damit meine Gedanken leiser, denn in meinem Kopf herrschte ein ziemliches Chaos.

Mein Mate antwortete schließlich: "Ich habe keine Ahnung."

Mittlerweile hatte er aufgehört mir über den Rücken zu streicheln. Also war er genauso nachdenklich. Ein Alpha hatte wahrlich einen schweren Job. Es war ein Wunder, wie er es schaffte mit all dem so gut umzugehen. Ich selbst wäre längst verzweifelt.

Um die Stimmung zu lockern, wechselte ich das Thema. "Yasmina wird bestimmt eine tolle Tante. Ihre Freude heute war süß."

"Ja, so habe ich sie schon lange nicht mehr gesehen. Es ist schön, dass sie endlich wieder Freude empfinden kann. Sie mag klein sein, dennoch ist sie da." "Das ist ein guter Anfang. Sobald die Kleinen da sind, freut sie sich vielleicht noch mehr."

Nun fing er doch wieder an mir über den Rücken zu streicheln, was mich entspannen ließ. "Egal wie stressig alles mit Zwillingen wird. Yasmina wird helfen wo sie nur kann. Kinder bringen Schwung ins Leben, mit Glück tut ihr das gut. Ich würde es mir sehr wünschen."

"Trotzdem ist ihr größter Wunsch endlich wieder bei Zac zu sein." Das war unendlich traurig, nur leider konnten wir nichts daran ändern. Die Hormone hatten mich wirklich im Griff, denn mir wurde schwer ums Herz, da wollte ich zu weinen anfangen. Diese wundervolle Frau hatte dieses Schicksal kein bisschen verdient.

Tyrone antwortete nach einem Seufzen: "Ja, ich weiß. Bis dahin können wir versuchen, das Leben für sie erträglich zu machen."

"Das werden wir. Familie ist füreinander da und das werden wir für immer."

My heartless Mate | ✔️ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt