(43) alte Schilde

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Hicks

„Du meinst, du bist blind?"
Raff fuchtelte ungläubig mit ihrer Hand vor Moiras Gesicht herum, wofür sie prompt einen festen Schlag gegens Handgelenk kassierte.

„Au! Von wegen! Du siehst wunderbar!"

„Ich bin blind, nicht tot! Deine Nägel sind mir fast über die Nase geschrammt!"

„Das heißt, du spürst etwas?"

Jetzt bekam beinahe Astrid eine gescheuert. Es fehlte nicht viel und Moira bleckte die Zähne. Die unzähligen Wunden formten ihre wütende Grimasse zu einer grauenerregenden Fratze, spiegelten und verzerrten ihre Gedanken in einem nie erreichten Ausmaß. Sie brauchte keine Reißzähne, um jedem Alptraumgespinst die Furcht durchs verrottete Herz zu jagen.
„Haltet ihr mich für völlig nutzlos?", fauchte sie, ihr Blick brannte und sengte ziellos Löcher in die Luft um uns. Ich spürte das furiose Knistern.

„Natürlich nicht." Meine Stimme war fester als meine Knie. Oder die Ränder des Loches, das sich durch meine Eingeweide fraß und das immer weiter bröckelte, bis es mich irgendwann vollständig zusammenfallen und nichts als diese eisige Kälte hinterlassen würde.
Angst, das war es. Die Frage war bloß: vor oder um Moira?
„Im Gegenteil. Das ist großartig. Wir wussten nur nicht- Naja, deine Haut besteht praktisch aus nichts als Brandwunden."

„Ach was."
Moira schnaubte höhnisch.
„Sonst noch kluge Bemerkungen?"

„Das kriegt Gothi wieder hin. Hat sie bei Astrid auch. Nicht wahr, Hicks?"

Ja, hatte sie. Da hatte Taff Recht. Allerdings-

„Ich war geblendet. Moira dagegen-"

„Jaja, was auch immer. Ich muss meine Axt holen."

Moiras Hand griff ins Leere. Nachtblitz war einen Schritt zurückgewichen.

„Nachtblitz?"
Panik blitzte durch das Wort, fand in den unzähligen Furchen auf ihren Wangen halt, grub ihre Wurzeln in die Schnitte.
„Wo ist sie hin?"

„Sie-"
Es schmerzte, Moira so zu sehen.
„Sie steht direkt neben dir."

Blind streckte Moira ihren Arm aus, doch der Himmelsfluch trippelte knapp aus ihrer Reichweite. Flehende Fingerspitzen fuhren durchs Nichts.
Salbe und Schorf bröckelten, als ich mir auf die Lippe bis. Das folgende Brennen lenkte mich immerhin etwas von dem blubbernden Ziehen ab, das das Loch zu füllen begann.

„Nachtblitz?!"

„Moira, sie-"
Astrid schluckte. Schlug die Augen nieder.
„Sie will nicht. Sie weicht vor dir zurück."

„Was?!"
Ihre Beine schabten über den Kristall, sie zog sie an, lehnte und schob sich in die Richtung, in der sie Nachtblitz vermutete, rückte Stück für Stück weiter, ihr Atem stoßweise. Streckte sich weiter voran, ihre Finger tasteten Luft, langgestreckt. Verlagerte ihr Gewicht weiter vor-
Ich riss die Augen auf, sah es zu spät. Da war die Kante, Moiras vorgelagerte Schwerpunkt passierte sie, die Kriegerin verlor das Gleichgewicht und-
im letzten Moment setzte Nachtblitz vor und schubste sie zurück auf den Kristall.

„Hey!"
Mit einem harten Knall krachte Moiras Kopf auf das Kristallauge.
„Nachtblitz?"

Die Drachin grummelte.

„Was soll das?"
Der Zorn war nichts weiter als eine fadenscheinige Hülse. Verzweiflung sickerte ungehindert darunter hervor.

Fauchen. leises Knurren, ein Ton, der wie das Imitat eines Wortes klang.

Unterhielten sie sich? Laut?
Das war falsch. An dem Ganzen hier war etwas falsch. Es stank geradezu. Wieso nur kam ich nicht darauf, was es war? Wieso blieb es bei diesem mulmigen Gefühl?

Sternenfluch - Segen der FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt