Kapitel XIV

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Der nächste Tag verläuft ähnlich. Nur, dass ich viel Zeit mit Artemis verbringe. Ich ertappe mich dabei, sie immer mehr zu mögen. Sie ist Einzelkind, das ist in Distrikt elf ungewöhnlich, weil die Kinder auf den Feldern helfen müssen und später dafür sorgen, dass ihre Eltern versorgt sind. Trotzdem fühlt sie sich verantwortlich für Johnny. Sie würde unheimlich gerne mal das Meer sehen, also beschreibe ich es ihr genau, wie es aussieht, wie es riecht, wie es sich anfühlt. Ich erzähle ihr ein wenig von der Akademie und von Riven und von meiner Tante. Gehe aber nicht weiter auf meine Familie ein. Nicht auf meine Mutter, meinen Stiefvater oder meinen leiblichen Vater.

Sie ist geschickt mit einem Messer und erzählt scherzhaft, dass sie in ihrem Leben viele Äpfel und Kartoffeln geschält hat, die gleich für das Kapitol weiterverarbeitet wurden. Sie hat bereits mir zwölf angefangen zu arbeiten. Es ist mir unangenehm neben ihr zu stehen und zu wissen, wie gut wir es mit der Akademie haben. Warme Mahlzeit, die Möglichkeit zu lernen, Spaß zu haben. Auch wir haben wenig Perspektiven, aber wenigstens haben wir eine Wahl.

Am Abend stehe ich wieder mit Riven in dem Fahrstuhl. Er sieht grimmiger aus als gestern. „Morgen trainiere ich wieder bei dir", brummt er und blickt mich kurz an. Er räusperte sich. „Tut mir leid, dass ich die Karrieros vorgezogen habe."

„Hast du denn irgendwas herausgefunden?", frage ich, als die Fahrstuhltüren aufgleiten.

„Zum einen, dass sie alle gefährliche Idioten sind."

„Was ist denn heute vorgefallen?", frage ich verwirrt.

Er fährt sich seufzend über das Gesicht. „Nichts, was ich mir nicht auch hätte denken können."

„Riven", knurre ich, „Wenn du nicht gleich mit der Sprache rausrückst..."

„Na gut, okay", er seufzt, „sie planen dich noch am Füllhorn zu töten."

Geschockt starre ich ihn an.


„Sie wollen dir alle hinterhersetzen."

Ich schlucke schwer. Dass sie mich schnell töten wollen ist mir klar, aber so schnell, dass sie die leichten Ziele Am Füllhorn dafür fallenlassen? Ich höre, wie das Blut in meinem Ohren rauscht und beginne zu zittern.

Finnick räusperte sich. „Wir werden schon eine Lösung finden, Cassie", sagt Finnick leise und lächelt mich aufmunternd an.

Ich schüttle Fassungslos den Kopf und stapfe an allen vorbei in mein Zimmer. Ich bin davon ausgegangen überhaupt eine Chance zu haben, aber wenn es gleich vier Karrieros auf mich abgesehen haben, habe ich doch kaum eine Chance. Und es versetzt mir einen Stich, aber ich muss Artemis so schnell wie möglich wieder fallen lassen. Keine Verbündeten. Nicht, wenn ich sie aktiv in Gefahr bringe. Dafür mag ich sie und Johnny zu sehr. Ausgerechnet jetzt, muss jemand mein Herz erweichen.

Der nächste Tag kommt, Annie hat mir gestern etwas zu Essen auf das Zimmer gebracht, damit ich vor den Hungerspielen keine Mahlzeit verpasse. Es ist nett von ihr, dass sie daran gedacht hat.

Am nächsten Tag bin ich schweigsam. Nach der morgendlichen Ansprache gehe ich zu Artemis. „Hey, können wir kurz reden?" Ich nicke zu einer dunkleren Ecke auf einer Seite des Raums.

„Okay, wenn du willst. Johnny, geh doch schon mal zu den Pflanzen vor."

Ich räuspere mich, als wir in der Ecke stehen. „Ich weiß, dass wir uns hier gerade zu guten Verbündeten entwickeln, aber..." Ich werfe einen Blick herüber auf die Karrieros. Selbst jetzt starren einige zu mir. „Die Karrieros haben es auf mich abgesehen. Das kann ich dir und Johnny nicht antun. Ihr macht das gut, ich möchte, dass einer von euch gewinnt, wenn sie mich erwischen."

Sie runzelte die Stirn und schaut zu der Gruppe herüber. „Davon lässt du dich jetzt runterziehen? Ich hatte dich anders eingeschätzt. Und bist du nicht selbst ein Karriero?"

Ich seufze. „Selbst wenn ich mit dir und Riven an meiner Seite kämpfen würde, wären wir immer noch einer zu wenig und wir müssten auf Johnny aufpassen." Ich verschränke die Arme. „Außerdem hast du keine Ausbildung wie ich oder Riven. Sind wir doch mal ehrlich, du hättest keine Chance." Ich weiß, dass ich unfair und gemein bin, aber ich muss sie irgendwie loswerden.


„Okay, ich bin mir sicher, dass du das nicht so meinst. Es ist deine Entscheidung, ob du dich verbünden wirst. Aber wenn wir uns nach ein paar Tagen in der Arena über den Weg laufen, sollten wir nochmal darüber nachdenken, statt zu schießen." Sie lächelt mich schief und traurig an. „Deal?" Sie hält mir die Hand hin.

„Deal", stimme ich zu und schüttle ihr Hand. „Viel Glück, Artemis."

Die Tribute von Panem - Eisige WellenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt