Kapitel 04

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H E L I O

In Windeseile schnappte ich nach meinem Handy. Ich hatte es auf die Bettdecke gelegt, als ich vorhin mit der Systemkamera beschäftigt gewesen war. Beim Öffnen der App des Studenten-Accounts hielt mich plötzlich etwas zurück. Meine Finger nahmen Abstand von der Tastatur. 

Ich starrte auf meinen Stundenplan und sah dann auf meinen Bauch. Ich spürte etwas. Ein Gefühl. Mir die Hand auf den Bauch legend, ließ ich meine Aufmerksamkeit darin eintauchen. Es war leise und zurückhaltend. Sehr leise. Aber ich wusste genau, was es bedeutete. 

Dieser Kursplatz war nicht für mich bestimmt. Mit dem Aufblähen meiner Lungenflügel ließ ich Luft bis in meinen Bauchraum fließen, um sie dann mit einem Schnauben auszustoßen. Ich wollte diesem Gefühl Raum geben. Schließlich wusste ich, dass es wichtig war. Es war mein Bauchgefühl, die innere Stimme, die mit meinem Engelsbewusstsein in Verbindung stand. Sie meldete sich, sendete Signale. 

Mir wurde gesagt, dass es nicht leicht werden würde. Die Menschen gehörten zu den Meistern im Umgang mit Emotionen. Ich war nicht das einzige Wesen einer anderen Dimension, dass das schon immer beobachtet und fasziniert hatte. Etliche Seelen standen regelrecht Schlange, um sich als Mensch inkarnieren zu dürfen; um die Erfahrung zu machen, Trauer, Wut, Angst, Freude und Liebe zu fühlen. Aus Sicht eines Daseins, das nur Frieden kannte und sich am Sein allein erfreute, spürte ich zum ersten mal etwas in mir, das weh tat. Einen Zwiespalt.

Ich ließ das Handy widerwillig auf die Matratze fallen und ballte die Fäuste.
So etwas hatte ich noch nie empfunden. Das, was sich da wehrte, war mein Ego. Ego, lateinisch für ich. Es war mir in der Theorie bekannt. Und es war das, was sich Devil zum Instrument machte, wenn er behauptete, die Erde und die Menschen würden ihm gehören. Meine Gedanken spielten vor meinem inneren Auge immer wieder das Bild von mir und Daphne im Malkurs ab. Der sechste Sinn in meinem Bauch, der mich in diesem Moment aufforderte, diese Vorstellung aufzugeben, brachte mich durcheinander. 

Am liebsten wollte ich mein Bauchgefühl ignorieren und tun, wonach mir der Sinn stand. Mir den Kursplatz sichern, Zeit mit Daphne verbringen und Devil in den Schatten stellen. Dort war er ja schließlich auch hergekommen. Ich fühlte Dunkles in mir aufsteigen, mit dem ich zuvor noch nie in Berührung gekommen war. Wie ein brennendes Streichholz, von dem man ahnte, dass es einen ganzen Wald und etliches Leben auslöschen konnte.

Aber ich wusste, dass der Kontakt zu meinem höheren Selbst weiterhin bestand. Ich hatte es erst vorhin deutlich gespürt, als Daphne im Badezimmer Angst gehabt und etwas in mir Alarm geschlagen hatte. Es hatte mich aus dem Schlaf gerissen, meine Instinkte aktiviert und mich sofort in Bewegung gesetzt. Ich war also immer noch ihr Schutzengel. Ich stand immer noch mit ihr in Verbindung. 

Und trotz dieser Eindeutigkeit hatte mich Devils Verhalten auf die Probe gestellt. Es hatte mich aus der Ruhe gebracht und mir das Vertrauen in mich selbst genommen. Als ich in der Badtür gestanden und darauf gewartet hatte, dass er sich endlich von ihr entfernte, war mein Herzschlag in ungeahnte Höhen gestiegen. Ich hatte mich selbst kaum noch gespürt. Die Selbstbeherrschung, die es mich gekostet hatte, geduldig darauf zu warten, dass er das Bad verließ, war unbeschreiblich. Genau, wie die immense Sehnsucht, dass Daphne sich sicher fühlte. Offenbar hing das Gefühl ihres inneren Friedens mit meinem zusammen. 

Devil kam in den Flur stolziert. Das Handy in der Hand, lehnte er sich gegen den Rahmen meiner offenstehenden Zimmertür. Sein Blick fiel auf mein Smartphone, das ich aufs Bett geschmissen hatte. Das dunkle Grinsen, das er mir präsentierte, brachte meinen Puls schon wieder zum Rasen.
»Zu spät, Traumtänzer. Ich hab den Platz.« Er wackelte mit dem Handy in seiner Hand und musterte mich von Kopf bis Fuß. Dabei war die Vorstellung von ihm in einem Malkurs absolut absurd. Er hasste Kunst. Ich war der festen Überzeugung, dass er keine Ahnung hatte, worauf er sich mit dem Studium einließ. Denn es hatte eine Aufnahmeprüfung gegeben, an der wir nie teilgenommen hatten. Keiner von uns wusste, ob er tatsächlich Talent dazu hatte, die Kurse zu bestehen. Der Rat des Lichts hatte dafür gesorgt, dass die richtigen Menschen Erinnerungen erhielten, die unsere plötzliche Existenz für andere logisch erklärbar machten. Aber alles, was sich von nun an entwickelte, lag allein in unseren Händen.

Celesdeal - Ein himmlischer Pakt (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt